„In evangelischer Haltung, mit Gottvertrauen und Menschenliebe“
26. September 2019
Ansprache zur Verabschiedung von Dr. Elisabeth Chowaniec aus dem Dienst einer Landeskirchlichen Beauftragten bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, liebe Gäste, vor allem aber:
Liebe Frau Dr. Chowaniec,
vor wenigen Tagen gab es schon einmal einen Abschied für Sie: Auf der Tagung unserer Landessynode in Travemünde. Mit stehendem, lang anhaltendem Applaus! Höchstwahrscheinlich waren an diesem Tag unter allen Anwesenden Sie diejenige, die an den mit Abstand meisten Synodentagungen teilgenommen hatte. Unsere sehr große Dankbarkeit für Ihren jahrzehntelangen Dienst wurde von Bischöfin Fehrs im Rahmen ihres Sprengelberichtes eindrücklich formuliert. Und dass es beim langanhaltenden und herzlichen Applaus auch Rührung und Abschiedstränen gab, wollen wir nicht verschweigen.
Dabei werden Sie selbst von vielen als eine beschrieben, die vor allem der gedanklichen Expertise, und Emotionen dann eher an nachgeordneter Stelle Raum gibt. Nicht kühl, aber klar. Mit großem Einfühlungsvermögen in die Sache und für Ihr jeweiliges Gegenüber. Mit offener Freundlichkeit, aber klar, analytisch und in guter Weise nüchtern. Vielleicht könnte man sagen: Immer bei klarem Verstand.
Zu dieser Ihrer Grundhaltung passt gut das biblische Wort, das ich Ihnen mit auf den Weg geben will. Es ist die heutige Tageslosung aus dem 2. Brief an Timotheus. Dort heißt es: „Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist.“
Liebe Frau Dr. Chowaniec, Ihnen ist wirklich viel anvertraut worden. 22 Jahre waren Sie nun Landeskirchliche Beauftragte bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Als Sie diesen Dienst 1997 angetreten haben, war die damalige Nordelbische Kirche gerade 20 Jahre alt geworden, und die Nordkirche lag noch in weiter Ferne. Und doch hatten Sie in Ihrem Leben bereits ein wenig von unserer heutigen, großen nordkirchlichen Weite schon vorweggenommen. Denn geboren wurden Sie ja in Rostock, und bis zur Flucht Ihrer Familie in den Westen 1959 haben Sie Ihre ersten Lebensjahre im schönen Mecklenburg verbracht. Als Sie 1960 in Hamburg ankamen, folgte auch schon bald die Einschulung. Man kann wohl sagen, dass Schule in Ihrem Leben eine nicht geringe Rolle gespielt hat, schließlich war Ihr Vater Rektor der Wichernschule in Hamburg. Und auch in Ihrer Rolle als landeskirchlichen Beauftragte spielte Schule, insbes. der schulische Religionsunterricht immer wieder eine Rolle, zuletzt in Ihrem entschiedenen Engagement für den Hamburger RUfA - den Religionsunterricht für alle.
Neben der Schule war auch die Kirche ein wichtiger Ort Ihrer Jugend. Aber trotzdem oder gerade deswegen sind Sie nicht Pastorin oder Lehrerin geworden, sondern Juristin. Sie haben Jura studiert in Hamburg und Göttingen. 1983 schlossen Sie Ihr Studium ab – in einem Jahr, in dem in unserem Land die Nachrüstungsdebatte auf einem Höhepunkt war. Viele Christinnen und Christen bezogen damals eindeutig Stellung und Haltung, für ein Nein ohne jedes Ja zu Massenvernichtungswaffen.
