Hilfswerke befürchten bis zu eine Milliarde Hungernde durch Corona
18. Mai 2020
Welthungerhilfe und "Terre des Hommes" warnen vor gravierenden Folgen der Corona-Krise für arme Länder. Die Zahl der Hungernden könnte auf eine Milliarde ansteigen, Millionen Kinder werden nicht geimpft und gehen nicht mehr zur Schule.
Welthungerhilfe: "Kompass 2020" www.tdh.dewww.welthungerhilfe.de
Hilfswerke warnen vor einer Zunahme des weltweiten Hungers durch die Corona-Pandemie. Infolge der Krise könnte die Zahl der Hungernden von 820 Millionen auf eine Milliarde Menschen ansteigen, sagte der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Mathias Mogge, am Freitag in Berlin. Die Einkommensmöglichkeiten der Ärmsten gingen sofort verloren, wenn Tagelöhner und Wanderarbeiter durch die Corona-Restriktionen von einem Tag auf den anderen keine Arbeit mehr hätten. "Für sie ist die Gefahr, an Hunger zu sterben bedrohlicher als das Virus selbst", sagte Mogge.
"Kompass 2020" zur "Wirklichkeit der Entwicklungspolitik"
Gemeinsam mit der Kinderhilfsorganisation "Terre des Hommes" stellte die Welthungerhilfe den "Kompass 2020" zur "Wirklichkeit der Entwicklungspolitik" vor. Der jährlich erscheinende "Kompass" ist eine Art Schattenbericht zur staatlichen Entwicklungspolitik. Ein Prozent Wirtschaftsrezession führe zu zwei Prozent mehr Hunger, sagte der Welthungerhilfe-Generalsekretär. Die Finanzierung von Hilfen zur Hungerbekämpfung und für die ländliche Entwicklung dürfe daher nicht reduziert werden, erklärten beide Organisationen.
Überwindung von Hunger und Armut bleibt "wichtigstes Ziel"
Ein Sofortprogramm der Bundesregierung sei wichtig und müsse wie von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gefordert mit rund drei Milliarden Euro untermauert werden. Dafür müsse das Budget seines Ministeriums insgesamt erhöht werden, damit neben dem Sofortprogrammen auch die langfristigen strukturbildenden Maßnahmen weiter finanziert werden können, sagte Mogge.
Müller erklärte unterdessen am Freitag, auch in der Corona-Krise bleibe das wichtigste Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit die Überwindung von Hunger und Armut. "Gerade die schwächsten Menschen brauchen unsere Unterstützung - das sind Kinder und Familien in Krisen- und Flüchtlingsregionen", sagte der Minister.
Deutschland habe die Mittel für die am wenigsten entwickelten Länder zwischen 2013 und 2018 von 2,53 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Euro gesteigert. Mit dem Reformkonzept 2030 des Ministeriums erhöhe sich der Anteil an der Gesamtzahl der Partnerländer, hieß es. Die Zahl der Partnerländer soll durch die Reform von 80 auf 65 reduziert werden.
689 Millionen Kinder in Armut
Die Vorstandssprecherin von "Terre des Hommes", Birte Kötter, forderte, das Corona-Sofortprogramm gezielt im Bereich der Ernährungssicherung und der Förderung von Grundbildung für Kinder einzusetzen, damit sie nicht dauerhafte Verlierer der Krise bleiben. Schon vor der Corona-Krise seien 263 Millionen Kinder weltweit nicht zur Schule gegangen, derzeit seien es 1,3 Milliarden. "Ihnen fehlen die Schulmahlzeiten. Als Folge wird sich der Hunger unter Kindern ausbreiten", sagte Kötter. In vielen Ländern seien Impfkampagnen abgesagt worden, geschätzt rund 78 Millionen Kinder würden deshalb nicht geimpft. 689 Millionen Kinder lebten in Armut, davon 44 Prozent im südlichen Asien und 43 Prozent in Afrika südlich der Sahara.
Stellenwert und Bedeutung der Kinderrechte in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit seien unklar, kritisierte Kötter. In dem Reformkonzept des Ministeriums würden Kinderrechte kaum erwähnt und auch aktuell bleibe vage, wie viel Mittel Kindern und Jugendlichen zugutekommen. Bei den bilateralen Mittel würden gerade mal elf Prozent für Bildung eingesetzt, davon nur knapp ein Prozent für Grundbildung.