Wort zum Christfest 2017 von Landesbischof Gerhard Ulrich
23. Dezember 2017
Schwerin/Hannover. „Das Kind in der Krippe hat die Kraft, diese Welt zu verändern“, sagt Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), in seiner Weihnachtsbotschaft. Diese Veränderung sei dringend notwendig – im Blick auf die fragile Stimmung im Land, auf die Machtspiele zwischen den politischen Kräften weltweit, im Blick auf die deutlich spürbaren Folgen des Klimawandels. „Es brennt an vielen Orten. Wir brauchen einen, der die Feuer dieser Welt löscht. Mehr noch: wir brauchen einen, der uns lehrt, das Zündeln zu lassen“, mahnt Ulrich.
In dieser Zeit, in der es für viele Menschen gar nicht weihnachtlich zugehe, erzählten die weihnachtlichen Sehnsuchtsbilder „von der Wirklichkeit Gottes, die sich dem Dunkel aussetzt und hineinstrahlt in unsere Welt“. Das Kind, dessen Geburt zu Weihnachten weltweit gefeiert wird, ist Gott selbst. „Er schenkt allen Menschen ihre Würde, er hat uns geschaffen als seine Ebenbilder. Nicht zuallererst als Christen oder Juden oder Muslime; nicht zuerst als Männer oder Frauen; nicht zuerst als Schwarze oder Weiße, sondern als Ebenbilder Gottes.“
Im Rückblick auf das Reformationsjubiläum bilanziert Landesbischof Ulrich: „Denken wir nicht zu klein von uns! Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das Kind in der Krippe hat die Kraft, diese Welt zu verändern. Lassen wir uns also anstrahlen von Seinem Licht, damit wir es ausstrahlen in die Welt.“
Die Weihnachtsbotschaft von Landesbischof Gerhard Ulrich im Wortlaut:
"Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit." (Jesaja 9, 5-6)
Es ist wieder Weihnachten: Vertraute Klänge, vertraute Düfte, vertraute Menschen. Festlich geschmückt glänzen die Straßen und die Häuser. In den Kirchen hören Menschen die Botschaft „Fürchtet euch nicht!“ und singen „Welt ging verloren, Christ ward geboren“. Und kaum verklingen die letzten Töne, drängen aufgeregte Kinder darauf, dass endlich die Türen und die Päckchen geöffnet werden.
Ja, es ist ein Sehnsuchtsbild, dieses Bild von Weihnachten: Ausdruck der Sehnsucht nach Heimat, nach Frieden. In diese Weihnachtssehnsucht tauche ich gerne ein, weil sie von dem Geheimnis erzählt, dass das Leben mehr birgt, als wir sehen und verstehen können. In dieser Zeit, in der es in der Welt gar nicht weihnachtlich zugeht, in der manche Sicherheit ins Wanken gerät, erzählen die weihnachtlichen Sehnsuchtsbilder von einer anderen Wirklichkeit. Von der Wirklichkeit Gottes, die sich dem Dunkel aussetzt und hinein strahlt in unsere Welt.
Das Dunkel in der Welt hat viele Schattierungen: In unserem Land, in dem wir in Frieden und Fülle leben, gibt es dennoch Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Es gibt Menschen, die Angst haben, dass sie zu kurz kommen oder dass ihnen etwas genommen wird. Populistische Parolen, antisemitische Hetze werden nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gesagt. Fragil ist der Frieden in der Welt dort, wo er mühsam errungen wurde. Auf einer Begegnungsreise mit Mitgliedern des Lutherischen Weltbundes nach Israel-Palästina im November konnten wir erleben, wie die Zeit der Okkupation auf den Menschen lastet, die Seelen deformiert, die Freiheit einschränkt; wie Grenzkontrollen die Menschen entwürdigen und wie dies alles neue Gewalt verursacht. Auch im Blick auf die neuen Machtspiele zwischen politischen Kräften weltweit, im Blick auf die deutlich sichtbaren Folgen des Klimawandels müssen wir sagen: Es brennt an vielen Orten. Wir brauchen einen, der die Feuer dieser Welt löscht. Mehr noch: wir brauchen einen, der uns lehrt, das Zündeln zu lassen!
In diese Welt hinein kommt das Kind, kommt Gott selbst, der allen Menschen ihre Würde schenkt. Er hat uns geschaffen als seine Ebenbilder. Nicht zuallererst als Christen oder Juden oder Muslime; nicht zuerst als Männer oder Frauen; nicht zuerst als Schwarze oder Weiße, sondern in alldem als Ebenbilder Gottes: gewollt und geliebt. Uns allen gilt die Botschaft der Weihnachtsgeschichte: Fürchtet euch nicht! Damit wir aufbrechen wie die Hirten und sehen, wovon die Engel singen: Einer kommt in dieser Welt, sanft und stark. Gott wird Mensch und verändert die oft bittere Realität der Welt: Nichts muss bleiben, wie es ist! Fürchtet euch nicht! Lasst euch anstrahlen von seinem Licht, das die Gewissheit entzündet und den Mut entfacht, der Verheißung zu glauben: Friede wird sein, Friede ohne Ende.
Wenn dieses Jahr zu Ende geht, blicken wir zurück auf das Jubiläumsjahr der Reformation. Zahlreiche Begegnungen in unserem Land und weltweit, übervolle Gottesdienste am Reformationstag, versöhnende Gesten, überraschende Formate haben gezeigt: Das Jahr hat zu einer breiten Wahrnehmung des Glaubens in der Öffentlichkeit geführt. Menschen sind wieder neu mit der befreienden und stärkenden Kraft des Evangeliums in Berührung gekommen. Wenn wir eines gelernt haben aus diesem Jahr, dann dieses: Denken wir nicht zu klein von uns! Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Das Kind in der Krippe hat die Kraft, diese Welt zu verändern. Lassen wir uns also anstrahlen von Seinem Licht, damit wir es ausstrahlen in die Welt.
Gesegnete Weihnachten!
Landesbischof Gerhard Ulrich predigt am 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, um 10 Uhr im Dom zu Schwerin.