Integration

Yared Dibaba: Vom Flüchtlingskind zum Entwicklungshelfer für Plattdeutsch

Geboren ist Yared Dibaba in Äthiopien. 1979 floh seine Familie nach Deutschland, um den kommunistischen Machthabern zu entkommen. Mittlerweile ist Dibaba ein echtes Nordlicht, das luprenreines Platt spricht und in Hamburg lebt
© epd

13. Mai 2016 von Michael Grau

Yared Dibaba kam als Flüchtlingskind nach Norddeutschland und lernte dort Plattdeutsch. Das eröffnete ihm eine ungewöhnliche Karriere. Heute moderiert er die TV-Reihe "Die Welt op Platt" und predigte zuletzt zum Hafengeburtstag im Hamburger Michel.

Als Yared Dibaba als Junge beim Bäcker in Falkenburg bei Oldenburg zum ersten Mal Plattdeutsch hörte, war er ziemlich verwirrt. "Mama, was reden die da?", fragte er seine Mutter. Was die Leute in dem 800-Seelen-Dorf da sagten, hat den aus Äthiopien stammenden TV-Moderator seitdem nachhaltig geprägt. Inzwischen spricht er selbst fließend Platt, und in Radio und Fernsehen plaudert er als Plattdeutsch-Experte des NDR in Sendungen wie "Hör mal 'n beten to" oder "Plattdeutsch für Anfänger". "Ich bin als Entwicklungshelfer für das Plattdeutsche nach Norddeutschland gekommen", lacht der 47-jährige Wahl-Hamburger.

Dibaba: "Ich habe als achtjähriger Junge Leichen auf der Straße liegen sehen"

Danach sah es anfangs allerdings gar nicht aus: Yared kam 1979 als Flüchtlingskind nach Niedersachsen. Seine Familie war aus Oromia in Äthiopien geflohen, als dort ein blutiger Bürgerkrieg ausbrach. Dibaba kann nachfühlen, wie Menschen aus Syrien oder afrikanischen Ländern zumute ist, die heute ihre Heimat verlassen müssen. "Ich habe als achtjähriger Junge Leichen auf der Straße liegen sehen", erzählt er. "Es gab Hinrichtungen, Entführungen und Folter." Deshalb setzt sich Dibaba selbst für Flüchtlinge ein, etwa beim Bündnis "Niedersachsen packt an".

Ausreise der bedrohten Familie war der Gottesbeweis für den jungen Äthiopier

Seine Familie war ins Visier der kommunistischen Machthaber geraten, weil sein Vater als Radio-Journalist für die evangelische Mekane-Yesus-Kirche arbeitete. Als Yared eines Tages vom Spielen nach Hause kam, standen seine Eltern mit erhobenen Händen an der Wand, hinter ihnen Männer mit Maschinengewehren. "Da war klar, was die Stunde geschlagen hatte." Morgens und abends betete Yared: "Lieber Gott, hol uns hier raus." Als die Familie später wirklich ausreisen konnte, "war das für mich der Beweis: Es gibt einen Gott".

Weil die Mekane-Yesus-Kirche Kontakte zur hannoverschen Landeskirche unterhielt, konnte die Familie nach Deutschland ausfliegen. Sie landete schließlich in Falkenburg. Der Vater fand dort eine Anstellung als Dozent im kirchlichen Lutherstift. "Das war ein großes Glück für uns." Von nun an musste Yared sich als Junge mit schwarzer Hautfarbe in der norddeutschen Tiefebene gegen manche Vorurteile behaupten. Doch das gelang. Er spielte Fußball beim TV Falkenburg und sang im plattdeutschen Kinderchor. Sogar an plattdeutschen Vorlesewettbewerben nahm er teil.

Sprache als Grundbedingung für den "Draht zu den Menschen"

So lernte er ganz spielerisch die neue, fremde Sprache. Sie sollte ihm nach Studium und Ausbildung noch kräftig nützen: Denn als der NDR in Hamburg einen Moderator für die Fernsehreihe "De Welt op Platt" über plattdeutsch sprechende Auswanderer suchte, war Dibaba der richtige Mann zur richtigen Zeit. "Es war gut für diese Sendung, dass jemand Plattdeutsch spricht, von dem man das zunächst nicht vermutet."

Heute verblüfft er so manchen Norddeutschen mit lupenreinem Platt. Für eine CD hat er eine plattdeutsche Kinderbibel eingelesen: "Dat groote plattdüütsche Bibel-Hörbook". Der Moderator betont: "Die Sprache ist der einzige Weg, um einen Draht zu den Menschen zu bekommen." Deshalb empfiehlt er auch Flüchtlingen, ruhig ein paar Brocken Platt zu lernen: "Das ist das Sahnehäubchen, da versteht man die Mentalität des Nordens."  

Dibaba sieht sich heute als Norddeutscher mit Leib und Seele, schwärmt von Wind und Weite. Wichtig ist ihm aber auch etwas anderes: "Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie weiter die äthiopische Oromo-Kultur gepflegt haben." Mit Sorge blickt er in seine erste Heimat, wo im Oromo-Gebiet weiterhin der Bürgerkrieg tobt. "Es ist wichtig zu wissen, wo man herkommt. Man muss ganz bei sich sein, um sich für das Neue zu öffnen."

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