Weiterhin viele Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht
13. April 2022
Die Diakonie Schleswig-Holstein hat ihre Wohnungslosen-Statistik 2021 veröffentlicht: Demnach verharrt die Zahl der Menschen, die die Wohnungslosenhilfe ansteuern, auf hohem Niveau. 2022 könnte sie stark steigen, befürchtet die Diakonie.
Im vergangenen Jahr haben 7.833 Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein in Anspruch genommen. Das sind gut 800 mehr als 2020 und fast genauso viele wie 2019. Brennpunkte der Wohnungslosigkeit bleiben die kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster, so das Ergebnis der Auswertung.
Lage in Kiel besonders dramatisch
Betroffen sind aber auch die ländlicheren Gebiete, vor allem an der Westküste und im Hamburger Umland. Besorgniserregend ist aus Sicht der Diakonie die Entwicklung in Kiel. Die Einrichtungen der diakonischen Wohnungslosenhilfe in der Landeshauptstadt registrierten mit 1.995 Ratsuchenden fast 500 mehr als im Vorjahr. Insgesamt geht die Diakonie davon aus, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegt.
Diakonische Einrichtungen im ganzen Land berichten, dass die Zahl der Ratsuchenden, denen eine Zwangsräumung ihrer Wohnung oder eine Zwangsversteigerung von Wohneigentum bevorsteht, nach dem vorrübergehenden Stopp im Jahr 2020 in den vergangenen Monaten zugenommen hat. Grund seien oft ein Jobverlust oder mehrmonatige Kurzarbeit während der Pandemie.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Darüber hinaus weisen immer mehr Rat- und Hilfesuchende ernsthafte psychische Erkrankungen auf, die für die Beratenden eine zusätzliche Herausforderung darstellen. Das gilt vor allem für Menschen, die komplett auf der Straße leben. Deren Situation hat sich nach Auskunft der Beratungsstellen und Tagestreffes während der Pandemie weiter verschärft. Es sei immer schwerer, sie zu erreichen.
Angesichts der aktuell steigenden Lebenshaltungskosten geht Diakonie-Vorstand und Landespastor Heiko Naß von einer Zuspitzung der Lage aus. „Wir müssen also dringend gegensteuern. Dazu gehört, dass die Wohnungslosenhilfe besser ausgestattet und Standards bei der Unterbringung von Wohnungslosen erhöht werden. Vor allem aber müssen wir gemeinsam mit Land und Kommunen alles dafür unternehmen, dass Menschen erst gar nicht ihre Wohnung verlieren!“, sagte er.
Einheitliche Standards erwünscht
Neben dem Ausbau der Prävention fordert die Die Diakonie flächendeckende Standards in der Notunterbringung. Dazu gehöre etwa die Unterbringung in Einzelzimmern. Das Übernachten in Gruppenräumen sei für die meist psychisch und gesundheitlich angeschlagenen Personen eine unannehmbare Herausforderung. Darüber hinaus müsse die sozialpädagogische Betreuung in den Notunterkünften ausgebaut werden. Nur so sei es möglich, gemeinsam mit den Betroffenen Auswege aus der Wohnungslosigkeit zu finden.
Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, ist es aus Sicht der Diakonie wichtig, finanzielle Entlastungen zu schaffen. Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro ab Oktober sei ein richtiger Schritt in diese Richtung. Gleichtzeitig sei aber auch die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes notwendig, so Diakonie-Vorstand Naß. Ein Vorschlag ist zudem eine Energiezuschlag für einkommensschwache Haushalte.