Friedhöfe in der Nordkirche: „Zitronenfalter und Pfauenauge zeigen sich wieder“
13. August 2024
Friedhöfe sind Orte der Trauer. Aber sie sind auch Orte der Natur und Erholung für die Menschen. Außerdem können sie Schutz- und Lebensräume für Pflanzen und Tiere sein. Umso wichtiger ist es, dass bei der Anlage und Pflege von Friedhöfen auf Biodiversität und Artenvielfalt geachtet wird.
Mehr erfahren: Friedhöfe - Orte der Begegnung und des Lebens
Einer, der einen Ort nicht nur für die Toten, sondern auch für die Lebenden geschaffen hat, ist Friedhofsgärtner Christian Jens vom Friedhof Wilster. Hier stellen wir ihn und seine Ideen vor.
Auf Grabflächen summt und brummt es
Christian Jens ist gelernter Landschaftsgärtner. Auf einem Friedhof wollte er eigentlich nicht arbeiten. Jetzt gefällt ihm die Arbeit doch.
Der 42-Jährige steht inmitten eines Rondells, das gesäumt ist von bunten Blumenbeeten in denen einzelne Grabsteine liegen. Auf den sogenannten pflegefreien Grabflächen summt und brummt es wie verrückt. In der Mitte des Rondells steht eine Bank im Schatten einer Platane. „Wir legen die Grabstätten wie Zimmer an. Hier sollen sich die Leute behütet fühlen und in Ruhe trauern können“, sagt Jens.
Thymian statt Rasen und 1000 Quadratmeter Blühfläche
Zur Website des Friedhofs Wilster im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf
Mit viel Herzblut setzt er auf dem Friedhof in Wilster immer wieder neue Ideen um. Eine Rasenfläche möchte er etwa mit Thymian bepflanzen. Das Kraut ist ein Insektenliebling und begehbar wie Rasen, müsse aber seltener gemäht werden. In Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Argument.
Aktuell ziehen die Blühstreifen auf dem hinteren Teil des Friedhofs die Blicke auf sich. Ende Juli schaukeln dort Dolden der wilden Möhre an langen Halmen im Wind. Im Juni freuten sich Friedhofsbesucher:innen an einem Blütenmeer aus Margeriten, durch das sich verwunschene Wege schlängelten.
Mehr Informationen zum Programm des Bundesamtes für Naturschutz "leben.natur.vielfalt"
Hier ist der Friedhof weniger stark belegt. Jens nennt es eine „Überhangfläche“. Die Blühwiese erstreckt sich über 1000 Quadratmeter. Die Saat wurde finanziert vom Programm leben.natur.vielfalt des Bundesamtes für Naturschutz. Es soll die biologische Vielfalt in Deutschland erhalten und schützen. Jens plant, sich mit weiteren 2000 Quadratmetern um die Fördermittel des Bundes zu bewerben.
Eine Herausforderung für jeden Friedhofsgärtner
Naturnahes Gärtnern auf dem Friedhof umzusetzen, war für den Friedhofsgärtner eine Herausforderung: „Man muss sich informieren, Lehrgänge besuchen und Ausschüsse überzeugen.“
Heute weiß der 42-Jährige genau, wie man eine Fläche anlegt, auf der sich Insekten wohl fühlen: „Hier haben wir einen Insektenwall gebaut. Der Boden ist offen angelegt, damit die Insekten in das Erdreich eindringen können“, sagt er und zeigt auf ein wildes Areal, in dem vor allem Hummeln wohnen. Jens und sein Team setzen auf klare Rasenkanten. Schilder weisen die Blühflächen aus.
Statt düsterer Koniferen blühende Sträucher
Als Christian Jens mit 22 Jahren auf dem Friedhof in Wilster anfing, sah es dort noch ganz anders aus. Düstere Koniferen und Rhododendron prägten das Bild. Die Sträucher waren das ganze Jahr über grün und boten Insekten kaum Nahrung. Auch die Farbwahl der Blüten war eingeschränkt. Die Bepflanzung sollte zum Anlass passen.
Grabsteine stammen häufig aus Kinderarbeit und Import. Unser Praxistipp "Faire Grabsteine" zeigt, worauf wir achten müssen.
Heute sitzt Christian Jens auf einer kleinen Bank. Die einfachen Sitzgelegenheiten stellt das Friedhofsteam derzeit überall auf dem Friedhof auf. Der Grabstein neben ihm ist gleichzeitig auch eine Vogeltränke.
Der Friedhof: Ein Ort auch für das Leben
Jens beobachtet, dass viel mehr Vögel und Insekten auf dem Friedhof unterwegs sind. „Man merkt den Unterschied total. Vor allem Schmetterlinge wie der Zitronenfalter und das Pfauenauge zeigen sich wieder.“ Mit der App Obsidentify, ein Produkt der Observation International Stiftung, identifiziert und dokumentiert er die Insekten. Denn jetzt wolle er auch wissen, was seine Pflanzung bringt.
In der Vorstellung von Christian Jens treffen sich Trauernde einmal in der Woche auf dem Friedhof und gehen danach noch zusammen einen Kaffee trinken. Denn der Friedhof in Wilster ist heute nicht nur ein Ort für den Tod und die Toten, sondern auch für das Leben und die Lebenden.