30 Jahre Suppengruppe – 30 Jahre "Gottesdienst der Tat"
19. Februar 2024
Seit drei Jahrzehnten gibt es die Suppengruppe in der Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde in Hamburg. Das sind 30 Jahre, in denen Ehrenamtliche versuchen, mit einer warmen Mahlzeit anderen ein wenig Geborgenheit zu geben. Die Gäste sind im Laufe der Jahre nicht weniger geworden. Im Gegenteil.
"Jemand muss einen Tag lang nicht hungrig sein, nicht auf die Suche nach einer Toilette gehen, nicht ohne Arzt bleiben, nicht ohne eine freundliche Begegnung" – das mache für sie den Unterschied, sagt Dorothea Frauböse, Pastorin in St. Georg-Borgfelde. Hier spüre sie, dass sie mit einem vermeintlich kleinen Angebot, etwas verändern könne.
Mehrere hundert Menschen sind Gäste
Die Suppengruppe könne nicht verhindern, dass jemand einsam, arm oder obdachlos werde. Aber die Menschen dort könnten fürsorglich sein, mitmenschlich oder – wie die Pastorin es nennt – einen "Gottesdienst der Tat" leisten.
Inzwischen machen die Ehrenamtlichen das dort zweimal pro Woche: Immer donnerstags gibt es eine Lebensmittelausgabe, die sich derzeit an etwa 300 Menschen, speziell Familien, in Notlagen richtet. Ausgegeben werden Spenden, die in Zusammenarbeit mit der Tafel gesammelt werden.
Essen, sich ausruhen und reden
Und an Freitagen gibt es die Suppe, die dem Angebot seinen Namen gab: Frisch gekocht und gespendet wird sie von Hamburger Hotels wie etwa dem Atlantic. Verteilt wird sie an alle, die mögen. Einen Nachweis darüber, dass jemand bedürftig ist, verlangt die Kirchengemeinde nicht. Inzwischen sind es mehr als 200 Menschen, die regelmäßig zu den Mahlzeiten kommen.
So wie ein 65-jähriger Herr, der das Essen "wie im Restaurant" schätzt. "Man bekommt ein ganzes Menü: Hauptgang und Nachtisch, Getränk und Kaffee", sagt er. Und ein anderer ergänzt: "Wo bekommt man das sonst schon? Die Menschen hier sind sehr freundlich. Ich bekomme immer zwei, drei Mal Kaffee nachgeschenkt. Und ich werde gefragt, ob ich vegetarische Suppe oder etwas mit Fleisch haben will. Eine solche Auswahl habe ich sonst nicht."
Die Suppengruppen-Gäste haben auch die Gelegenheit, das Krankenmobil der Caritas zu besuchen, das jeden Freitag an der Kirche hält. Und wer mag, kann während des Essens oder im Anschluss mit einer der beiden Pastorinnen von St. Georg-Borgfelde sprechen.
Praktische Alltagshilfe
Häufig ginge es darum, ganz praktische Dinge zu klären: Jemand möchte wissen, wie der Sozialrabatt fürs Monatsticket beantragt wird oder braucht neue Kleidung. Oft würden sich darüber aber auch Anknüpfungspunkte für weitere Gespräche ergeben, so Pastorin Frauböse.
Nach und nach entstehe so ein vertrauensvolles Miteinander, in denen Platz für viele kleine, heitere Momente und Rituale sei – wie etwa der wöchentliche Plausch mit einem Herrn marokkanischer Abstammung "in meinem schlechten Französisch", sagt Frauböse schmunzelnd.
"Ich möchte es schön haben"
Herzstück des Angebots seien die vielen Ehrenamtlichen, die es überhaupt möglich machen. Einer davon ist Gottfried Vogt. Als der frisch pensionierte Jurist 2012 auf das Angebot aufmerksam wurde, wollte er helfen. Klar. Aber da war auch noch etwas anderes: "Ich tue es für mich", sagt Gottfried Vogt.
"Ich möchte es schön haben, ich möchte, dass die Welt besser wird als sie ist, weil das für mich gut ist." Er könne es nicht ertragen, wenn jemand auf der Straße lebe, ohne einen Ort der Ruhe und Entspannung zu haben.
Unterschiedliche Zielgruppen
Spätestens seit der Corona-Pandemie und dem Kriegsbeginn in der Ukraine gehe es jedoch nicht mehr darum, nur Menschen ohne Obdach zu helfen. Es kommen auch Geflüchtete oder Familien, denen am Ende des Monats schlicht das Geld für eine gesunde Mahlzeit ausgegangen ist, sagt er. Das Problem: Auch die Spendenlieferungen aus den Supermärkten und Geschäften fallen mittlerweile spärlicher aus.
Sein großer Wunsch sei daher nicht nur eine mengenmäßige Ausweitung des Angebots, sondern auch eine, die es möglich mache, dass Menschen sich gesund und ausgewogen ernähren können. Und dafür braucht es mehr Unterstützer: Firmen, Privatleute, Institutionen.
Praktischer Ansatz hilft auch dem eigenen Herz
"Ich bin mir bewusst, dass unsere Arbeit der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein ist, aber unsere Arbeit entspricht dem Modell einer solidarischen Gemeinschaft, in der niemand zurückgelassen wird", sagt Vogt.
Ja, die Not ist auch in einem so reichen Land wie Deutschland groß. Statt zu verzweifeln, hat Vogt jedoch einen ganz praktischen Ansatz gewählt. Der helfe "real ein bisschen und in Kopf und Herz ganz viel", sagt er.