Hilfe gegen den Tod im Mittelmeer
30. November 2020
Noch sieht die "Sea-Eye 4" ziemlich abgerockt und unspektakulär aus. Sie liegt im Rostocker Hafen eingekeilt zwischen Kaimauer und Schwimmkran, und es ist schwer erkennbar, was für ein Schiff das genau ist. Doch zwei Dutzend Freiwillige arbeiten seit vier Wochen daran, sie zum Rettungsschiff umzubauen, das ab Frühjahr 2021 Ertrinkende aus dem Mittelmeer retten soll.
Für die kommende Woche haben sich noch mal genauso viele Helfer zusätzlich angekündigt. Der Regensburger Verein Sea-Eye hat das ehemalige Offshore-Versorgungsschiff mit Hilfe des zivilen Bündnisses United4Rescue gekauft und leitet jetzt die Umbauarbeiten in Rostock. Der Plan sei, dass das Schiff Ende Januar, Anfang Februar fertig ist und ins Mittelmeer überführt werden kann, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye. "Im März oder April könnte die 'Sea-Eye 4' dann zu ihrer ersten Mission starten."
Insgesamt werden Anschaffung, Umbau und Überführung etwa eine Million Euro Spendengelder kosten. Die Kampagne #WirSchickenNochEinSchiff soll dabei helfen, dieses Geld zusammenzubekommen.
"Dieses Schiff ist genau das, was wir suchten und brauchten."
Das 55 Meter lange Schiff ist 48 Jahre alt und hat bisher Baumaterialien auf der Ostsee transportiert. Für den Einsatz als Rettungsschiff sei es besonders gut geeignet, weil es zwei große Decks hat, sagt Jörg Beiler, der die technische Leitung hat. "Dieses Schiff ist genau das, was wir suchten und brauchten." In den nächsten Tagen werden die zwei riesigen Seilwinden auf dem Achterdeck abgebaut. Stattdessen kommen dort zwei große Container als Notunterkunft für die geretteten Geflüchteten hin. Es wird eine große Krankenstation aufgebaut, und im Rumpf, wo bisher Zement gelagert wurde, soll Stauraum für Kleidung, Wasserflaschen und Rettungswesten geschaffen werden.
In die bisherigen Einzelkabinen werden Doppelstockbetten gebaut. Die Messe wird vergrößert, damit es einen Ort gibt, an dem die Crew sich in Ruhe versammeln kann - für Briefings, Besprechungen und Mahlzeiten. An Bord wird immer wie vorgeschrieben eine Crew von neun Hauptamtlichen sein - plus bis zu 17 Freiwillige, Ärzte und Journalisten.
Freiwillige Helfer aus ganz Deutschland
Derzeit stehen noch überall Kisten und Eimer, liegen Arbeitsgeräte und Pläne, es riecht nach Öl und Diesel. Über das ganze Schiff verteilen sich die freiwilligen Helfer und schweißen, sägen, messen und planen. Sie kämen aus ganz Deutschland und aus allen möglichen Berufen, sagt Isler. Schiffbauer seien ebenso dabei wie Menschen aus Bürojobs, "die machen dann halt Hilfsarbeiten, da brauchen wir auch viele Hände." Als es schon dämmert, kommt Daniel Hempel (31) aus Detmold mit großem Seesack auf dem Rücken über die Gangway. Der Erzieher war bereits auf der "Alan Kurdi" von Sea-Eye aktiv. "Ich habe ein paar Tage frei und helfe bei den Umbauarbeiten", sagt er und steigt über eine große Kabeltrommel.
Das Ziel: Menschenleben retten
Wenn das Schiff einsatzbereit ist, werden Helfer mit zwei festen Schlauchbooten, sogenannten Ribs (engl. "Rigid Inflatable Boat"), Menschen vor dem Ertrinken aus dem Mittelmeer retten. Von zwei festen Kränen aus ("Davits") können diese innerhalb von fünf Minuten ins Wasser gelassen werden. An Bord der Ribs wird immer jeweils ein Einsatzfahrer, ein Kommunikator und ein medizinischer Helfer sein. Durch eine Rettungspforte an Bord der "Sea-Eye 4" werden die Geflüchteten in Empfang genommen.
Das Schiff soll den Heimathafen Regensburg bekommen, wo der Verein seinen Sitz hat. Beim ersten Sea-Eye-Schiff, der "Alan Kurdi", ist es Hamburg. Aber die Hansestadt habe nicht deutlich gemacht, dass ihr das Thema Menschenrettung viel bedeute, kritisiert Isler. "Außer warmen Worten kommt da nicht viel", sagt er und verweist auf das Bekenntnis zum "Sicheren Hafen". Bei der Aufnahme von Menschen aus den griechischen Lagern ist ihm Hamburg viel zu zurückhaltend.