Heiko von Kiedrowski: "Für die Pressefreiheit kann man gar nicht genug kämpfen"
03. Mai 2024
Pastor Heiko von Kiedrowski leitet seit Jahresbeginn das Evangelische Rundfunkreferat beim NDR. Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit (3. Mai) sagt er, wie die Kirche sich für Meinungsfreiheit und Demokratie starkmacht.
Am 3. Mai ist der internationale Tag der Pressefreiheit. In Deutschland ist sie im Grundgesetz fest verankert, dennoch wird auch hierzulande eine zunehmende Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten beobachtet. Im Interview berichtet Pastor Heiko von Kiedrowski über seine Erfahrungen und warum die Pressefreiheit auch für die Kirche von hoher Bedeutung ist.
Sie leiten seit Jahresbeginn das Evangelische Rundfunkreferat beim NDR. Welche Bedeutung hat für Sie die Pressefreiheit?
Ich glaube, für die Pressefreiheit kann man gar nicht genug kämpfen, auch wenn es manchmal unangenehm ist und wenn es irgendwie stört und nervt. Ich halte es einerseits für segensreich und wichtig, dass die Presse der Kirche den Spiegel vorhält. Und andererseits, dass wir auch selbst die Freiheit haben, uns journalistisch zu äußern, nicht nur auf den Kanzeln, sondern auch in den verschiedensten Medien, die es gibt, sei es nun selbst produziert, sei es selbst organisiert, in Social Media oder eben auf öffentlich-rechtlichem Grund.
Auch in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren eine wachsende Gewalt gegenüber den Journalistinnen und Journalisten beobachtet. Kann unsere Kirche helfen, Demokratie zu fördern und in dem Zuge ja auch die Pressefreiheit?
Die Frage stelle ich mir jeden zweiten Tag. Wenn wir posten, Andachten auf Facebook zum Beispiel oder bei Instagram, dann bekommen wir in regelmäßigen Abständen Kommentare zu Pädophilie oder die Frage "Warum bekomme ich steuerfinanzierte Kirchenwerbung in meinem Feed?", oder den Vorwurf "Die Kirche hat uns in Corona alle allein gelassen!". Das sind immer die gleichen Sachen, die da hochgespült werden, aber schon in der Kommunikation ist die Gewaltbereitschaft merklich gestsiegen, finde ich.
Ich glaube, dass wir einfach dagegen stehen müssen und das aushalten müssen, dass Menschen sich so äußern. Und dass diese Menschen trotzdem sehen und hören, was wir sagen. Immer mehr Menschen stecken in Filterblasen - und das ist echt gefährlich. Pressefreiheit ist ein Weg, da herauszukommen oder zumindest ab und zu mal einen Input von außen zu kriegen. Deshalb finde ich auch Investitionen in Öffentlichkeitsarbeit oder Pressearbeit für Kirche ein unglaublich wichtiges Thema. Kirche muss aus vielen Gründen eine Stimme in der Gesellschaft bleiben. Wir könnten überall sparen und sagen, wir sind nicht mehr aktiv in den Medien und machen nur noch schöne Gottesdienste. Und in 20 Jahren macht dann der Letzte das Licht aus und die Tür zu. Aber das ist keine Vision, die ich teile.
Der NDR als öffentlich-rechtlicher Rundfunk steht für unabhängigen Journalismus. Auch Religionsgemeinschaften bekommen laut Rundfunkstaatsvertrag Sendezeit. Worum geht es in den von Ihnen verantworteten Sendungen?
Aus meiner Sicht ist das öffentlich-rechtliche Prinzip gut für die Pressefreiheit. Die Tatsache, dass wir diese Drittsenderecht haben – also in der Pressefreiheit noch mal eine eigene Freiheit mit ganz weiten Grenzen – halte ich für unglaublich wertvoll für die Gesellschaft. Dass Menschen so auch mal etwas hören, was nicht aus ihrer eigenen Filterblase kommt. Das kann eine christliche Weltsicht, eine ethische Stellungnahme aus christlicher Haltung sein. Das ist sowieso der Grundkonsens für unsere Radio-Andachten. Es muss nicht immer Jesus vorkommen oder der liebe Gott, aber ich möchte gerne spüren, dass der oder die, die da spricht, ihre Gedanken aus einer christlichen Haltung heraus entwickelt.
Stichwort Digitalisierung: Wie sieht die Zukunft des Rundfunks aus, wenn immer weniger Menschen linear Medien nutzen? Vor welche Herausforderungen stellt Sie das?
Wir haben rund zwei Millionen Menschen, die wir jede Woche mit unseren Angeboten erreichen. Ein Radio-Gottesdienst hat zwischen 250.000 und 500.000 Zuhörende, das ist schon ganz amtlich, finde ich, ein Schwergewicht. Die Frage ist natürlich trotzdem, wie entwickelt sich das weiter, wohin geht die Reise? Wir sind auf dem Weg zu gucken, welche digitalen Kanäle funktionieren überhaupt? Wie macht man die auch bekannt? Wir haben einen sehr schönen Podcast "Sinnsuche", den machen drei Kolleginnen zusammen. Aber er ist nicht so bekannt, wie er sein könnte und wie ich mir das wünschen würde. Da muss was passieren, und das üben wir.
Die Mediatheken sind aktuell noch sehr im Umbruch und leiden ein bisschen darunter, dass sie die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verfolgen. Heißt, ich kann alles gucken, ohne mich irgendwie zu offenbaren oder mich anzumelden. Das bedeutet gleichzeitig, ich kann keine Inhalte angeboten bekommen, die zu mir passen. Optimierte Inhalte angeboten zu bekommen ist ein Weg, Menschen gezielt anzusprechen, gleichzeitig ist die Filterblase, die sich dadurch bildet, eine Pest.
Mit Krisen, Kriegen und Katastrophen werden wir derzeit konfrontiert, sobald wir den Fernseher oder das Radio anschalten. Brauchen die Menschen die guten Nachrichten zwischendurch?
Mehr von Heiko von Kiedrowski im Audio
Im Alltagsmedium Radio die Verknüpfung zwischen Glaube, Christentum, auch christlicher Kultur, Informationen und Bildung zu vermitteln, das ist ein wichtiger Auftrag. Es macht Spaß, das zu entwickeln. Aber unser Programm sind ja nicht nur gute Nachrichten. Wir nehmen auf aktuelle Geschichten Bezug. Und wenn irgendwas Schlimmes passiert, dann wird auch mal ein vorproduzierter Beitrag aus dem Programm genommen und was Aktuelles gemacht. Ich finde es richtig wichtig, dass wir schnell sein können, wenn es darauf ankommt. Als 2015 die Germanwings-Maschine abgestürzt ist, was sich später als Suizid des Piloten herausstellte, wurde sofort reagiert. Nicht dass wir als Kirche dann auf die Schnelle Trost in 1.30 Minuten im Angebot hätten. Aber in solchen Situationen ist es trotzdem wichtig zu sagen: „Es ist in Ordnung, dass du es scheiße findest“.