Hunderte bei Gedenkgottesdienst: "Große Anteilnahme macht Mut"
05. Februar 2023
Hunderte Menschen haben heute (5. Februar) in einem ökumenischen Gottesdienst in Neumünster gemeinsam getrauert. In einem bewegenden Gottesdienst haben Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Bischof Gothard Magaard (beide Nordkirche) und Erzbischof Stefan Heße (Erzbistum Hamburg) zusammen mit Familienangehörigen, Freunden, Rettungskräften, und zahlreichen Politikern der Opfer der Gewalttaten von Brokstedt gedacht. Unter den Teilnehmenden war auch Bundeskanzler Olaf Scholz.
Hier sind wir, Gott, beieinander und vor dir.
Wir bitten dich: Stell dich an unsere Seite.
Weine mit uns. Trauere mit uns.
Höre, wofür uns die Worte fehlen.
Umhülle uns mit deiner Liebe und Güte.
Tröste uns. Eröffne Hoffnung und Zukunft.
Schenke uns Frieden.
Amen.
Mit diesem Gebet eröffnete Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt den Gottesdienst in der Vicelinkirche und begrüßte die zahlreichen Anwesenden.
Unter den Gästen waren Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Daniel Günther und der Vorstand der Deutschen Bahn AG, Dr. Richard Lutz. Aus der Landespolitik nahmen unter anderem Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Sozialministerin Aminata Touré, Landwirtschaftsminister Werner Schwarz, Minister Dirk Schrödter sowie viele weitere Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete teil.
Zum Gottesdienst eingeladen waren jedoch besonders die Menschen, die als Hilfs- und Ordnungskräfte am Unglück beteiligt waren. Daher waren viele in Feuerwehr- und Polizeiunformen, aber auch Rettungskräfte oder Angestellte der Deutschen Bahn unter den Gästen auszumachen.
Große Trauer und Betroffenheit
Jugendliche sowie Schülerinnen und Schüler und Lehrkäfte der Walther-Lehmkuhlschule gehörten ebenfalls zu den Gottesdienstbesuchern wie auch eine Gruppe von Ministranten, die gemeinsam mit den Geistlichen in die Kirche einzogen. So hatten sich die Reihen der insgesamt 800 Menschen fassenden Kirche am Sonntagmittag zunehmend gefüllt. Dabei zeichnete sich in den Gesichtern der Menschen ihre große Trauer und Betroffenheit ab.
In seiner Predigt betonte Bischof Magaard, wie wichtig es sei, die Trauer miteinander zu teilen:
Es ist wichtig und gut, dass wir heute hier zusammen sind. Um Halt und Trost zu suchen, unsere Klage im Gebet vor Gott zu bringen und unser Herz auszuschütten mit allem, was uns bewegt. Lasst uns heute gemeinsam traurig sein. Lasst uns gemeinsam hoffen, dass die Verletzten wieder heil werden. Lasst uns gemeinsam alles dafür tun, dass sich eine solche Tat nicht wiederholt. Lasst uns gemeinsam dafür einstehen, dass Liebe und Hoffnung stärker sind als Hass und Gewalt.
Im Mittelpunkt des Gottesdienstes wurden sieben große Kerzen entzündet und dabei der Opfer, der Verletzten und den Angehörigen, der Helferinnen und Helfer sowie weiteren Beteiligten und Betroffenen gedacht. Erzbischof Heße umrahmte diese Handlung mit einfühlsamen Worten und sagte:
Dieser Gottesdienst lebt von den Zeichen. Denn das, was bei Brokstedt geschehen ist, überfordert und übersteigt unsere Vorstellung. Manchmal kann so eine brennende Kerze und gemeinsames Schweigen mehr Trost spenden als viele Worte.
"Das gemeinsame Gebet und das gemeinsame Gedenken trägt uns. Wenn, wie heute, ein ganzes Land trauert, dann stärken wir uns auch gegenseitig. Eure Tränen sind unser aller Tränen, euer Schmerz schmerzt auch uns“, so Heße weiter und ergänzte: „Die große Anteilnahme ist überwältigend und macht Mut.“
Mit einem Wunsch nach Frieden trugen außerdem Şeyda Sarıçam von der Schura zum Gottesdienst bei.
Hintergrund
Am 25. Januar hatte der mutmaßliche Täter Ibrahim A. im Zug von Kiel nach Hamburg eine 17-Jährige und ihren 19-jährigen Bekannten getötet und fünf weitere Menschen verletzt. Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof von Brokstedt hatte der 33-Jährige die Zugreisenden mit einem Messer attackiert, so die Polizei. Gegen den mutmaßlichen Täter wurde Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und versuchten Totschlags in vier Fällen erlassen. Erst wenige Tage vor der Tat war er aus der Haft entlassen worden.