"Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben!“ Röm 1,16
04. Oktober 2023
Predigt im Gottesdienst anlässlich der Verleihung der Bugenhagen-Medaille an Michael Rapp
Liebe Festgemeinde,
mit diesen persönlichen und zugleich programmatischen Worten beginnt der Apostel Paulus seinen Brief an die römische Gemeinde.
Er tut damit kund, dass ihm durchaus bewusst ist, dass es Menschen nicht leicht fällt über eine so persönliche Angelegenheit wie den Glauben zu sprechen. Erst recht nicht, wenn dieser, wie bei den Menschen, die sich zu Jesus Christus bekennen, in Spannung steht zu den religiösen Praktiken der Umwelt.
Für Paulus aber geht es gar nicht anders, als auf andere Menschen zu zugehen und ihnen das Evangelium von der bedingungslosen Liebe Gottes nahe zu bringen. Fühlt er es als eine Kraft, die das eigene Leben tief gründet und selig macht.
Mit diesen Aussagen, liebe Festgemeinde, würde sich vermutlich auch der Reformator Johannes Bugenhagen identifizieren.
Auch er konnte nicht anders, als die Botschaft des Evangeliums in Wort und Tat zu leben und weiterzugeben.
Auf der schönen Silbermedaille, mit der wir Dich, lieber Michael Rapp, heute auszeichnen und ehren, steht der plattdeutsche Satz von ihm:
„Christum leef hebben, is vele beter alse alle wetent“. „Christus lieb haben ist viel besser als alles Wissen.“
Bugenhagen war einer, der mit dem, was er predigte, nahe bei den Menschen war. Und dazu bediente er sich des Plattdeutschen, der Sprache, die damals wirklich alle verstanden. Seine Worte sollten sich alle zu Herzen nehmen können, so wie dieses: „Christus lieb haben ist viel besser als alles Wissen.“ „Christum leef hebben, is vele beter alse alle wetent“.
Ausgerechnet einer der gelehrtesten Männer unserer Kirche hat das gesagt. Das ist schon erstaunlich, denn Johannes Bugenhagen hat das Wissen nicht geringgeschätzt oder gar verachtet. Ganz im Gegenteil. Die Stationen seines Lebenslaufes geben davon Zeugnis:
Geboren im Jahr 1485 auf der Insel Wollin, wurden seine Intelligenz und seine Begabungen früh entdeckt und gefördert.
Bereits mit 19 Jahren Rektor der Schule in Treptow nordöstlich von Stettin, wo er „gewaltig Schul gehalten“ hat.
Mit 24 Jahren ließ er sich zum Priester weihen.
Jahre später als schon berühmter Gelehrter las er Martin Luthers Schrift „Über die babylonische Gefangenschaft der Kirche“. Zunächst erschien sie ihm zu radikal, doch bald wuchs in ihm die Überzeugung, dass Martin Luther wohl doch Recht hatte. Er wurde einer der bedeutendsten Lehrer der Reformation…
…und ein geachteter Prediger der evangelischen Gemeinden in Wittenberg selbst und bis weit nach Skandinavien hinein.
Später wurde er Generalsuperintendent von Kursachsen und übte damit das Bischofsamt aus.
Die inhaltlichen Akzente des Wirkens von Johannes Bugenhagen lassen sich dabei auf vier Schwerpunkte zusammenfassen:
Bildung, Armenfürsorge, Kirchlichenordnungen und Predigtamt:
Bildung war für Bugenhagen ein Lebensthema. Er trat für die allgemeine Schulpflicht von Jungen und Mädchen ein, entwarf Lehrpläne für die einzelnen Klassenstufen, setzte sich für eine städtische Schulaufsicht ein und gründete selbst weitere Schulen, wie z.B. das Johanneum in Hamburg.
