„Private Hilfe ist auf vielen Ebenen notwendig“
21. März 2022
Derzeit fliehen zahlreiche Menschen aus der Ukraine auch nach Vorpommern. Wie sie am besten unterstützt werden können und was Helferinnen und Helfer beachten sollten, erläutert Christine Deutscher, Flüchtlingsbeauftragte des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises, im Gespräch:
Sebastian Kühl: Frau Deutscher, ein Auto mit Menschen aus der Ukraine kommt in Vorpommern an. Wo können sie untergebracht werden?
Christine Deutscher: Die offizielle Unterkunft in MV ist die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in der Nostorfer Straße 1 in Nostorf-Horst im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Dort werden die Menschen rund um die Uhr aufgenommen, sie erhalten Unterkunft, Verpflegung, werden versorgt und registriert. In den Landkreisen gibt es Notquartiere, zum Beispiel Schullandheime, die für geflüchtete Menschen aus der Ukraine zur Verfügung stehen.
Wer sich per E-Mail bei den Landkreisen meldet, erhält relativ zügig eine Antwort mit Informationen zu einer möglichen Unterkunft. Da die Behörden abends und am Wochenende nicht arbeiten, gibt der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte auf seiner Internetseite eine Notruf-Nummer an. Auf der Seite findet sich auch die Information, dass die Gemeinschaftsunterkünfte in Altentreptow und Neubrandenburg als Notunterkünfte zur Verfügung stehen.
Manche Engagierte fahren los, um Geflüchtete abzuholen. Was raten Sie denen?
Deutscher: Wer nach Polen fährt, um Menschen abzuholen, sollte unbedingt vorher dem jeweiligen Landkreis mitteilen, dass Menschen nach ihrer Ankunft eine Unterbringung benötigen. Dann teilt der Landkreis mit, wo und welche Unterkünfte zur Verfügung stehen. Oder sie fahren die Menschen direkt zur Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf-Horst.
Viele Menschen fühlen sich angesichts des Krieges hilflos und wollen aktiv werden. Soll ich Menschen privat bei mir aufnehmen?
Deutscher: Derzeit stehen ausreichend offizielle Unterkünfte zur Verfügung. Aber wenn Menschen privat untergebracht werden, dann nur, wenn die Sicherheit der geflüchteten Frauen und Kinder auf Dauer garantiert ist. Zu überlegen ist im Vorfeld auch, wie lange die Menschen dort Unterkunft finden, wie die Privatsphäre aller Beteiligten geregelt ist und wie mit eventuell entstehenden Konflikten umgegangen wird.
Was kann ich sonst tun?
Deutscher: Auf vielen Ebenen ist private Hilfe notwendig, die der Staat nicht leisten kann: Kontaktaufnahme, Begleitung, Unterstützung. Da geht es beispielsweise um die Anmeldung in einer Schule oder Kita, um das Erlernen der deutschen Sprache, um Freizeitgestaltung und jegliche andere Unterstützung. Dazu sind viele lokale Initiativen im Entstehen, in denen sich Helferinnen und Helfer engagieren. Außerdem können wir die Kraft des Gebets nutzen und Friedensgebete in unseren Kirchen durchführen. Und natürlich werden auch Geldspenden benötigt. Übrigens gibt es auch psychologische Hilfsangebote auf Ukrainisch, zu finden auf der Internetseite der Universität Greifswald.
Wie werden die Menschen versorgt und wer kommt für die Kosten auf?
Deutscher: In den offiziellen Unterkünften ist die Versorgung staatlicherseits gewährleistet. Wenn die Menschen privat untergebracht werden, erhalten sie mit der offiziellen Registrierung Anspruch auf Sozialleistungen, das heißt finanzielle Hilfe und ärztliche Versorgung. Vor einer Registrierung haben die Menschen keinen Anspruch auf Sozialleistungen.
Das heißt, die Geflüchteten sollten sich möglichst unmittelbar nach ihrer Ankunft registrieren lassen?
Deutscher: Unbedingt, denn für Menschen mit ukrainischem Pass bietet die Registrierung viele Vorteile und keinen Nachteil. Wie erwähnt haben sie dann Anspruch auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung. Zudem bedeutet die mit der Registrierung verbundene Eingliederung ins soziale Netz die mittelfristige Zuweisung einer Wohnung. Weitere Vorteile der Registrierung sind die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr mit Verlängerungsoption sowie eine Arbeitserlaubnis. Wer aus der Ukraine flieht und keine ukrainische Staatsangehörigkeit hat, sollte sich in einer Migrationsberatungsstelle beraten lassen, ob eine Registrierung sinnvoll ist.
Wie läuft die Registrierung ab?
Deutscher: In den offiziellen Unterkünften wird die Registrierung vor Ort organisiert. Für privat untergebrachte Geflüchtete bieten die Landkreise E-Mail-Adressen zur Registrierung an. Dorthin sollten die vollständigen Daten der untergebrachten Personen, also aller Familienmitglieder mit Passkopie, sowie die Kontaktdaten der beherbergenden Person gesendet werden. Auch die Information, ob die Personen im Landkreis bleiben möchten, sollte in der E-Mail enthalten sein.
Können sich Helferinnen und Helfer mit Fragen an Sie wenden?
Kontakt der Flüchtlingsbeauftragten im pommerschen Kirchenkreis: Christine Deutscher, Tel: 03834 89 63 119, Mobil: 01590 219 75 00, fluechtlingsbeauftragte@pek.de
Deutscher: Natürlich stehe ich dafür gern zur Verfügung. Aktuelle Informationen finden sich auch auf der Internetseite des Flüchtlingsrats Mecklenburg-Vorpommern. Alle Kirchengemeinden im pommerschen Kirchenkreis möchte ich außerdem darum bitten, mich über Unterstützungsangebote für Geflüchtete sowie über Friedensgebete zu informieren, um die gemeinsame Vernetzung weiter zu stärken.