Himmlischer Gesang vom Stadtrand
04. Oktober 2017
Sie haben sich beim Wettbewerb "Sing me to heaven" der Nordkirche beworben: Der Jugendchor der Paul-Gerhardt-Gemeinde aus Lübeck. Sie singen nicht nur mit besonders viel Enthusiasmus, sondern haben auch besondere Mittel, ihre Fans zur Abstimmung zu mobilisieren.
Wenn am Sonntag zum Gottesdienst alle in der Paul-Gerhardt-Gemeinde zusammen kommen, dann wissen sie, was sie ganz am Ende nachsingen müssen. Eine Webadresse. "www.singmetoheaven.de" schallt es dann durch die Kirche am Stadtrand von Lübeck, damit auch ja keiner sie vergisst. Denn der Jugendchor ist dabei bei dem Wettbewerb und gibt alles, damit die Gottesdienstbesucher für sie abstimmen. Es wird mobilisiert. Jede Stimme zählt. Wie auch in ihrem Chor.
Videodreh in Rekordgeschwindigkeit
Es ist schon kurz vor den Ferien, als Pastorin Inga Meißner den Chorleiter Timo Schmidt einen Link zu Sing me to heaven mit der Frage „Ist das nicht was?“ schickt. Klar, denkt sich Schmidt. Seine 12 bis 26 Jahre alten Chormitglieder sind schließlich mit vollem Enthusiasmus dabei. Aber er denkt auch: „Die Zeit rennt uns davon.“ Schließlich sind bald Sommerferien und dann finden keine Proben statt. In Rekordgeschwindigkeit suchen sie ein Stück, proben es, machen ein Video. „Ich muss zugeben, tontechnisch ist es recht grausam“, sagt Schmidt. „Aber ich hoffe, dass die Jury unser Potenzial erkennt.“ Denn sollten sie gewinnen, wäre ein Teil des Preises, dass ihr Song einmal professionell als Video festgehalten wird.
Sie bringen sogar die Pastorin zum Weinen
Das Lied selbst – „Lord Reign in me“ – ist „schmissig“, wie Chormitglied Johanna (19) sagt. „Es erinnert daran, dass Gott überall und in jedem Menschen präsent ist“. Und wenn sie ihn im Gottesdienst singen, dann sei das wie ein „Motor“, jeder werde mitgezogen. Das Lied sticht hervor. Denn sonst ist der Chor eher etwas ruhiger, balladenlastig, tief berührend. „Wir haben sogar schon einmal unsere Pastorin zum Weinen gebracht“, erzählt Johanna. Nicht umsonst, wird die Gruppe manchmal von den Fans liebevoll „Der Chor der schönen traurigen Mädels“ genannt – denn wie in fast jeder Gesangstruppe sind Jungs ein rares Gut.
Der Chor, aus dem man nicht austritt
Timo Schmidt weiß, dass sie mit einem professionellen Chor nicht zu vergleichen sind. Aber es ist das besondere Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch jedes Lied getragen wird. Alle kommen aus der Nachbarschaft, kennen sich, zum Teil seit der Krabbelgruppe. „Wir sind der Chor, aus dem man nicht austritt – selbst wenn man mal ins Ausland oder ins Studium geht“, sagt Schmidt. So wie Jessica. Mit ihren 25 Jahren ist sie jetzt die Älteste, aber hat trotz zwischenzeitlichen Wegzugs den Chor nicht aus den Augen verloren. „Irgendwann klopfte sie wieder an die Tür“, sagt Schmidt, der die Gruppe schon vor mehr als zehn Jahren gegründet hat.
Die Konkurrenz schläft nicht
Die Like-Liste führt der Jugendchor zur Zeit an. Doch alle wissen: Die Konkurrenz schläft nicht. „Wenn ein neuer Beitrag auf der Sing me to heaven erscheint, schreiben wir in unsere Whatsapp-Gruppe und schauen, ob wir noch jemanden finden, der abstimmt“, sagt Johanna. Sie würden so gern einmal den Chor in ihrer Partnergemeinde in Riga besuchen und gemeinsam singen. Überhaupt eine große gemeinsame Fahrt machen. Mit dem Preisgeld wäre es möglich. Solange begeistern sie einfach weiter ihre Fans – mit Balladen, Pop und Gospel.