Kriegsgräber sind mehr als die bloße Erinnerung an Gefallene
13. November 2020
Jahrzehntelang sind viele Kriegsgräber optisch kaum verändert worden. Doch sind Aufmachung und Symbolik noch zeitgemäß? Einige Gemeinden proben eine neue Ästhetik und wollen damit auch die Gedenkkultur verändern.
Traditionelle Kriegsgräber muten heute eher düster und martialisch an: Dominieren dort doch oft Symbole wie das Eiserne Kreuz oder der zerbrochene Stahlhelm. Für nicht-militärische Opfer lässt dies wenig Raum.
Mahnmal für alle Opfer von Gewalt
Das wollen mehrere Gemeinden ändern. Eine davon ist Schönwalde (Bungsberg) in Ostholstein. Zum Volkstrauertag vor einem Jahr hat sie die ehemalige Leichenhalle neben der Kirche auf Initiative der evangelischen Gemeinde restauriert und dort einen neuen Mahnort geschaffen, der allen Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet ist. Zuvor waren im Zuge der Kirchenrenovierung die Namenstafel und das "Ehrenbuch" aus der sogenannte Ehrenhalle im Eingangsbereich der Kirche entfernt worden. Es gehe auch um die Suche nach neuen Gedenkkulturen, sagt Gemeindepastor Arnd Heling.
Mehr Informationen zum Umgang mit Kriegsgräbern gibt es hier.
Auch die Fischerkirche in Lübeck-Schlutup hat ihren Gedenkort völlig umgestaltet. Schon 2009 wurden die Namenstafeln der toten Soldaten der "Ehrenmalanlage" vom Bildhauer Claus Görtz kreuz und quer zu den Füßen einer verzweifelten Mutter aufgetürmt. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht soll an das Leid des Zweiten Weltkriegs erinnern. Und in der Lübecker Altstadtkirche St. Jakobi ist das Kriegerdenkmal "Trauernder Landsturmmann" von 1919 seit drei Jahren durch eine acht Meter hohe Stoffbahn verdeckt, ohne dass die Skulptur des alten Soldaten dahinter komplett verschwindet.
Unveränderte Kriegsrhetorik wirft Fragen auf
Völlig verschwunden ist die alte Symbolik meist nicht. An der St. Johanniskirche in Hamburg-Harburg etwa steht eine mehr als vier Meter hohe Stahlskulptur eines marschierenden Soldaten. An seinem Sockel stehen Sätze wie: "Wunden zum Trotz / Tatbereit heute wie einst". Allerdings wurde auch dort schon Ende der 1980er Jahre eine Ergänzung vorgenommen: Neben dem Soldaten kniet ein weinendes Kind, um auf die Leiden des Krieges aufmerksam zu machen.
Neben einer oft idealisierten Soldaten-Darstellung, die die Kämpfer ohne Wunden und Schmerz zeigt, sind auch die Inschriften aus heutiger Sicht problematisch. Ob "Der Gott der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte" (Vicelinkirche in Bornhöved im Kreis Segeberg), oder "Haltet aus im Sturmgebraus!" (St. Georgenkirche in Ratzeburg) – die Kriegsrhetorik ist vielerorts unverändert.
Zum Volkstrauertag veranstaltet die Nordkirche in Hamburg einen Gottesdienstzum Gedenken an alle, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben ließen.
Es sei zu überlegen, welche Botschaft über den Krieg mit solchen heroisierenden und martialischen Denkmälern vermittelt wird, sagt der Historiker Stephan Linck. Er ist Studienleiter für Erinnerungskultur an der Evangelischen Akademie und berät Gemeinden im Umgang mit ihren Kriegerdenkmälern. Entscheidend sei, dass sich die Gemeinde in einer Diskussion am Ende auf einen Konsens verständigt. Das seien aber "langwierige Prozesse".
Aufarbeitung ist langwierig, aber sinnvoll
In Schönwalde etwa hat die Diskussion länger als fünf Jahre gedauert. Es habe erhebliche Widerstände gegen den neuen Gedenkort gegeben, erinnert sich Pastor Heling. Am Ende habe aber eine breite Mehrheit das Projekt unterstützt.