Weltweites Kerzenleuchten

"Himmelsgrüße": Gottesdienst für verstorbene Kinder

Mutter Daniela Wulff (l.) und Pastorin Mareike Hansen mit dem Regenbogen-Banner, auf dem die Schmetterlinge mit den Namen der verstorbenen Kinder angebracht werden.
Mutter Daniela Wulff (l.) und Pastorin Mareike Hansen mit dem Regenbogen-Banner, auf dem die Schmetterlinge mit den Namen der verstorbenen Kinder angebracht werden.© KKLL-Annkathrin Bornholdt

06. Dezember 2022 von Annkathrin Bornholdt

Jedes Jahr werden am zweiten Sonntag im Dezember weltweit Kerzen für verstorbene Kinder angezündet. Auch in Lübeck haben verwaiste Eltern dieses Jahr einen Lichterwellen-Gottesdienst vorbereitet. Er findet am 11. Dezember 2022 um 19 Uhr in der Kirche St. Lorenz der Laurentiusgemeinde am Steinrader Weg statt.

"Mein Sohn sollte die ganze Welt sehen. Jetzt will ich ihn der Welt zeigen", sagt Daniela Wulff mit fester Stimme. Erst vergangenes Jahr ist ihr Sohn im Alter von fast vier Jahren tödlich verunglückt. Jetzt sitzt die Mutter hier in der Lübecker St. Lorenz-Kirche, spricht über ihren schweren Verlust und hat zudem noch einen Gottesdienst für verwaiste Eltern mitorganisiert. Sie selbst war nie besonders gläubig, suchte aber nach dem Tod ihres Sohnes schnell Kontakt zur Gruppe verwaister Eltern des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Sie wollte erfahren, wie diese Eltern es schafften 
weiterzuleben.

Im Dezember 2021 besuchte Daniela Wulff das erste Mal den Gottesdienst für verwaiste Eltern in Lübeck: "Für mich war es sehr besonders, weil ich wusste, hier in der Kirche sitzen nur Betroffene oder betroffene Angehörige, Eltern, Großeltern. Man fühlt sich nicht so isoliert und allein mit seiner Trauer und seinem Zustand." 

Hilflosigkeit sei kein Zustand, in dem sie es lange aushalte, sagt Wulff. Die berufliche Erfahrung aus der Veranstaltungsbranche habe ihr geholfen, aktiv zu werden. So sei es auch schon bei ihrem schwerkranken Vater vor einigen Jahren gewesen, den sie intensiv begleitete.

Angst und Schweigen im Umgang mit trauernden Eltern

Wenn ein Kind stirbt, dann sind viele Menschen im Umfeld zunächst fassungslos, manche verstummen sogar. Daniela Wulff nimmt eine große Unbeholfenheit und Ratlosigkeit im Umgang mit trauernden Eltern und Familien wahr. "Das Thema muss sichtbar gemacht werden", ist sie überzeugt. Sie weiß, wie viele Eltern es erleben, dass Menschen aus ihrem engsten Umfeld den Kontakt mit ihnen abbrechen. Es gibt Familien, in denen einige das Thema totschweigen. "Auf der einen Seite ist das sehr verletzend, auf der anderen Seite zeigt es, wie hilflos sie vor dieser Situation stehen", so Wulff. 

Mit Trauernden über die Hilflosigkeit sprechen 

Es sei wichtig, immer wieder auf die Trauernden zuzugehen: "Die Menschen wollen trösten und wissen nicht wie, weil jeder anders trauert. Was für den einen hilfreich ist, das ist für jemand anderen sehr verletzend." Über diese Hilflosigkeit müsse man ins Gespräch kommen, sagt Wulff: "Bevor ihr mir nichts sagt, sagt mir genau das: Dass ihr nicht wisst, was ihr sagen sollt. Es geht darum zu sagen: Ich habe Angst, alles falsch zu machen."

"Himmelsgrüße": Momente der Verbindung zum Kind 

Gottesdienst "Weltweites Kerzenleuchten" für verstorbene Kinder am 12. Dezember, 19 Uhr; Kirche St. Lorenz, Steinrader Weg 10, 23558 Lübeck 

Die Pastorin und Trauerseelsorgerin Mareike Hansen hat mit der Gruppe verwaister Eltern den Gottesdienst in St. Lorenz geplant. Er steht diesmal unter dem Motto "Himmelsgrüße". Gemeint sind damit die Momente, Rituale und Botschaften, die Eltern nach dem Verlust mit ihrem Kind in Verbindung bringen. So berichten viele Eltern, dass sie vermeintliche Kleinigkeiten im Alltag wie einen Gruß ihres Kindes empfinden. "Es gibt Dinge, die über das Symbol hinausgehen. Menschen spüren, es kommt etwas aus einer anderen Wirklichkeit, das von den Kindern kommt. Es gibt dann eine starke Gewissheit. Das ist unglaublich tröstend“, berichtet Hansen. 

Für Daniela Wulff war es ein Schmetterling, der angeflogen kam, als es ihr sehr schlecht ging. Für andere Eltern ist es ein bestimmtes Lied, das sie immer wieder hören, um ihrem Kind nahe zu sein. Um solche Momente der Nähe soll es in dem Gottesdienst gehen. Ganz wichtig und zentral ist dabei, dass die Eltern die Namen ihrer Kinder vortragen. Sie werden auf einen Schmetterling geschrieben und anschließend gut sichtbar auf ein großes Laken mit einem Regenbogen geklebt.

Raum für Trost, Dankbarkeit und Freude 

"Die Kirche wird voll mit Kerzen sein", sagt Pastorin Mareike Hansen. Und so wird es um 19 Uhr an vielen Orten auf der Welt sein, wo Familien an diesem Tag ihrer verstorbenen Kinder gedenken. Mit der Zeitverschiebung geht so eine Lichterwelle um die Welt, die dem Gottesdienst auch seinen Namen gegeben hat. Die Idee dazu entstand 1996 in den USA.

Eine Kerze brennt hinter einer beschlagenen Glasscheibe.
Weltgedenktag für verstorbene Kinder: Das Licht steht für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben lässt. © Igor11105, iStockphoto

"Es kommen auch viele, die mit Gott nichts anfangen können“, berichtet die Pastorin. "Aber es gibt den festen Glauben, dass die Kinder gut aufgehoben sind." Viele finden Trost in der Gemeinschaft. Dabei soll nicht nur die Trauer im Mittelpunkt stehen, sagt Hansen: "Wir erinnern uns auch an wunderschöne Momente. Das Traurige ist sowieso da, das Dankbare und die Freude über diese Kinder muss auch da sein. Wir feiern in der Hoffnung, dass die Kinder das mitbekommen!" 

So werden einige Eltern ihre persönlichen Gedanken vortragen und auch für Musik wird es ausreichend Raum geben. Manche Familien haben Kerzen für ihre Kinder gestaltet, für jeden Schmetterling wird eine weitere Kerze angezündet. Auch Großeltern und Geschwisterkinder, Freunde sind ausdrücklich eingeladen zu kommen. Der bevorstehende Gottesdienst erfüllt Mutter Daniela Wulff mit Trauer und Freude zugleich: "Es ist ein besonderer Tag für besondere Kinder im Herzen und der soll so besonders und so schön sein, wie es geht." 
 

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