Ein Besuch in Rehna: Ein Kloster voller Sinnlichkeit und Überraschungen
16. Juli 2024
Sehen, riechen, hören, fühlen – im Kloster Rehna erwachen alle Sinne. Im Garten duftet es nach Blumen und Kräutern, im Museum erklingen mittelalterliche Gebetslieder, Wasser plätschert aus unterirdischen Quellen und wer genau hinschaut, sieht vielleicht Gespenster. Ein Rundgang voller Entdeckungen.
Die Steintreppe hoch, fast geschafft, der erste Blick in den Raum ist beinahe gespenstisch. Dort huschen sie die Wand entlang – eine, zwei, langsam, schnell, manchmal hin und zurück. Nonnen im schwarz-weißen Gewand erwachen im ersten Stock des Klostermuseums in Rehna scheinbar zum Leben.
Die leichtfüßige Projektion hat etwas Verführerisches: Was passiert als Nächstes? Kommen die jungen tänzelnden Frauen wieder oder die alte Nonne, die etwas gebeugt geht?
Diese Videoinstallation ist nur ein Beispiel für die klugen, man könnte auch sagen charmanten, Einfälle der Ausstellungsmacher. Denn ihre Ideen zaubern den Besucherinnen und Besuchern ein Lächeln ins Gesicht. Das könnten sie sogar in einem Spiegel unter einem Fenster zum Innenhof kontrollieren. Oder doch nicht? Er steht zu schräg nach oben gekippt. Zu sehen ist darin das wunderschöne Deckengewölbe – ein kleiner Trick, damit niemand vergisst, in diesem ehemaligen Gotteshaus nach oben zu schauen.
Viel erfahren und innehalten
Das Konzept stammt von dem Historiker Ralf Gehler aus Schwerin. Die Dauerausstellung wurde im November 2022 eröffnet. Die Besucherinnen und Besucher können im lichtdurchfluteten Kreuzgang jeweils innehalten und die gut lesbaren Texttafeln und anschaulichen Illustrationen studieren. Hier und da können sie einen Knopf drücken, um visuell oder akustisch in die Geschichte und den Alltag der Nonnen einzutauchen.
Gesänge im Kloster
Die gesungenen Gebete der frommen Frauen erfüllen das hohe Gewölbe des Kreuzgangs, als ob sie nebenan wären. Drei kleine glänzende Tasten laden dazu ein, einen der hingebungsvollen Gesänge auszuwählen. Der Gesang spielte bei den stundenlangen Gebeten und Messen eine bedeutende Rolle in diesem Kloster. Die Akustik ist hervorragend in dem mehr als 700 Jahre alten Gebäude, dessen Bau 1236 begonnen wurde.
Vom Rosenkranz in der Vitrine ist nur ein Teil erhalten geblieben, er wirkt umso wirklichkeitsnaher. Ein Kienspanhalter mit im Wandschrank zeigt, wie im Kloster mit den hölzernen harzigen Anzündern Licht gemacht wurde.
Kinder können das Kloster nachbauen
Mit einer kleinen gemalten Fledermaus sind die extra für Kinder formulierten Erklärungen markiert. Im ersten Stock können sie sogar das Klostergebäude selbst nachbauen.
Ein Schreibblock erzählt vom Lernen und Wissen der Ordensfrauen – ein weiterer von etlichen Gegenständen, die Kindern und Erwachsenen eine Vorstellung davon geben, dass Menschen im Mittelalter gar nicht so anders als wir waren, auch wenn sie ganz anders lebten. Die Geschichte des Klosters im Überblick (Stadt Rehna)
Im Klostergarten blüht es wieder
Viele Stunden am Tag beteten die Ordensfrauen. Im gut abgeschirmten Nonnengarten – umrahmt von den Kreuzgängen – gingen sie spazieren; heute finden dort Konzerte statt. In welchem Maße sich die Nonnen von Rehna der Pflanzen- und Heilkunde widmeten, ist nicht bekannt. Den heutigen Klostergarten gab es in der Blütezeit des Klosters im 14. und 15. Jahrhundert nicht. Ihn legten die engagierten Frauen des Klostervereins erst Jahrhunderte später an und weihten ihn 2004 ein.
