Digitale Diskussion

Tiefenschärfe-Debatte mit Kristina Lunz: Frauen sind für den Frieden entscheidend

Kristina Lunz ist überzeugt, dass Frauen eine entscheidende Rolle bei der Beilegung von Konflikten spielen. Gleichzeitig sind sie bei Friedensverhandlungen derzeit immer noch stark unterrepräsentiert, bemängelt sie.
Kristina Lunz ist überzeugt, dass Frauen eine entscheidende Rolle bei der Beilegung von Konflikten spielen. Gleichzeitig sind sie bei Friedensverhandlungen derzeit immer noch stark unterrepräsentiert, bemängelt sie. © Konstantin Börner
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei der digitalen Diskussion zum Thema feministische Außenpolitik mit Kristina Lunz.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei der digitalen Diskussion zum Thema feministische Außenpolitik mit Kristina Lunz.

28. April 2022 von Agnes Zeiner

Wie würde unsere Welt aussehen, wenn Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht die Ausnahme, sondern die Regel wären? Mit dieser Frage hat sich das digitale Veranstaltungsformat Tiefenschärfe der Nordkirche befasst. Als Referentin hatte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt die Feministin Kristina Lunz eingeladen.

Kristina Lunz ist Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (Zentrum für feministische Außenpolitik) und hat unter anderem das Auswärtige Amt in Berlin beraten und wurde vom Handelsblatt als „Vordenkerin des Jahres“ bezeichnet. In dieser Woche war sie zu Gast bei Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt in der digitalen Veranstaltungsreihe #Tiefenschärfe. 

Frauen sind entscheidend für den Frieden

„Dass Frauen entscheidende Akteurinnen sind, die in Friedensverhandlungen und in Lösungskonzepten zur Klimafrage einbezogen werden müssen, ist in der internationalen ökumenischen Bewegung der christlichen Kirchen immer wieder Thema und wird auch weiterhin und verstärkt Thema sein“, leitete die Landesbischöfin der Nordkirche Kristina Kühnbaum-Schmidt den Abend ein.

„In der Ökumenischen Bewegung hat sich in den letzten Jahrzehnten die Perspektive durchgesetzt: Kein Friede ohne Gerechtigkeit. Dabei meint Gerechtigkeit nicht nur die Gerechtigkeit zwischen globalem Süden und globalem Norden, auch nicht nur die Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich, sondern entscheidend sind auch die Aspekte von Geschlechtergerechtigkeit und Klimagerechtigkeit“, so die Landesbischöfin weiter.

Konflikte verhindern, ehe sie entstehen

„Kein Friede ohne Feminismus“, griff Kristina Lunz das Thema pointiert auf. In ihrem Vortrag rekurrierte sie auf Thesen ihres kürzlich erschienen Buchs „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch – Wie globale Krisen gelöst werden müssen“. Lunz fordert einen völlig neuen Ansatz für die Weltpolitik, der im Fokus auf gerechte Teilhabe aller Menschen an Rechten, Repräsentanz und Ressourcen Kriege verhindert, ehe sie entstehen.

In ihrem Vortrag „Warum menschliche Sicherheit alle betrifft: feministische Perspektiven der Außenpolitik“ erläuterte sie anhand verschiedener regionaler und historischer Beispiele, wie durch die Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen langfristige Konfliktlösungen gefunden werden konnten.

Solidarität steht im Vordergrund 

Wie Frauen (und Minderheiten) behandelt werden, stehe in direktem Zusammenhang zu Frieden und Konflikten weltweit und zur Entwicklung einer Gesellschaft oder eines Landes, so Lunz. Ohne Feminismus könne es keinen nachhaltigen Frieden geben, denn um nachhaltige Abrüstung und Demilitarisierung zu erreichen, müsse das Patriarchat enden, und damit die Normalisierung der Gewalt, erklärte Kristina Lunz. Wobei sie betonte, dass Feminismus sich nicht gegen Männer richte, sondern gegen eine patriarchale Gesellschaftsordnung, unter der auch Männer zu leiden hätten.

