Bischöfe der östlichen Landeskirchen beraten in Greifswald neue Herausforderungen
27. August 2020
Schrumpfende Mitgliederzahlen, wenig Geld: Die ostdeutschen Landeskirchen erleben schon heute, was künftig alle Kirchen in Deutschland betreffen kann. Ihre Bischöfe sehen darin Herausforderung und Chance.
Die ostdeutschen Bischöfe sehen ihre Landeskirchen als eine Art Labor für die Zukunft der kirchlichen Arbeit deutschlandweit. Viele neue Herausforderungen zeigten sich zuerst bei den Landeskirchen im Osten Deutschlands, erklärten die Bischöfe Tilman Jeremias (Greifswald), Christian Stäblein (Berlin), Friedrich Kramer (Magdeburg), Tobias Bilz (Dresden) und Kirchenpräsident Joachim Liebig (Dessau-Roßlau) am Donnerstag in Greifswald. In der Hansestadt waren die Leitenden Geistlichen zu einem zweitägigen Treffen zusammengekommen.
Anfang eines Veränderungsprozesses
Die ohnehin schon großflächigen evangelischen Gemeinden mit ihren vielen Kirchen würden künftig noch größer, sagte der Greifswalder Bischof Tilman Jeremias. Dies sei für Ehren- und Hauptamtliche eine "gewaltige Herausforderung". Die Gestaltung der Gottesdienste und der Seelsorge werde sich rasant verändern, und es gebe dazu keine fertigen Konzepte. "Wir stehen hier am Anfang eines Veränderungsprozesses und sind zugleich mittendrin", sagte Jeremias.
Neue digitale Konzepte
Viele ostdeutsche Gemeinden hätten mit Beginn der Corona-Krise digitale Konzepte erarbeitet, sagte der Magdeburger Landesbischof Friedrich Kramer. Dies spiele hier "eine ganz große Rolle". Damit könnten auch Menschen in Gottesdienste eingebunden werden, die eine Kirche nicht besuchen können. Aufgabe sei es jetzt, solche Angebote dauerhaft einzurichten und auch die Kirchgänger miteinzubinden. Nach den Worten des Berliner Bischofs Christian Stäblein führt die Digitalisierung dazu, dass die Grenzen der Landeskirchen an Bedeutung verlieren.
"Es geht um die feinen Tönen"
Einig waren sich die Bischöfe darin, dass die ostdeutschen Landeskirchen eine eigene Mentalität verbindet. "Das kirchliche Lebensgefühl ist ein anderes", so der Dessauer Kirchenpräsident Joachim Liebig. Diese Mentalität sei aber schwer zu benennen. Sie spiele vor allem bei Menschen über 50 eine Rolle. "Es geht um die feinen Tönen", ergänzte Landesbischof Kramer. Ziel muss nach den Worten der Bischöfe sein, dieses Lebensgefühl zu berücksichtigen, ohne sich damit von den westdeutschen Landeskirchen abzugrenzen. Die Kirchen im Osten arbeiteten unter besonderen Bedingungen, erklärte der Dresdner Bischof Tobias Bilz. Damit sei die Arbeit aber weder besser noch schlechter.
Bischof Jeremias verwies darauf, dass die Ortsgemeinden in Ostdeutschland traditionell einen höheren Stellenwert hätten als die überregionalen Dienste und Werke. Die Stärke dieser Basisarbeit habe sich in der Corona-Krise daran gezeigt, dass die Mitarbeiter schnell Kontakte zu den Mitgliedern herstellen konnten. Dies sei neben den sozialen Medien zum Teil auch durch das Telefon geschehen. Hier hätten es die überregionalen Dienste und Werke schwerer gehabt. Diese hätten dafür gute digitale Angebote entwickelt.
Bischof Jeremias: "Manches neu denken"
Die Bischöfe waren zu einer zweitägigen Sitzung nach Greifswald gekommen. Außer Kirchenpräsident Liebig sind alle erst seit weniger als einem Jahr im Amt. Dies biete eine gute Gelegenheit, so Bischof Jeremias, "manches neu zu denken".