"Das Schöne ist, es funktioniert": Solidarische Landwirtschaft auf Kirchenland
02. Oktober 2024
Moderne Landwirtschaft bedeutet nicht nur Nahrungsmittelproduktion. Wer sie verantwortungsvoll betreibt, schützt die Artenvielfalt und damit Gottes Schöpfung. Die Nordkirche verpachtet mehrere Flächen, auf denen landwirtschaftliche Höfe betrieben werden. Im Vorfeld des Erntedankfestes haben wir einen davon besucht.
Hier geht es zu unserem Film "Solidarischer Landbau – ein Hofbesuch in Boienhagen"
Wer den etwas ruckeligen, schmalen Feldweg hinauf zum Haus und Hof "Lebendiger Landbau" von Laura und Johannes Walzer in Boienhagen fährt, findet sich in einem kleinen Idyll wieder: Zwischen alten Obstbäumen steht ein frisch renoviertes Bauernhaus. Vor der alten, noch windschiefen Scheune pickt ein schwarz-weißes Huhn im Sand, eine rote Katze räkelt sich in der Sonne.
Ein Paradies auf Kirchenland
Gleich dahinter leuchten drei Sorten erntereife Kürbisse in der Sonne. Für Laura und Johannes Walzer ist mit der Pacht des Kirchenlandes in Boienhagen in Mecklenburg-Vorpommern ein Traum in Erfüllung gegangen: Auf sieben Hektar bauen sie hier 55 verschiedene Kulturen von Radieschen über Tomaten bis hin zu Salat und insektenfreundlichen Blumen an.
Das Land gehört der Nordkirche. Zugefallen ist es ihr durch eine Erbschaft. Um Haus und Hof nicht brachliegen zu lassen, entschloss sie sich 2017 schließlich, es in die Verpachtung zu geben.
Kirchengemeinden entscheiden über Verpachtung
Ungewöhnlich ist dies nicht, auch wenn in den meisten Fällen nicht die Landeskirche, sondern die Kirchengemeinde Verpächterin ist. Insgesamt verfügen mehr als 800 von etwa 1000 Kirchengemeinden der Nordkirche über eigene Flächen. Zusammen sind es rund 78.000 Hektar.
Ursprünglich sollten die Ländereien dafür sorgen, dass die Pastoren sich und ihre Familien ernähren konnten. Heute ist dieser Zweck hinfällig. Die jeweilige Kirchengemeinden kann also über eine alternative Weiterverwendung, wie etwa die Verpachtung an Landwirte, entscheiden.
Solidarisches Prinzip geht auf
Im Falle von Laura und Johannes Walzer vergab die Nordkirche den Hof an ein Paar, das ihn nicht nur ökologisch, sondern auch nach einem solidarischen Prinzip bewirtschaftet: Die derzeit 220 Abnehmer sind Mitglieder, die über einen Beitrag an der Ernte beteiligt werden.
Das Besondere: Der Beitrag ist nicht für alle gleich. So geben die Walzers zwar einen Richtwert vor. Am Ende entscheiden aber die Anteilnehmer:innen, ob sie weniger oder mehr zahlen können. "Das Schöne ist, es funktioniert wirklich: Es sind tatsächlich Leute bereit, mehr zu geben, wenn sie es können", sagt Laura Walzer.
Empfehlungen zu umweltfreundlicher Nutzung
Verpflichtend ist der solidarische Ansatz für die Vergabe von Kirchenland nicht. Allerdings werden innerhalb der Nordkirche und anderen Landeskirchen Empfehlungen diskutiert, wie Kirchenland möglichst umweltfreundlich und klimaschonend genutzt werden kann.
Theologisch begründet ist dies folgendermaßen: "Gott gab uns Menschen die Erde, um sie zu nutzen und zu bewahren – für uns, für zukünftige Generationen und im Einklang mit der gesamten Schöpfung."
"Dieser Auftrag gilt auch und ganz besonders für Land im Eigentum der Kirche. Hier können wir ganz unmittelbar und direkt Verantwortung übernehmen, indem wir die Landbewirtschaftung naturverträglich gestalten", heißt es auf dem Infoportal Kirchenland.
Regional und ökologisch fühlt sich richtig an
Wer mehr mehr über eine ökofaire Nutzung von Kirchenland erfahren möchte, findet auf diesem Portal Praxisbeispiele und Ansprechpartner. Darunter ist auch Familie Walzer. Für sie ist ein Landbau, der der Artenvielfalt dient, selbstverständlich.
Auch das Prinzip Solawi ist für sie erfüllend. "Am allerwertvollsten ist der direkte Kontakt mit den Leuten, die das wertschätzen, was man liebevoll angebaut hat", sagt Laura Walzer. Noch sei das Modell nur in einem relativ kleinen Rahmen möglich.
Ein Modell mit Zukunft
Johannes Walzer ist jedoch überzeugt: "Das hat ein großes Potenzial, einen Wandel voranzutreiben". Denn gerade in einer von Klima- und Umweltzerstörung bedrohten Welt, wollten die Menschen zunehmend wissen, wo und wie ihre Lebensmittel produziert werden.