Feministische Außenpolitik setze deshalb andere Prioritäten: Solidarität, Zusammenarbeit und Menschenrechte. Eine der zentralen Forderungen, neben mehr Frauen in Diplomatie und Außenpolitik, in Friedens- und Konfliktverhandlungen: Ressourcen – etwa die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und Waffenlieferungen, die der Deutsche Bundestag im Februar beschloss - sollten auch für präventives und langfristiges Peace-Building eingesetzt werden, also für Friedensmissionen, Bildung, Gesundheit, gegen Hunger und für Klimagerechtigkeit.

Weg von der Kriegsrhetorik

Notwendig sei daher nicht nur das Ringen um eine schnelle Beendigung gegenwärtiger Kriege, sondern eine präventive Friedenspolitik, die ein friedliches Zusammenleben aller Menschen ermögliche. Eine solchermaßen inspirierte Außenpolitik stehe aber aufgrund der Ungerechtigkeit insbesondere zwischen den Geschlechtern noch aus, so die Absolventin der University of Oxford.

Die Landesbischöfin sagte im Rückblick auf die digitale Veranstaltung mit Kristina Lunz : „Die aktuelle öffentliche Debatte ist sehr fokussiert auf Fragen militärischer Auf- und Ausrüstung sowie militärstrategische Überlegungen. In diesem Zusammenhang werden oft die Worte zitiert: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor.“ Zugleich sollte jetzt aber auch gelten: „Wenn Krieg geführt wird, denke den Frieden und bereite ihn mit vor.“

Frauen müssen stärker eingebunden werden

Deshalb sollte die aktuelle Debatte um die Frage erweitert werden, wie wir Strategien und Konzepte von Peacebuilding unterstützen können und wie marginalisierte Gruppen, zum Beispiel Frauen und Kinder, in die Entwicklung stabiler Friedensperspektiven einbezogen werden. In einer solchen Erweiterung der gegenwärtigen Debatte im Blick auf langfristige Friedensperspektiven könnte auch ein spezifischer Beitrag christlicher Friedensethik liegen, sagte sie. 

Ihre historischen Wurzeln hat die feministische Außenpolitik in den Forderungen des ersten Internationalen Frauenfriedenskongresses in Den Haag im Jahr 1915. Fast unnötig zu erwähnen, dass diese Vordenkerinnen einer neuen Weltordnung von den damaligen Politikern nicht angehört wurden. Es dauerte bis ins Jahr 2000, dass mit der Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit der Vereinten Nationen der Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten und die Stärkung der Teilhabe von Frauen an politischen Prozessen und Institutionen bei der Bewältigung und Verhütung von Konflikten international festgeschrieben wurde.

Frauen in Friendensverhandlungen unterrepräsentiert 

Doch noch immer sind Frauen bei Friedensmediation und -verhandlungen mit rund 10 Prozent völlig unterrepräsentiert – obwohl die Beteiligung von Frauen den Erfolg von Friedensverhandlungen massiv steigert. Als erstes Land verkündete Schweden 2014, eine feministische Außenpolitik zu verfolgen, und den Fokus auf die 3R Rechte, Repräsentanz und Ressourcen zu legen. Inzwischen sind sieben weitere Länder gefolgt, und auch in Deutschland wurde im Koalitionsvertrag vom November 2021 die feministische Außenpolitik verankert.

In der regen Debatte mit dem Publikum, die sich an ihren Vortrag anschloss, konnte Kristina Lunz einen weiten Bogen spannen und noch einige zusätzliche Aspekte der feministischen Außenpolitik beleuchten: Von aktuellen Themen (Sind die schweren Waffenlieferungen an die Ukraine vereinbar mit feministischer Außenpolitik?), über die theoretischen Grundlagen des Realismus im Hinblick auf internationale Beziehungen bis hin zu Ihrer Arbeit und den Zielgruppen ihres Centre for Feminist Foreign Policy.

Sondersynode der Nordkirche

Die Diskussion in der Reihe Tiefenschärfe mit Kristina Lunz fand im Vorfeld der Sondersynode der Nordkirche statt, die vom 6. bis 7. Mai unter dem Motto „Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34, 15) stattfinden wird. Weitere Informationen liefert das Portal der Landessynode

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