Bischöfin Kirsten Fehrs zum Tag der Deutschen Einheit:

„Wir sollten nicht nur die Grenzen, sondern auch die Herzen offen halten”

Bischöfin Kirsten Fehrs, Sprengel Hamburg und Lübeck
Bischöfin Kirsten Fehrs, Sprengel Hamburg und Lübeck© Marcelo Hernandez, Nordkirche

02. Oktober 2020 von Torsten Becker

Zum Tag der Deutschen Einheit ruft Bischöfin Kirsten Fehrs die Deutschen dazu auf, sich ihrer glücklichsten Momente bewusst zu bleiben.

Aus solchen Erinnerungen entstünde „Rückenwind für all die Stimmen der Menschlichkeit und der Hoffnung“, die nicht zuletzt in der Corona-Pandemie laut geworden seien. Sie wünsche sich, dass Deutschland weiterhin Freundlichkeit ausstrahle im Herzen Europas, so die Bischöfin.

Gottesdienst mit Bischöfin an der Grenzdokumentationsstätte

Bischöfin Fehrs predigt am 30. Jahrestag der Deutschen Einheit, am Sonnabend, 3. Oktober in einem Gottesdienst an der Grenzdokumentationsstätte in Lübeck-Schlutup. Sie betont die besondere Bedeutung dieses Ortes an der ehemaligen innerdeutschen Grenze: „Wie lange war da diese schmerzhafte Grenze, genau hier, wo jetzt glücklicherweise die Grenzdokumentationsstätte die Erinnerung wachhält an all die Tränen, die Menschen geweint haben, weil sie auseinandergerissen worden sind. Erinnerung auch an diejenigen, die ihr Leben verloren haben, weil sie die Grenze, diese unmenschliche Beschneidung ihrer Freiheit nicht akzeptieren wollten.“

„Hoffnungsschub nach vorn“

Der 3. Oktober 1990 sei „ein Tag, an dem Träume wahr wurden.“ Persönlich erinnert sich Fehrs: „Für mich, die ich 1961 knapp vier Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer geboren wurde und aufgewachsen bin mit dem Schmerz einer geteilten Familie und eines geteilten Landes, war es ein Wunder.“

Die Erinnerung an und die Dankbarkeit für die friedliche Revolution von 1989 und die Wiedervereinigung könne einen „Hoffnungsschub nach vorn“ geben.

Die Bischöfin wirbt auch dafür, weiterhin für eine offene und demokratische Kultur einzustehen: „Wir sehen, wie Staaten wieder Grenzen schließen. Manche machen sich wieder stark für Ausgrenzung und Abgrenzung. Das Wunder von 1989 und 1990 mahnt, nicht nur die Grenzen, sondern auch die Herzen offen zu halten.“

Äußerer Abstand darf nicht zu innerer Abgrenzung werden

Mit Blick auf den November 1989 sagt die Bischöfin: „Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen – wie lange her scheint so etwas! Jetzt leben wir in einer Zeit, in der körperlicher Abstand gefordert ist. Niemand weiß, wie lange das noch so gehen wird. Ja, wir müssen uns vor dem Virus schützen, das stellt kein vernünftiger Mensch infrage. Aber lasst uns bedenken: Wir brauchen nicht nur einen gesunden Körper, sondern auch eine gesunde Seele. Äußerer Abstand darf nicht zu innerer Abgrenzung werden. Lasst uns gemeinsam darauf achten, dass das Virus uns nicht auseinandertreibt. Dass nicht Gesunde gegen Kranke , Senioren gegen Schulkinder ausgespielt werden. Lasst uns gemeinsam darauf achten, dass die Lasten der Pandemie gerecht verteilt werden, dass nicht die Onlinehändler boomen und die Gastronomen pleite gehen.“

 

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