Gauck über die Kraft von Taizé: "Eine Leuchtkraft, die andere ansteckt"
30. Dezember 2022
Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat das Taizé-Jugendtreffen in Rostock besucht. Dabei sprach der Theologe, der sich zu DDR-Zeiten als Friedensaktivist engagierte, auch über seinen eigenen Glauben.
Gauck sprach unter anderem das Mittagsgebet mit den Jugendlichen. Bei einer Pressekonferenz ging der gebürtige Rostocker überdies hinaus auch auf seine eigene Beziehung zur Taizé-Spiritualität ein. Dabei sagte er, dass er in jüngeren Jahren damit nicht viel anfangen konnte. „Ich fand die liturgischen Traditionen fragwürdig. Ich komme ja aus einer Seemannsfamilie, fragte nach dem Sinn des Lebens und war politischer. Deshalb habe ich mich darüber eher gewundert.“
Tiefe, spirituelle Sehnsucht
Erst später sei ihm aufgegangen, dass ohne diese Spiritualität „einfach etwas fehlt“. Er habe erfahren, dass ein solcher Glaube sehr tröstlich sei. „Der Glaube verdorrt, wenn er sich nur ins Denken verflüchtigt. Es gibt eine tiefere Verbindlichkeit als nur das Denken.“
Der Pastor setzte sich in der DDR für Menschenrechte und Frieden ein, stets streng beobachtet von der Stasi. „In den kirchlichen Jugendgruppen wuchs in den 80er Jahren der Wille, der Diktatur etwas entgegenzusetzen; die Menschenrechts- und Friedensthematik spielte eine Rolle, wie auch Umweltthemen. Und bei so manchen entdeckte ich eine spirituelle Sehnsucht“, sagte er in seiner Rede anlässlich des Taizé-Mittagsgebets.
Innere Stärke in Zeiten der Diktatur
„Ohne mein Zutun tauchten plötzlich Hymnen, Meditationen und Gebete aus Taizé auf, nicht nur Themen spielten dann eine Rolle, sondern ein tieferes spirituelles Miteinander wurde gesucht. Viele Menschen brauchten ja eine innere Stärke, um in Zeiten der Diktatur einen eigenen Weg, auch einen eigenen Glaubensweg zu wagen“, erklärte Gauck.
Beim Mittagsgebet stellte er das Licht und seine Symbolik in den Vordergrund. Junge Menschen könnten eine Leuchtkraft entwickeln, die andere anstecke. Ihm seien im Laufe seines Lebens viele solcher Menschen begegnet.
Ein Licht für andere
Und auch jetzt brauche es solche Menschen, die anderen ein Licht seien, die sich mit ihren Fähigkeiten und Kräften engagierten – weltweit oder vor der eigenen Haustür.
„Und wenn ich nun auf Eure Versammlung im Geiste von Taizé sehe, dann stelle ich mir vor, dass Ihr nicht singt, betet und diskutiert um aus der Welt zu fliehen, sondern dass Eure Suche nach dem, was die Welt nicht geben kann, Euren Glauben stärkt, der diese Welt nicht verachtet, sondern sie besser machen will“, schloss Gauck seine Rede.