Geheimnisse der Pflanzenwelt
Mit jedem Schritt ein neuer Duft: Heilpflanzen, Kräuter, christliche Symbolpflanzen und Bauerngarten- und Wiesenblumen verbreiten würzige, süße und fruchtige Noten. Lavendel, Johanniskraut, Alant, Schafgarbe, Liebstöckel, Frauenmantel, Thymian, Bertram und viele andere Pflanzen wachsen zwischen den strahlenförmig angelegten Pfaden.
Auf deren Wirkung schwor schon die Äbtissin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert. Der Gärtner Daniel Kruse und die Gärtnerin Gaby Kloß pflegen den rund 300 Quadratmeter großen Garten.
In die Geheimnisse dieser Pflanzenwelt weiht Elke Lenschow die Besucherinnen und Besucher ein. Sie und weitere Mitglieder des Klostervereins bieten Führungen an und betreuen auch den Garten weiterhin mit.
Von der Vielfalt und der Bandbreite, was Pflanzen alles bewirken können, erzählt die Gartenbauingenieurin mit Begeisterung: Die heilende Wirkung bei Magen-, Darm- und Erkältungskrankheiten, die symbolische Bedeutung der Gewächse im Bibelgarten, die sinnliche Ausstrahlung von Duft und Farbe und die wirtschaftliche Nutzung – zum Beispiel als Färbemittel, sind Stoff für die Rundgänge im Schatten des Klosters.
Respekt vor der Natur
„Der Apfelbaum steht in der Mitte unseres Klostergartens, das ist der Ort, an dem ich über die Schöpfungsgeschichte spreche, unter dem Baum der Erkenntnis“, sagt Elke Lenschow. Biblische und philosophische Erzählungen flechtet sie in ihre pflanzenkundliche Führungen ein. Der Respekt vor der Natur liegt ihr am Herzen. „Wir Menschen sind nur ein Teil der Schöpfung, die Pflanzen waren vor uns da und haben seit jeher eine große Bedeutung für unser Leben.“
Farben, Blatt- und Blütenformen, Düfte – wer mit Elke Lenschow die schmalen Wege des Gartens durchstreift, sieht plötzlich lauter Details – auch kleine Insekten, Käfer, Schnecken und Bienen.
Pastor und Bienenzüchter
„Die Bienen sind die Seele eines Gartens, sie verbinden alles miteinander“, sagt Pastor Andreas Ortlieb. Eines seiner zehn Bienenvölker lebt hier hinter einer kleinen Hecke. Das ist ein Sichtschutz, hat aber noch eine weitere Funktion: Wenn die Tiere den Bienenstock verlassen, müssen sie hochfliegen. So kreuzen die Gartenbesucher:innen nicht ihre direkte Flugbahn, erklärt der erfahrene Imker.
Der Pastor ist seit 45 Jahren Bienenzüchter. In Klöstern habe es immer Bienenstöcke gegeben, sagt er, schon allein wegen der Honig- und Wachsproduktion. Andreas Ortlieb teilt sein Wissen über den Jahreszyklus der Bienen, das Aufbrausen im Mai und die Bedeutung der vielen Linden im Ort mit Gästen, gerne auch mit Kita-Kindern und Schülerinnen und Schülern oder Pilger:innen, die in der frisch renovierten Rehnaer Pilgerstätte hinterm Pastorat Rast machen.
Erholung bieten auch Barfußpad, Klostercafé und Pilgerherberge
Viel gesehen, viel gelernt, viel gelaufen: Auch wenn für den Barfußpad keine Energie mehr da ist, hinter dem Kloster wartet auch das Kneipp-Becken mit wunderbar kühlem Wasser. Es wird gespeist aus dem einem der fünf artesischen Brunnen in Rehna, eine geologische Besonderheit, die immer für sprudelndes Wasser sorgt. Kreislauf aktiviert, Wissensdurst gestillt – im Klostercafé wartet selbstgebackener Kuchen.