Kulturelles Handwerk gewürdigt

Glockengießen als immaterielles Kulturerbe

Stand 2025 gibt es in Deutschland mehr als 90.000 Kirchenglocken, die im Turm hängen und regelmäßig geläutet werden. 85 Prozent von ihnen wurden im Lehmformverfahren hergestellt. (im Bild: Glockenguß in der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe).
Stand 2025 gibt es in Deutschland mehr als 90.000 Kirchenglocken, die im Turm hängen und regelmäßig geläutet werden. 85 Prozent von ihnen wurden im Lehmformverfahren hergestellt. (im Bild: Glockenguß in der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe).© Thomas Lohnes, epd-Bild

02. April 2025 von Antje Wendt

Seit Jahrtausenden faszinieren Glocken die Menschen mit ihrem Klang und ihrer Bedeutung. Ob als Musikinstrument, Zeitmesser oder religiöses Symbol – die Kunst des Glockengießens und -läutens ist tief in unserer Kultur verankert. Nun wurde dieses traditionsreiche Handwerk offiziell als nationales Kulturerbe anerkannt.

Von der Hip-Hop-Kultur bis zum Kachelofenbau – das immaterielle Kulturerbe, das in das bundesweite Verzeichnis aufgenommen wird, ist abwechslungsreich und vielfältig. Gemeinsam ist diesen Kulturformaten ihre besondere nationale Bedeutung.

Die lange Geschichte der Glocken

Die Kunst des Glockengießens und -läutens reicht weit in die Geschichte zurück und steht im Zusammenhang mit der kulturellen Nutzung der Glocken. Schon in vorchristlicher Zeit wurden sie als Musikinstrumente verwendet. Zudem glaubte man, dass der Klang von Glocken Unheil abwehren könne. An die Kleidung genähte Glöckchen oder Handglocken waren daher nicht unüblich.

Im Judentum galten Glocken und ihre Klänge als Zeichen der Weltharmonie. Im frühen Christentum deutete man den Glockenklang als Gottes Stimme, die die Heilsbotschaft verkündet.

Die Handglocken, die Missionare vom 5. bis 9. Jahrhundert in den Norden brachten, waren noch nicht gegossen, sondern geschmiedet. Doch auch diese mit einem Griff versehenen Glocken konnten bereits eine Größe von 30 Zentimetern erreichen.

An einem Holzgerüst hängt eine alte Glocke aus Bronze
Vor dem Wikinger Museum Haithabu hängt eine Nachbildung der ältesten Läuteglocke Nordeuropas. Das Original ist im Museum ausgestellt.© Antje Wendt, Nordkirche

Ein bedeutender Fund

Die älteste bekannte und gegossene Läuteglocke nördlich der Alpen stammt aus dem Hafen von Haithabu in Schleswig-Holstein. Sie wurde 1978 bei Ausgrabungen entdeckt. Haithabu war eine Wikingersiedlung des 8. Jahrhunderts, die allerdings nach 300 Jahren vollständig zerstört wurde. Die vollständig erhaltene Glocke wird etwa auf das Jahr 950 datiert. 948 wurde das Bistum Schleswig gegründet, und Haithabu wurde Bischofssitz. Schon um 850 hatte Erzbischof Ansgar von Hamburg laut schriftlicher Quelle eine Kirche in Haithabu errichten lassen – die erste christliche Kirche nördlich von Hamburg.

Der Klang als Orientierung

In den Klöstern des Mittelalters wurde der Glockenklang als Ruf zu den gemeinsamen Verrichtungen – Gottesdienst, Arbeit und Essen – eingesetzt und war damit ein wichtiges Hilfsmittel für die Organisation der Tagesstruktur. In Kombination mit einer Uhr entstanden ab dem 15. Jahrhundert die Glockentürme. Spätestens jetzt war das Läuten der Kirchenglocken für die Anzeige der Arbeits- und Gebetszeiten aus dem Leben der Menschen nicht mehr wegzudenken.

Mehr als nur Zeitmesser

Heutzutage ist der Klang der Glocken in vielfältiger Weise im Bewusstsein der Menschen verankert. Neben dem Uhrenschlag erklingt er auch als Einladung zum Gottesdienst, als Erinnerung und als Ermahnung. Für viele ist der tägliche Ruf der Glocken daher emotional besetzt und fordert zum Innehalten und Gedenken auf.

Spannende Fakten rund um die Glocken

Wussten Sie schon, dass... 

  • 85 Prozent der mehr als 90.000 Kirchenglocken in Deutschland, die im Turm hängen und regelmäßig geläutet werden, im Lehmformverfahren hergestellt wurden?
  • das heutige Lehmgussverfahren schon im Mittelalter entwickelt wurde?
  • die Gussformen aus Lehm und Lehmziegeln individuell für jeden Glockenguss angefertigt werden?
  • das verwendete Bronzematerial zu 78 Prozent aus Kupfer und zu 22 Prozent aus Zinn besteht? Hat die Bronze eine Temperatur von etwa 1.100 Grad Celsius erreicht, kann der Guss beginnen.
  • die beiden Weltkriege durch Einschmelzen und Bombeneinwirkung mehr als 80.000 Kirchenglocken vernichteten?
  • die Glocken traditionell freitags um 15 Uhr gegossen werden, um an die Sterbestunde Jesu zu erinnern?

Kulturelles Handwerk gewürdigt

Bischöfin Kirsten Fehrs (Hamburg), Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), erklärt:

Der Klang der Kirchenglocken ist uns so vertraut wie das Geräusch des eigenen Atems. Und dass diese wunderbaren ‚Musikinstrumente‘ seit tausend Jahren kunsthandwerklich auf dieselbe traditionelle Art noch immer im Lehmformverfahren aus Bronze hergestellt werden, das ist wirklich eine einzigartige kulturelle Leistung. Heute ist ein schöner Anlass, den Glockengießerinnen und Glockengießern dafür ein herzliches Dankeschön zu sagen!

Bischöfin Kirsten Fehrs steht in ziviler Kleidung im Freien, im Hintergrund ist der Turm des Michel zu sehen
Bischöfin Kirsten Fehrs an den Hamburger Landungsbrücken, in Sichtweite der Turm des Michel.© Marcelo Hernandez

Übriges: Solange der Glockenklang im Zusammenhang mit der Religionsausübung steht, gilt er verfassungsrechtlich nicht als Lärmbelästigung.

 

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