Halbzeitbilanz der Landesbischöfin: „Hier steht das im Mittelpunkt, was uns verbindet”
05. September 2022
Noch bis zum kommenden Donnerstag treffen sich rund 4000 Christinnen und Christen aus mehr als 350 Mitgliedskirchen weltweit zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Es gibt rund 800 offizielle Delegierte, die auch wählen und über Beschlüsse und Leitlinien abstimmen dürfen. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt ist eine von ihnen. Hier zieht sie eine erste Halbzeitbilanz.
Zum ÖRK gehören Kirchen und christliche Religionsgemeinschaft in mehr als 120 Ländern. Sie vertreten rund 580 Millionen Christinnen und Christen: orthodoxe, anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte sowie viele Mitglieder vereinigter und unabhängiger Kirchen. Mehr erfahren
Die Evangelische Kirche in Deutschland hat 13 offizielle Delegierte für die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen bestimmt. Sie beraten über Positionen und Lösungen für die drängendsten Probleme und Fragen unserer Zeit: Den Klimawandel, gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Rassismus, Armut, Migration oder Gendergerechtigkeit. Mehrere tausend internationale Gäste und Engagierte in den Themen der weltweiten Ökumene nehmen darüberhinaus an Begegnungsprogrammen, Workshops und Exkursionen teil.
Zur Halbzeit der Vollversammlung beantwortet Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hier erste Fragen.
Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte, über die Sie hier gemeinsam mit den anderen Delegierten sprechen? Welche Themen sind aktuell besonders wichtig?
„Hier in Karlsruhe sind aktuell mehrere Themen besonders wichtig. Insbesondere die junge Generation bringt das Thema Klimawandel und Klimagerechtigkeit als dringlichstes Thema in die ökumenische Bewegung ein.
Viele junge Delegierte haben mir aber auch erzählt, dass es für sie weitere wichtige Themen gibt: Fragen der weltweiten Gesundheitsfürsorge, insbesondere für Frauen und Mädchen, soziale Gerechtigkeit und die zukünftigen Bedingungen von Arbeit. Sie sehen alle diese Themen nicht ausschließlich als gesellschaftspolitische Themen, sondern suchen nach Orientierung aus der Perspektive des christlichen Glaubens.“
Werden auch aktuelle politische Themen angesprochen?
„Der Angriffskrieg auf die Ukraine ist in vielen Gesprächen Thema. Allerdings ist es nicht einfach, direkt mit den Teilnehmenden aus Russland oder der Ukraine ins Gespräch zu kommen. Ich freue mich aber, dass eine Delegation aus der Ukraine hier vor Ort sein kann, wobei auch dort Differenzen untereinander spürbar sind.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Verhältnis zwischen Israel und Palästina.
Für viele Kirchen ist außerdem Rassismus ein akutes Thema. Denn zur bedrückenden Alltagserfahrung vieler Menschen in der Welt gehört es, Rassismus oder Benachteiligung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht zu erleben.
Und nicht zuletzt geht es natürlich immer wieder darum, wie der christliche Glaube im jeweiligen Kontext der Teilnehmenden in den unterschiedlichen Regionen der Welt praktiziert und gefeiert wird. Und auch darum, wie in aller Unterschiedlichkeit Einheit und Gemeinschaft erfahrbar wird.“
Was nehmen Sie mit in die Nordkirche?
Impressionen und aktuelle Beiträge von Teilnehmenden aus der Nordkirche
”Für alle, die aus der Nordkirche hier sind, ist sicher die Erfahrung bereichernd, wie unterschiedlich der christliche Glaube in der Welt gelebt und gefeiert wird, und wie in dieser Unterschiedlichkeit dennoch Gemeinsames gelingt. Viele Begegnungen hier zeigen unsere Unterschiedlichkeit und zugleich, dass wir dennoch in Jesus Christus eine uns alle verbindende, gemeinsame Mitte haben.
Viele Kirchen leben schon lange in extremen Minderheitensituationen engagiert und sichtbar ihren christlichen Glauben. Demgegenüber hat manche Sorge, ob 50 Prozent Kirchenmitgliedschaft in unserem Land zur Irrelevanz der Kirche führen könnte, kaum eine Berechtigung.“
Welche Begegnung oder welches Gespräch war besonders eindrücklich?
„Es fällt mir schwer hier einzelne Situationen herauszuheben. Ich möchte aber drei Eindrücke benennen. Eindrücklich waren für mich Begegnungen mit und Erzählungen von Menschen aus indigenen Bevölkerungsgruppen. Sie berichten eindringlich, wie sehr der Klimawandel sie bereits jetzt in existenzgefährdende Situation bringt.
Mich berührt auch, dass viele Frauen auf mich als Bischöfin zukommen, das Gespräch suchen und um gemeinsame Fotos bitten. Für sie sind Begegnungen mit einer weiblichen Bischöfin Unterstützung und Bestärkung, um auch in ihren Kirchen als Frauen selbstbewusst theologische Positionen zu vertreten und Leitungsaufgaben wahrzunehmen.
Und dann erlebe ich die täglichen Gottesdienste als Stärkung meines eigenen Glaubens. Die unmittelbare Erfahrung in eine weltumspannende Gemeinschaft von Christenmenschen zu gehören, in der der Glaube mit sehr unterschiedlichen Formen und mit einer großen Bandbreite von Kirchenmusik praktiziert wird, ist für mich beglückend.“
Warum sind Treffen wie diese gerade heute so wichtig?
„In einer Welt, in der Spaltungen und Konflikte drohen oder bereits wachsen, ist diese Vollversammlung von großer Bedeutung. Denn hier steht das im Mittelpunkt, was uns verbindet: der Glaube an Jesus Christus.
Das von unserem Glauben eine Kraft zu Gemeinschaft und Miteinander auch über diese Versammlung hinaus ausgeht, das hoffe ich sehr und darauf vertraue ich auch. „Machen“ kann man das nicht, allerdings kann jede und jeder von uns versuchen, etwas dazu beizutragen. All das dient dem Frieden in einer gefährdeten und verletzlichen Welt.“