Drei Fragen an den Schweriner Historiker Christoph Wunnicke

Kriegsende: Historiker plädiert für mehr Forschung nach Tätern

Die Kriegsgräber- und Gedenkstätte Golm auf der Insel Usedom nahe der Deutsch-Polnischen Grenze ist Ruhestätte von tausenden Toten des Zweiten Weltkrieges.
Die Kriegsgräber- und Gedenkstätte Golm auf der Insel Usedom nahe der Deutsch-Polnischen Grenze ist Ruhestätte von tausenden Toten des Zweiten Weltkrieges. © Annette Klinkhardt, Nordkirche

11. April 2025 von Nicole Kiesewetter

Im Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai vor 80 Jahren lädt die evangelische Kirche in Mecklenburg in den kommenden Wochen zu einer Veranstaltungsreihe ein. Der Schweriner Historiker Christoph erläutert die historischen Hintergründe.

Herr Wunnicke, welchen historischen Hintergrund hat die Veranstaltungsreihe?

Christoph Wunnicke: Hier im Nordosten endete vor 80 Jahren der Zweite Weltkrieg auf besondere Art. In der Region zwischen Wismar und Parchim sind im April und Mai 1945 die Militärverbände unterschiedlichster Nationen, Heimatvertriebene, Zwangsarbeiter und Todesmärsche von KZ-Insassen aufeinander und auf Einheimische getroffen. In kleiner Runde dachten wir: Komm, lass' uns mal schauen, ob es noch Zeitzeugen oder zumindest Verwandte von Zeitzeugen gibt und ob wir da Gespräche entstehen lassen können.

Sie wollen den Blick an diesen Abenden besonders auch auf die Täter richten. Was ist damit gemeint?

Wunnicke: Bislang gibt es keine umfassenden Studien über die mecklenburgischen Täter des Holocausts und anderer NS-Verbrechen, obwohl sie in unserer Mitte lebten und wirkten. Die Schreibtischtäter kennen wir weitgehend, aber selten haben wir die Namen derer, die die Befehle ausgeführt haben. Dieser Aspekt ist bisher regional nicht systematisch erforscht. Vielleicht hat es auch einen zeitlichen Abstand gebraucht, um die Täter in den eigenen Reihen benennen zu können.

Man denke an die viel beachtete Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 im Bundestag. Von Weizsäcker hat 40 Jahre nach dem Kriegsende gesagt, dass der 8. Mai für die Deutschen kein Tag der Niederlage, sondern ein „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ gewesen sei. Zugleich blieb von ihm auch einiges ungesagt, beispielsweise, dass sein Vater Ernst von 1938 bis 1945 als Staatssekretär im Auswärtigen Amt tätig war. Darüber zu reden, über die Täter in der eigenen Familie, kann ja 40 Jahre nach der Weizsäcker-Rede auch befreiend sein.

Historiker Christoph Wunnicke mit Gertraute Gräfe stellt das Buch über die Greifswalder ESG vor© Annette Klinkhardt

Rechnen Sie mit viel Interesse?

Wunnicke: Das Thema funktioniert. Man muss bedenken, dass 70 Prozent des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns am Kriegsende von der Sowjetarmee besetzt waren, ab dem 1. Juli 1945 das ganze Gebiet. Fast jeder ältere Mensch in Mecklenburg-Vorpommern hat seine Geschichte dazu. Im Osten wurde nach dem Kriegsende durch die Sowjetunion eine kommunistische Diktatur errichtet - im Westen war das anders. Viele NS-Täter und Hunderttausende Wehrmachtssoldaten sind, dies ahnend, gerade in den letzten Kriegstagen aus dem Osten nach Westmecklenburg und weiter in den Westen zu den Westalliierten geflüchtet. Sie wollten bewusst von diesen und nicht von der Roten Armee verhaftet werden. Weil sie wussten: Im Osten drohten Erschießung oder die Verschleppung in Lager nach Sibirien. Bei den Westalliierten hingegen hofften sie auf eine bessere Chance für ein neues Leben. Das hat bei vielen funktioniert.

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