Eine Haltung haben, das hat Sie auch damals beschäftigt, ganz im Sinne des Timotheusbriefes: „Ich weiß, an wen ich glaube.“ So sind Sie zunächst an der Universität geblieben und haben geforscht über den Widerstand gegen Hitler, genauer gesagt über den „Fall Dohnanyi“, über die klare und entschiedene Haltung von Hans von Dohnanyi gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur und ihrem Terrorsystem. Sie beschäftigten sich intensiv mit der Verurteilung des Hans von Dohnanyi durch die Willkürjustiz des NS-Regimes. In den Jahren dieser Arbeit fiel die Mauer, und so ergab sich 1991 für Sie als frisch promovierte Juristin eine interessante Perspektive: Sie gingen nach Schwerin und wurden dort Justiziarin der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Landesregierung des gerade wiedergegründeten Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Es war eine doppelte Motivation, die Sie dorthin trieb: Einserseits könnten Sie Ihre familiären Wurzeln anknüpfen, und andererseits Zeitzeugin werden in bewegten Zeiten. Drei Jahre blieben Sie dort, bevor Sie 1994 nach Hamburg wechselten, in das Senatsamt für die Gleichstellung. Und 1997 schließlich warb Sie der damalige Kirchenamtspräsident Blaschke ab, was ich für eine richtig gute Entscheidung für unsere Kirche halte! Nach Jahren des Einsatzes für Frauenrechte brachten Sie Ihre politische und Ihre Verwaltungserfahrung in unsere Kirche ein. Sie selbst haben die Verbindung dieser beiden Arbeitsfelder folgendermaßen charakterisiert: „Sowohl in der Kirche als auch in der Frauenarbeit muss man eine gewisse Haltung haben. Und es ist ja ein Geschenk, wenn man so arbeiten kann, dass es dieser Haltung entspricht.“
Liebe Frau Dr. Chowaniec, ich möchte das aufgreifen: Sie waren ein Geschenk für unsere Kirche, gerade weil Sie Ihre Aufgabe in einer evangelischen Haltung wahrgenommen haben. In der selbstbewussten Freiheit, zu der uns Christus befreit hat. Mit Gottvertrauen und Menschenliebe.
In den Jahren Ihrer Tätigkeit als Landeskirchliche Beauftragte haben Sie viel bewegt. Sie haben in geschickten Verhandlungen die Absenkung des kirchlichen Eigenanteils bei den Kindertagesstätten erreicht. Der Staatskirchenvertrag, der zwischen 2003 und 2007 mühsam und mit einigen Rückschlägen mit der Stadt Hamburg ausgehandelt wurde, trägt in großen Teilen Ihre Handschrift. Ein weiteres großes Anliegen Ihrer Amtszeit war die erfolgreiche Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für Alle zum sogenannten RUfA 2.0 - inhaltlich überzeugend und vor allem: rechtlich wasserdicht. Der Kirchenleitungs-Beschluss dazu war nicht unbedingt als Abschiedsgeschenk an Sie geplant. Aber dass es sich nun so gefügt hat, versüßt Ihnen den Abschied vielleicht etwas. Denn eines ist, bei aller analytischen Nüchternheit, die Ihnen eigen ist, auch klar: So leicht fällt es Ihnen nicht, Ihr erfülltes Arbeitsleben jetzt hinter sich zu lassen.
„Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist.“ Sie haben Ihren Dienst, in dem Ihnen so viel anvertraut wurde, im festen Glauben getan, dass Sie all das nicht alleine tragen müssen. Gott hat bewahrt, was Ihnen anvertraut wurde. Sie wussten sich davon getragen. Und ich bin sicher: das wird bleiben. Und was Ihre dienstlichen Aufgaben angeht: Sie, wir alle, wissen sie bei Thomas Kärst, der Ihr Nachfolger sein wird, in guten Händen und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm!
Auf Sie, liebe Frau Dr. Chowaniec, aber warten jetzt neue Herausforderungen. Da ist zum einen die Familie, Ihr Mann, Ihre Kinder, Schwiegerkinder und vor allem: Die vier Enkelkinder. Das wird nicht langweilig werden. Sie werden weiterhin viel Zeit in Hamburg und in Mecklenburg verbringen. Und schließlich vermute ich, dass auch Ihr kirchengeschichtliches Interesse nun vermehrt zu seinem Recht kommt.
Für alles, liebe Frau Dr. Chowaniec, was Sie in Ihrem Dienst für unsere Kirche getan haben - für das, was sichtbar vor Augen steht wie für das, was vor den Augen anderer verborgen ist - danke ich Ihnen im Namen unserer Kirche von Herzen. Möge Gottes Segen Sie, Ihre Familie und alle, denen Sie nah und verbunden sind, behüten und Sie begleiten auf den Wegen, die Sie jetzt weiter gehen und die sich Ihnen neu öffnen.
So gehen Sie mit unserem großen Dank dafür, dass Sie Ihre Gaben und Kräfte für unsere Kirche eingesetzt haben, aus dieser Aufgabe heraus. Gehen Sie mit Dank für all Ihr Tun und Lassen. Für Ihre Zeit, für Ihr Denken und Handeln.
So, liebe Frau Dr. Chowaniec, gehen Sie in Frieden und unter Gottes Segen.