Veddels Kirchturm kann auch E-Gitarre
16. Juli 2021
Die Immanuelkirche im Hamburger Stadtteil Veddel klingt derzeit anders: Wenn alle Viertelstunde vom Kirchturm die Zeit angekündigt wird, sind statt Glockenschläge kurze Gitarren-Riffs zu hören. Das ungewöhnliche Kultur-Projekt nennt sich "Klangturm Veddel".
Ermöglicht wird das Kulturprojekt durch einen Gebäudeschaden: Die im 2. Weltkrieg weitgehend zerstörte ehemals neugotische Kirche wurde 1952 wieder aufgebaut. Mittlerweile lässt die Statik des Turms ein reguläres Glockengeläut nicht mehr zu. Um die Sicherheit für die Besucher zu gewährleisten, wurden schon vor über einem Jahr die Glocken stillgelegt. Seitdem tönt der Klang der Glocken im Turm aus Lautsprechern.
Viele internationale Künstler und eine Schulklasse
Die Idee für den Klangturm hatte Benjamin Brunn, Bauingenieur, Klangkünstler im Nebenberuf und Mitglied im Kirchenvorstand. Er wählte zwölf internationale und regionale Künstlerinnen und Künstler aus, die den Klang des Kirchturms jeweils für einen Monat gestalten dürfen. Im Juni 2022 übernimmt dies ausnahmsweise eine Veddeler Schulklasse. Die Idee für das Klangprojekt sei überwiegend positiv aufgenommen worden, sagt Brunn.
Zu hören sind die Klänge der Turmuhr täglich von 8 bis 20 Uhr im Viertelstundentakt, um 18 Uhr wird ein längeres Musikstück geboten. Nur montags sind die traditionellen Glocken aus dem Lautsprecher zur hören. Gemeindegottesdienste werden auf der Veddel nur noch an hohen Festtagen gefeiert. Eingeladen wird dazu wie bisher mit traditionellem Glockengeläut. Das Kulturprojekt soll 13 Monate lang laufen.
Aufreger ist auch Gesprächsöffner
Für Juli hat der Berliner Musiker Andrew Pekler die Aufgabe übernommen. Er ist in Usbekistan geboren, in den USA aufgewachsen und hat schon an mehreren internationalen Festivals teilgenommen. Sein Album "Sentimental Favourites" wurde 2011 mit dem Qwartz Electronic Music Award ausgezeichnet. Für sein Klangprogramm verwendet er eine E-Gitarre.
Für viele Menschen auf der Veddel seien die neuen Töne recht gewöhnungsbedürftig gewesen, sagt Diakonin Uschi Hoffmann, die das Kirchencafé neben der Veddeler Kirche leitet. Es habe viele Diskussionen gegeben, nicht überall habe das Projekt Zustimmung erfahren. Unterm Strich sei es jedoch ein Gewinn für den Stadtteil. Hoffmann: "Man hat wieder einen Anlass, miteinander zu reden."