Zivile Seenotrettung

Kapitän Reisch: "Wir müssen an die Fluchtursachen ran"

Eindringlich schildert Kapitän Claus-Peter Reisch, warum Menschen die Flucht über das Mittelmeer wagen – und in welcher schrecklichen Lage sie auf See sind.
Eindringlich schildert Kapitän Claus-Peter Reisch, warum Menschen die Flucht über das Mittelmeer wagen – und in welcher schrecklichen Lage sie auf See sind. © Helge Buttkereit, Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde

24. August 2021

In den Kirchenkreisen Rendsburg-Eckernförde und Altholstein war Kapitän Claus-Peter Reisch zu Gast. Er ist ziviler Seenotretter und schilderte eindringlich, welchem Leid Flüchtende auf dem Mittelmeer ausgesetzt sind. Passend zum Thema berät der Kirchenkreis Altholstein in dieser Woche, ob er dem Bündnis "United4Rescue" beitreten soll.

Der Bericht des Kapitäns ist nichts für schwache Nerven. Schonungslos berichtet er von der Verzweiflung und dem Sterben der Geflüchteten auf dem Mittelmeer. Die letzte Hoffnung für sie ist ein Boot der zivilen Seenotrettung. "Es geht darum, dass Menschen nicht ertrinken", sagt Reisch. "Wir holen sie aus dem Wasser, bringen sie ans Land und dann können wir weiterreden. Zum Beispiel darüber, warum sich die Menschen auf den Weg machen."

Furchtbare Situation auf hoher See

Viele schaffen es jedoch nicht, eines dieser Schiffe zu erreichen. Denn täglich machen sich weitere verzweifelte Menschen auf den langen Weg übers Meer nach Europa. Es sind Menschen, die größtenteils nicht schwimmen können und die in völlig überfüllen, minderwertigen Schlauchbooten ohne ausreichend Sprit unterwegs sind. Viele kentern oder treiben orientierungslos auf dem Meer, die Toten werden nie gefunden und tauchen deswegen auch in keiner Statistik auf, berichtet Reisch. 

Wer gerade noch rechtzeitig gefunden und an Bord eines Rettungsschiffes wie der "Eleonore" oder "Lifeline" genommen wird, ist zwar mit dem Leben davon gekommen, hat jedoch immer noch eine lange Odyssee vor sich: Oft muss die Besatzung eines Rettungsschiffes tagelang nach einem Hafen suchen, der die Menschen aufnimmt und sie mit Wasser und Nahrung versorgt. 

Retter werden gerichtlich belangt

Bei einem Einsatz der "Eleonore" 2019 kam Reisch mit den Geflüchteten in schweres Unwetter. Er beschloss gegen den Willen der italienischen Regierung in Sizilien einen Hafen anzusteuern – und musste sich davor vor Gericht verantworten. Die Strafe von 300.000 Euro wurde erst im Juni dieses Jahres von einem Gericht zurückgenommen. Ein Sieg der Menschlichkeit, so Kapitän Reisch.

Um das Leid zu beenden, müssen man die "die Seenotrettungsaktionen überflüssig machen. Wir müssen an die Fluchtursachen ran", fordert der Kapitän. Waffenexporte und der Klimawandel identifiziert er als Ursachen. "Aber natürlich sind ein Teil dieser Menschen Wirtschaftsflüchtlinge, weil durch unser Handeln die Wirtschaft in ihren Ländern kaputt geht", sagt Reisch. Es könne nicht sein, dass übers Meer geflüchtete Migranten schließlich in Südeuropa Tomaten ernteten, die in Dosen so billig in Afrika verkauft würden, dass die heimischen Bauern nicht mithalten könnten. 

Verantwortung liegt bei jeder und jedem

Jede und jeder habe es durch sein eigenes Konsumverhalten in der Hand, faire Produkte zu fördern und damit einen Wandel herbeizuführen. Reisch: "Und wenn viele ein wenig bewegen, dann bewegt sich schon ganz schön viel."

Die Spenden, die die Gäste bei seinen Vorträgen leisteten, gehen übrigens an die Organisation Landsaid. Sie kauft mit dem gespendeten Geld Essenspakete für Geflüchtete in türkischen Lagern. 

Synode Altholstein

Am morgigen Mittwoch, 25. August, berät die Synode des Kirchenkreises Altholstein über den Beitritt zum Seenotrettungsbündnis "United4Rescue", dem auch die Nordkirche angehört. 

 

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