Altbischof Ulrich steht als Großinquisitor auf der Bühne
21. April 2022
Als junger Student stand Gerhard Ulrich bereits auf der Theaterbühne. Jetzt kehrt unser Altbischof dorthin zurück. In Schillers "Don Karlos" spielt er den Großinquisitor - einen menschenverachtenden Kleriker.
Für Altbischof Gerhard Ulrich ist es eine Rückkehr zu seinen Wurzeln: In jungen Jahren war er Schauspieler am Hamburger Ernst-Deutsch-Theater. Im Kieler Theater steht er jetzt wieder auf der Bühne. In Friedrich Schillers „Don Karlos“ spielt er den Großinquisitor. Am Sonnabend (23. April) feiert das Stück Premiere.
„Leg doch mal den Fuß auf ihm ab“, ruft Malte Kreutzfeldt aus dem dunklen Zuschauerraum. Hochkonzentriert blickt der Regisseur auf die hell erleuchtete Bühne und beobachtet, wie der Großinquisitor (Gerhard Ulrich) in seinem purpurroten Gewand seinen Lederschuh auf den Oberkörper des Marquis von Posa (Calvin-Noel Auer) absetzt. Dessen weißes Hemd ist blutüberströmt. Der Großinquisitor würdigt den sterbenden Menschen zu seinen Füßen keines Blickes. Stattdessen spricht er mit scharfer Stimme auf Philipp II. (Imanuel Humm) ein.
Don Karlos: Freiheitskampf trifft auf kirchliche Obrigkeit
Geprobt wird „Don Karlos, Infant von Spanien“ von Friedrich Schiller. 1787 wurde das Dramatische Gedicht am „Theater am Gänsemarkt“ in Hamburg uraufgeführt. Es ist eine Familientragödie, am spanischen Hof angesiedelt zur Zeit der Inquisition. Freiheitskampf trifft hier auf kirchliche Obrigkeit. Und diese Obrigkeit wird verkörpert von einem leibhaftigen, evangelischen Kirchenmann: Gerhard Ulrich war von 2008 bis 2012 Bischof in Schleswig und dann bis 2019 Landesbischof der Nordkirche.
„Natürlich reibe ich mich an meiner Rolle“, sagt Ulrich kurz vor Probenbeginn im Foyer des Schauspielhauses. „Den Zorn, den der Großinquisitor dem König gegenüber entwickelt, den spüre ich selbst als Zorn gegen seine Menschenverachtung. Denn König Philipp bittet ihn eigentlich um ein Seelsorgegespräch.“ Stattdessen bekomme er eine Ohrfeige nach der anderen.
Inquisition war einer der Gründe für die Reformation
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Der ehemalige Landesbischof spielt damit sein eigenes Gegenstück. Als Intendant Daniel Karasek ihn im Dezember anrief, um ihm die Rolle des Großinquisitors anzubieten, fand er den Vorschlag „total einleuchtend“. Ulrich: „Es ist ein Entfremdungseffekt, wenn eine Figur mit dem Gegenprogramm besetzt wird.“ Schließlich sei die Inquisition einer der Gründe für die Reformationen gewesen.
Für Ulrich ist die Theaterbühne kein Neuland. Vor seiner theologischen Laufbahn studierte der gebürtige Hamburger Theaterwissenschaften und Schauspielkunst. Seit 2015 steht er mit dem Format „Theaterpredigt“ am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin und am Theater Kiel auf der Bühne.
Rückkehr zu den eigenen Wurzeln
„Es ist ein großes Geschenk, mit 71 Jahren an meine frühen biografischen Zeiten anzuknüpfen“, sagt Ulrich, der die Aufregung vor einer Aufführung immer noch kennt. „Ich sage immer, wenn ich irgendwann mal aufhöre, Lampenfieber zu haben, sollte ich auch aufhören aufzutreten - das gilt übrigens auch für den Weg zur Kanzel.“
Stück mit Blick auf Russland "erschreckend aktuell"
Schillers Großinquisitor ist ein Mann, der für den Tod Hunderttausender Menschen verantwortlich ist, die der Ketzerei bezichtigt wurden. Dieser Punkt mache das Stück „erschreckend aktuell“, sagt Gerhard Ulrich. Er denke dabei an Wladimir Putin. „Wer in Russland den Krieg Krieg nennt, geht in den Knast. Das ist genauso wie hier auf der Bühne.“
Gerhard Ulrich selbst sieht auch „mit einem Unbehagen“ seine Rolle des Großinquisitors. „Und ich hoffe, dass die Menschen, die das Stück besuchen, genauso rausgehen.“ Theater dürfe schließlich nicht immer „eine Wohlfühloase“ sein.