Neuer Antisemitismus-Beauftragter Ulrich: „Fremdenhass ist beschämend”
01. November 2022
Der frühere Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, hat am Dienstag sein neues Amt als Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein angetreten. „Der alltägliche Antisemitismus speist sich aus einem grandiosen Nicht-Wissen über die jüdische Kultur. Dem möchte ich mit Gesprächen und Vorträgen entgegenwirken“, sagte der 71-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der in Deutschland wachsende Juden- und Fremdenhass sei beschämend, sagte Ulrich und verwies etwa auf den Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale 2019. Neben solch kriminellen Verbrechen gebe es für ihn auch den alltäglichen Antisemitismus und Rassismus, mit dem er selbst aufgewachsen sei. So seien sein Großvater und Vater vom Nationalsozialismus überzeugt gewesen.
Beim Spielen auf dem Dachboden seines Elternhauses habe Ulrich Sammelalben mit judenfeindlichen Aufklebern gefunden. Mit seinem Vater habe er oft hitzige Diskussionen über dessen Einstellung zum Judentum geführt. „Mir ist es damals nicht gelungen, hinter die Motive meiner Eltern zu kommen. Heute weiß ich, dass es keine einfache Antwort auf diese Frage gibt“, sagte Ulrich.
„Die Geschichte droht, sich zu wiederholen”
Seit der Antike gebe es Antisemitismus. Die antisemitische Schrift des Reformators Martin Luther (1483-1546) war für die Nationalsozialisten später eine Steilvorlage. „Diese furchtbaren Bilder sind in unsere Kultur eingebrannt. Das geht nicht weg und die Geschichte droht, sich zu wiederholen“, so Ulrich.
„Jesus war Jude”
Er sehe das neue Amt, das er ehrenamtlich ausführt, als Chance, ein Stück Aufklärung zu leisten. Viele antisemitische Äußerungen resultierten aus Nicht-Wissen über das Judentum und die eigene Kultur, so Ulrich. „Auch der christliche Glaube hat jüdische Wurzeln. Jesus war Jude.“
Religion frei leben und feiern
Ulrich will zunächst alle neun jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein besuchen und sich mit ihnen austauschen. Daraus könnten gemeinsame Projekte entstehen. Bei Verbänden und Akademien will er die Gelegenheit zu Vorträgen über das Judentum nutzen. „Es muss selbstverständlich sein, dass Menschen ihre Religion im gesetzlichen Rahmen frei leben und feiern dürfen.“
Seinem Amtsvorgänger, dem früheren Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Peter Harry Carstensen (CDU), zollt Ulrich großen Respekt. „Er hat starke Akzente gesetzt durch Vorträge und Gespräche, hat sich auch bei antisemitischen Vorfällen engagiert. Das sind große Paar Schuhe, in die ich trete.“