9. April 2023 | Hauptkirche St. Nikolai Hamburg

Grußwort zum Konzert zur Einweihung der Peter-Orgel

09. April 2023 von Kirsten Fehrs

Ostersonntag

Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Und sie auch, liebe Freundinnen und Freunde, sie, die Peter-Orgel! Klangfarbig, registergewaltig, zärtlich, aufbrausend – mit allen Facetten und Pfeifen gibt sie uns buchstäblich Wind unter die Flügel. Ohren und Herzen sind aufgeweckt wie selten, um nach fünf langen Schweigejahren die sage und schreibe 7.000 Pfeifen allesamt mit höchster Aufmerksamkeit zu würdigen.

Es muss schon heute Morgen im Gottesdienst ein unglaublich berührender Moment gewesen sein, als der erste Akkord wieder diesen Raum erfüllt hat, oder? Berührend für all die vielen Orgelbauer, lieber Herr Klais, und die Gewerke, für die Musiker, lieber Tjark Pinne, und die Kirchengemeinde, für die Chöre, Stifter und Spenderinnen, für das Marathon laufende Pfarrteam und, und, und …

Ostermusik wird gleich den Jubel der Herzen aufnehmen und das tun, was die Königin der Instrumente sowieso aufs Trefflichste versteht: unserem Glauben mit allen Registern eine eigene Sprache zu geben. Kein Beiwerk ist diese Musik, sondern der rettende Ton im kakophonischen Weltkonzert. Und so spendet sie Trost, diese aufgeweckte Orgel, sie rüttelt wach, weckt Freude, irritiert die Ordnung, löst Trauer, bringt Frieden – und weiß in all dem, die Bandbreite menschlichen Seins und menschlicher Sehnsucht klangvoll ins Gespräch zu bringen.

Kein Tag also könnte besser sein, um dies herausragende Instrument, das Hamburgs Position an der Spitze der Orgelstädte weltweit noch einmal richtungsweisend erneuert, einzuweihen, als heute am Osterfest des Lebens.

Vor fünf Jahren sah es deutlich anders aus. Da wurden alle Register gezogen – buchstäblich, im Sinne von stillgelegt. Denn die Peter-Orgel als ein echtes „Klangdenkmal“ und eine „klingende Zeitzeugin der Nachkriegszeit“ war eben höchst restaurierungsbedürftig. Sie quiekte und quakte, schuf gar manchmal Töne wie von Geisterhand, während dann wieder ganze Tonreihen stumm blieben. Es war an der Zeit, etwas zu tun – und die Kirchengemeinde St. Nikolai hat‘s gewagt. Und wie!

Ein Fundraisingprojekt in dieser Größenordnung von über drei Millionen Euro – das braucht Mut und Ideenreichtum. Danke Ihnen allen dafür – denn gewiss sind Sie alle hier beteiligt als Stiftungsmäzene, Pfeifenpatinnen, Mitdenkende im Hospital zum Heiligen Geist, als Chormitglieder mit Sammelaktionen oder Mitkonsumierende des eigens kreierten Orgelweins, der nach Schätzungen viele Tausend Euro brachte. Was für eine Leistung, in jeder Hinsicht – Chapeau!

Und so konnte in großartiger Gemeinschaftsleistung ein zeithistorisches mit einem Zukunftsinstrument vereint werden: Röhrenglocken, Celesta, Snare Drum und Tamtam klingen wie eine eigene Percussionband und machen den Organisten bisweilen zu einem DJ. Mit allerfeinster Technik kann per Touchpad der Winddruck so reguliert werden, dass die Pfeifen entweder leise flüstern oder laut brausend den Kirchraum durchrütteln. Der gute alte Blasebalg, schweißtreibend getreten, um Wind zu machen – das war einmal. Jetzt windet es mit Computerhilfe und modernster Mechanik. Um anders gut den Ton zu setzen als der im pneumatischen System so genannte „Arbeitswind“, der mit dem „Spielwind“ einen Pas de Deux eingeht.

Das ist wie im richtigen Leben: Kein guter Ton ohne Wind, der arbeiten will und zugleich inneres Spiel hat. Kein guter Ton also in dieser Gesellschaft ohne guten Geist, der eben auch mit Hightech den richtigen Wind wehen lässt. Damit die Vox humana – die menschliche Stimme – damit auch die Stimme der Menschlichkeit in dieser Welt an Kraft gewinnt und gehört wird!

Martin Luther sagt das so: „Musicam habe ich allzeit lieb gehabt. […] Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen besonnen, die Verzagten herzhaft zu machen, die Hoffärtigen zur Demut zu reizen, die hitzige und übermäßige Liebe zu stillen und zu dämpfen, den Neid und den Hass zu mindern.“ Wie dies den Nerv trifft in dieser streitbaren, krisenverwundeten Welt! Würde man mehr Musik hören, liebe Freundinnen und Freunde, und sich von ihr verstanden fühlen oder gar zu ihr tanzen – die Welt würde weniger Kriege erleben.

Musik – sie ist die Friedensbotschaft selbst. Weil sie, wo das gesprochene Wort an seine Grenzen stößt, die Seelen zu berühren und uns der Güte Gottes zu vergewissern vermag. So danke ich allen hier von Herzen, die mit Hingabe der Stimme der Menschlichkeit und dem Spiel des Windes ihre Kunst bzw. ihr Gehör schenken. Lassen wir sie also hinein in unsere Seele, die Musik des Lebens. Mit der Peter-Orgel und ihrem neu erwachten Lobgesang. Soli Deo Gloria. Gott allein zur Ehre.

Datum
09.04.2023
Quelle
Kommunikationswerk der Nordkirche
Von
Kirsten Fehrs
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