Schuldnerberatung SH ist extrem gefragt
12. März 2024
Die Schuldnerberatungsstellen im Norden verzeichnen einen sprunghaften Besucheranstieg. Das ergibt der aktuelle Schuldenreport Schleswig-Holsteins. Grund dafür sind die gestiegenen Kosten für Lebensmittel und Wohnraum mahnt unter anderem die Diakonie.
Laut Report haben sich im Jahr 2022 29.819 Menschen in Schleswig-Holstein langfristig von einer Schuldnerberatungsstelle beraten lassen. Das ist im Vergleich zu 2021 ein sprunghafter Anstieg in Höhe von 13 Prozent. Die Zahl der zu Beratenden erreichte damit einen neuen Höchststand.
Arm trotz Arbeit
Hinzu kommen 12.162 Kurzberatungen, etwa bei einer Krisenintervention. Auch hier kam es zu einem deutlichen Anstieg – um 30 Prozent im Vergleich zu 2021. Eine Trendwende sei laut Beratungsstellen nicht abzusehen. Auch gebe es nach wie vor eine hohe Dunkelziffer von Menschen, die von Überschuldung betroffen sind, sich aber nicht an eine Beratungsstelle wenden.
Betroffen sind viele Menschen, die trotz Arbeit arm sind: 37 Prozent der Ratsuchenden haben laut Schuldenreport im Monat weniger als 900 Euro zum Leben. Dieser Wert liegt unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle für alleinstehende Personen in Schleswig-Holstein in Höhe von 1.178 Euro pro Monat. Unter ihnen sind zahlreiche Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt. Landespastor Heiko Naß sagte dazu:
Ein reiches Land wie Deutschland darf das nicht mehr länger so hinnehmen. Wir können es uns nicht leisten, dass ein Teil der Gesellschaft am Monatsende an existenziellen Dingen wie Heizen, Essen und Mobilität sparen muss.
Diakonievorstand Heiko Naß
Die Diakonie setze sich deshalb dafür ein, dass das gesetzlich festgelegte Existenzminimum neu berechnet und der Regelsatz für das Bürgergeld angepasst wird. „Vor allem aber müssen im Niedriglohnsektor die Löhne so hoch sein, dass ein würdevolles Leben möglich ist.“
Wohnkosten fressen Lohn auf
„Galoppierende Preise für Lebensmittel schlagen gerade bei Menschen mit einem geringen Einkommen zu Buche“, sagt die Leiterin der Koordinierungsstelle Sibylle Schwenk.
„Hinzu kommen hohe Wohnkosten: Die Ratsuchenden wenden durchschnittlich 47 Prozent ihres monatlichen Haushaltseinkommens für Miete, Energie und Nebenkosten auf. Da ist das Geld meist schon vor dem Monatsende aufgebraucht und eine Überschuldung programmiert. Aus unserer Sicht muss hier sozialpolitisch dringend nachgesteuert werden, etwa bei der Höhe des Mindestlohns.“
Schulden bedeuten oft Gesundheitsschäden
Die Beratungsstellen mehrerer Träger, darunter auch die Diakonie, raten dringend zu einem Ausbau der Hilfen, um frühzeitig eingreifen zu können. Denn Überschuldung ziehe weitreichende Folgen nach sich, darunter Wohnungsnot und Krankheit. Die sozialen Folgekosten seien ungleich höher als die Kosten einer Schuldnerberatung“, gab die Leiterin der Koordinierungsstelle Sibylle Schwenk zu Bedenken.
Denn Überschuldung ist meist mehr als ein finanzielles Problem. Sie bringt physische und psychische Belastungen mit sich, die von Stress, Versagensängsten, Depressionen bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schmerzzuständen reichen. Die Schuldnerberatungsstellen helfen Betroffenen, ihre Schulden zu regulieren. Darüber hinaus werden die persönlichen, familiären und sozialen Lebensumstände in den Blick genommen.