Helgolands Kantor und sein Traum von der Klimafriedensinsel
07. Juli 2021
Helgoland war über Jahrhunderte Zankapfel der Herrschenden: Erst dänische, dann britische, schließlich deutsche Insel. In den Weltkriegen war sie Militärstützpunkt. Als verhasstes Symbol des Nazi-Regimes wurde sie 1945 schließlich von den Briten zerbombt. Heute setzt sich Kantor Gerald Drebes dafür ein, dass sie "Klimafriedensinsel" wird. Ein ebenso ehrgeiziges wie bewunderswertes Projekt.
Seeräubernest, Warenumschlagsplatz, Militärstützpunkt und exklusives Seebad: Helgolands Geschichte liest sich wie ein Abenteuer-Roman und auch heute noch ist die Insel ein faszinierendes Fleckchen Erde. Denn sie liegt fast 50 Kilometer vom Festland entfernt in der Nordsee. Jedes Medizinfläschen, jeder Farbeimer und jedes Grundschulheft muss über den See- oder Luftweg beschafft werden. Im Sommer ist die Insel von Tagesausflüglern bevölkert, im Winter einsam und sturmgebeutelt.
Erderwärmung ist größte Bedrohung
Gerald Drebes mag die Insel mit ihren Menschen und allen Naturgewalten so wie sie ist. Seit 2017 ist er Kantor der Kirchengemeinde Helgoland. Es ist kein Job wie jeder andere. Denn er ist nicht nur für seine Gemeinde, sondern auch für die vielen Touristen da, für die er jedes Jahr ein Sommerprogramm ausarbeitet. Bis auf 2020 – da musste es coronabedingt Richtung Herbst verschoben werden.
Im Nachhinein ist das vielleicht ein Glücksfall. Denn die Corona-Beschränkungen, die auch eine Zwangspause der Gruppenarbeit nach sich zogen, gaben Drebes die Zeit, ein anderes Projekt anzustoßen, das ihm sehr am Herzen liegt: Er möchte Helgoland zur Klimafriedensinsel machen.
"Klimafrieden ist DIE Aufgabe unserer und kommender Generationen", sagt der Kirchenmusiker. Gelinge es nicht, die Erderwärmung zu stoppen, werde der Klimawandel zu einem unerbittlichen Kampf um Wasser und fruchtbaren Boden führen – mit katastrophalen Folgen für die Menschheit, ist er überzeugt.
Insel mit Vorbildfunktion
Helgoland könne aufgrund seiner Geschichte und einer gewissen Prominenz in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem Aushängeschild für diesen Klimafrieden werden, erklärt er seine Idee. Bereits seit den 50er Jahren existiert der Wunsch, dass Helgoland eine "Friedensinsel" wird: Nach den fatalen Bombardierungen und Sprengungen durch die Briten sollte Helgoland nie wieder für militärische Zwecke missbraucht werden, so der Wille der deutschen Spitzenpolitiker.
Um dies in aller Konsequenz durchzusetzen und auch in Umweltbelangen Vorbild zu werden, braucht es allerdings mehr. Die Insel sei da auf einem guten Weg und fortschrittlicher als viele andere Regionen, betont Drebes: Die Windparks, die Vogelwarte Helgoland, der Naturschutzverein Jordsand, das Forschungsinstitut AWI und das geplante Wasserstoffzentrum "AquaVentus" seien dafür nur einige Beispiele. Jetzt gelte es, diese Entwicklungen publik zu machen, um das Klima-Bewusstsein auch anderswo zu stärken.
Konzerte für den Frieden
Kantor Drebes bietet dazu "Musik für den Frieden" an. In Kooperation mit der katholischen Kirchengemeinde sind ebenso Friedensgottesdienste angedacht. Zudem lädt er auch zu Friedenskonzerten ein, die den Frieden sowohl in Natur- und Klimabelangen als auch in militärischer Hinsicht thematisieren.
In diesem Sommer gab es bereits ein Friedenskonzert mit Gambistin und Echo-Klassik-Preisträgerin Simone Eckert. Ein weiteres im größeren Rahmen ist schon für 2022 geplant: Am Sonntag, 17. April, soll es an den 75. Jahrestag der Inselzerstörung erinnern. Die Briten hatte diese mittels Sprengungen unternommen, um 1947 alle noch verbliebenen Militäranlagen zu vernichten. Ein traumatisches Erlebnis für die Insulaner, das bis heute nachwirkt.
Ein "Klimafriedenssong" ist in Arbeit
Deswegen möchte Kantor Drebes diesen Tag nutzen, um europaweit auf das unfassbare Leid aufmerksam zu machen, das jeder Krieg hervorruft. "Es gibt so viel zu tun. Und ich bin kräftig dabei, über unseren kleinen Tellerrand hinaus zu blicken", sagt der Kantor über seine Zukunftspläne.
Dazu gehört etwa, dass er einen Helgoländer Klimafriedenskanon nach der Melodie von "Bruder Jakob" geschaffen hat. "Das kann jeder mitsingen – vom Dreijährigen bis zur 90-Jährigen", sagt er. Folgen sollen ein Helgoländer Friedenssong und Klimafriedenssong – "Musikschaffende aller Art sind eingeladen, sich komponierend und musizierend zu engagieren", sagt Drebes.
Vielleicht werden diese ja bald nicht nur in der Helgoländer Kirchengemeinde, sondern im ganzen Land gesungen. Es wäre dann ein kleines Steinchen, das vieles ins Rollen bringen könnte – eine Art Kettenreaktion für den globalen Klimafrieden – und Drebes großer Traum.