Zwischen Denkmalschutz und neuer Nutzung: Wie Kirchen erhalten werden können
25. Juli 2024
Kirchen prägen unsere Dörfer und Städte. Sie sind oft viele Jahrhunderte alt und gehören zum kulturellen Erbe - manchmal sogar zum Unesco-Welterbe. Auch wenn Kirchen für Gottesdienste immer weniger besucht werden - für die Menschen vor Ort sind sie wichtig. Ihr Erhalt ist eine Verpflichtung und auch eine anspruchsvolle Aufgabe. Lesen Sie hier, wie die Gebäude als Kultur- und Gemeinschaftsorte erhalten werden können.
So schön sie meistens sind: Der Erhalt der Kirchen und Kapellen unserer Kirche ist aufwändig. Rund 2.400 dieser Gebäude gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg. Etwa die Hälfte davon stehen unter Denkmalschutz, in Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar über 90 Prozent.
Bauliche Sanierung ist nötig
An vielen nagt der Zahn der Zeit. Bei neun Kirchen sind die baulichen Mängel so groß, dass sie schließen mussten. Fünf stehen in Mecklenburg-Vorpommern, vier in Schleswig-Holstein.
Ein paar werden nach einer Sanierung wieder öffnen. Dazu gehört etwa die St. Georg-Kirche in Oeversee im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg. Die fast 1.000 Jahre alte Kirche wurde Anfang April geschlossen, weil der Dachstuhl drohte einzustürzen. In den kommenden Monaten soll er stabilisiert werden.
Finanzierung ist großes Problem
Für andere ist bislang noch keine Lösung in Sicht, weil die Finanzierung der beschädigten Gebäude noch nicht gesichert ist.
Dazu zählen etwa die Feldsteinkirche in Papendorf und die Kirche in Kessin in der Gemeinde Grapzow. In Kessin ist die Kirchengemeinde inzwischen bereit, sich von dem Gebäude zu trennen, wenn es einen Interessenten für eine alternative Nutzung gibt.
Es gibt viele Überlegungen für den Erhalt von Kirchen. Die Szenarien dafür sind ganz unterschiedlich:
Option 1: Alternative Nutzung für Begegnung und Kultur
Eine Möglichkeit ist es, entwidmete Kirchen und frühere Gemeindegebäude zu Gemeinschaftszentren umzubauen, die nicht nur von der Kirche, sondern auch von kommunalen Einrichtungen und Vereinen genutzt werden.
Mehr erfahren über die Sanierung und das neue Konzept der Gemeinde Lichtenhagen-Dorf in Mecklenburg
So geschehen ist es etwa in Lichtenhagen-Dorf: Dort wurde die alte Pfarrscheune erst energetisch saniert und dann für größere Nutzergruppen geöffnet.
Neben einem Saal und Foyer gibt es auch eine Küche und Werkstatt sowie rollstuhlgerechte Wohnungen, die privat gemietet werden können. Kirchliche und diakonische Einrichtungen müssen für die Nutzung der Räume weniger Gebühren zahlen.
Seit einiger Zeit werden immer mehr der oft verwaisten Dorfkirchen auch zu Orten der Begegnung, der Kultur oder Kunst: Ob in Schleswig-Holstein, Mecklenburg oder Pommern – überall öffnen Dorfkirchen ihre Portale für Musik, Kunst und Kultur und bleiben so als Orte der Begegnung auf dem Lande präsent.
Option 2: Ökumenische Perspektive
Ansprechperson für Kirchen und Gemeinden einer anderen Konfession ist die Ökumenebeauftragte der Nordkirche und Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg.
Vor allem im städtischen Bereich können Kirchgebäude auch an andere christliche Gemeinschaften abgegeben und im Sinne der Ökumene mit neuen Leben gefüllt werden. In der Nordkirche gibt es mehrere Gotteshäuser, die an orthodoxe Gemeinden abgetreten wurden.
In Hamburg wurde in diesem Jahr etwa die serbisch-orthodoxe Kirche des Heiligen Erzengels Michael in Hamburg-Eilbek eingeweiht.
Sie war früher ein Haus der evangelisch-lutherischen Nordkirche. Heute dient sie rund 10.000 serbisch-orthodoxen Gläubigen zwischen Flensburg und Soltau als zentraler Bet- und Versammlungsort.
Option 3: Fördervereine und Stiftungsgründung
Ganz ohne Übergabe an Dritte funktioniert der Erhalt über spendenfinanzierte Projekte wie Fördervereine und Stiftungen: Bei dieser Lösung bleiben die Kirchen geweiht und im Besitz der Nordkirche. Ihre meist sehr aufwendige und teure Renovierung wird jedoch zum Teil über externe Geldgeber finanziert. Das Fundraising läuft also über eigens dafür gegründete Stiftungen, Freundeskreise oder Vereine.
Prominente Beispiele für das ehrenamtliche Engagement sind der Schleswiger Dom sowie die Lübecker Altstadtkirchen.
Stiftung für Lübecker Altstadtkirchen
Mehr erfahren über die Arbeit der Stiftung 7Türme+
Für den Erhalt letzterer setzt sich die kürzlich neu gegründete "Stiftung 7Türme+" ein. Sie hat dafür sogar die Unterstützung von Altbundespräsident Joachim Gauck zugesichert bekommen, der sie als Schirmherr vertritt.
Ziel der Stiftung ist es, pro Jahr rund 1,5 Millionen Euro zu sammeln, um die fünf Kirchen in der Altstadt Lübecks zu unterhalten. Aktuell stehen zusätzlich dringende Sanierungsprojekte in St. Marien und im Dom zu Lübeck an. Hierfür werden knapp sieben Millionen Euro benötigt.
Beteiligt sind derzeit der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, die Nordkirche, Lübecks Innenstadtgemeinden sowie auch das Land Schleswig-Holstein.
Kirchenkreis Mecklenburg prüft Gründung
Nutzung als Kultur- und Begegnungsorte: Kino, Kunst und Konzert in Dorfkirchen - Dorfkirche mon amour!
Auch der Kirchenkreis Mecklenburg denkt derzeit über eine Stiftung nach, in die Gemeinden ihre Kirchengebäude, für die sie selbst keine sinnvolle Nutzung mehr sehen, abgeben können.
Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich derzeit damit, wie eine Stiftung mit der Kirchengemeindeordnung zu vereinen sei und welche Rechtsform möglich wäre, heißt es vom Kirchenkreis.
Nationale Aufgabe: Kulturgut Kirche erhalten
Auch auf Bundesebene wird die Gründung von Stiftungen zum Erhalt von Kirchen diskutiert. Im Mai hatte ein Bündnis aus zehn Organisationen und Vereinen aus Baukultur, Forschung und Stiftungswesen die Petition „Kirchenmanifest“ veröffentlicht.
Kirchen und ihre Ausstattungen gehören zu den „wichtigsten Zeugnissen des Kulturerbes in Europa“, heißt es in dem Manifest, das inzwischen mehr als 18.000 Menschen unterzeichnet haben.