Er entwickelte Vorschläge zur Armenfürsorge, für das also, was wir heute diakonische Arbeit nennen. Er warb dafür, dass es eine öffentliche Verantwortung für diejenigen geben müsse, die in der Großstadt mittel- und oft beziehungslos dastanden, die sich ihrer Bedürftigkeit schämten, die plötzlich erkrankten, durch Unfall geschädigt oder schwanger wurden und deshalb auf vereinte Kräfte der Gemeinde angewiesen waren.
Und durch seine Bibelübertragung ins Niederdeutsche, die damalige Sprache des Volkes, hat er das Plattdeutsche zur Kirchensprache gemacht. Er hat somit auch das Predigtamt gestärkt, da die Predigt sich der Sprache der Menschen, der Gemeindeglieder bedienen musste.
Bugenhagens besonderes Anliegen war es, diese Schwerpunkte in das kirchliche und öffentliche Leben zu übersetzen und durch Kirchenordnungen für das Leben der Christen und der Gemeinden durchzubuchstabieren und abzusichern. Mehrfach erarbeitete er federführend Kirchen- und Lebensordnungen, zuerst in Dänemark und später auch in Norwegen. In Schleswig-Holstein redigierte er die Kirchenordnung von 1542.
Die Hauptthemen dieser Ordnungen zeigen, dass es um mehr als reine innerkirchliche Reformen ging. Man kann sich die Veränderungen, die durch diese Ordnungen entstanden, gegenüber dem Mittelalter kaum größer vorstellen: Das vorher so mächtige Domkapitel war ausgeschaltet. Die Bürger wurden mündig in der Organisation von Kirche, Stadt, Schule und Diakonie. Das Priestertum aller Getauften trat ins Leben. „Wir lehren gewissenhaft,“ schreibt Bugenhagen in der Hamburger Kirchenordnung, „wie Christen leben und Gutes tun sollen, ein jeder in seinem Stande, alte Männer, alte Frauen, junge Männer, junge Frauen, Kinder und Eltern, Herren und Knechte, Hausfrauen und Mägde, Pastoren und Prediger, Obrigkeit und Untertanen, Reiche und Arme.“
Sie sehen also: Johannes Bugenhagen war ein Mann des Wissens und des Verstandes. Sein Leben lang arbeitete er als gelehrter Humanist, und dennoch wusste er sich in seinem Leben geworfen auf Gottes Liebe, die durch keine Leistung erworben werden kann, sondern Geschenk und Gnade ist:
„Christus lieb haben ist viel besser als alles Wissen.“ „Christum leef hebben, is vele beter alse alle wetent“.
Liebe Festgemeinde,
mit einer Medaille, die nach diesem besonderen Menschen benannt ist, ehren wir heute einen Mann aus unserer Mitte für sein besonderes Engagement für unsere Kirche.
Wir ehren Herrn Michael Rapp!
Seit 20 Jahren engagierst Du Dich in besonderer Weise ehrenamtlich in Deiner Kirchengemeinde, im Kirchenkreis Altholstein und auf der landeskirchlichen Ebene.
Damit lebst Du Deinen Glauben nicht nur im Privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit und es ist Deinem Wirken abzuspüren, dass Dir das Wohl der Menschen und unserer Kirche sehr am Herzen liegen.
„Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben!“ Röm 1,16
Deine Gaben und Fähigkeiten setzt Du einerseits in dem Bereich der kirchlichen Finanzen ein. Und dafür bringst Du profunde Fachkenntnisse und Berufserfahrung mit.
Wenn auch die Finanzen nicht das Wichtigste innerhalb unserer Kirche sind, so ist aber der sorgfältige Umgang damit alles andere als unwichtig.
Entsprechend groß ist deshalb die Verantwortung, dieses so zu steuern und zu verteilen, dass es heute für alle Bereiche auskömmlich und auch morgen je nach Einnahmen noch auskömmlich ist.
Außerdem warst Du in den Jahren 2012 bis 2022 Mitglied in der „Kommission für Unterstützungsleistungen für Opfer und Betroffene von sexuellem Missbrauch in Anerkennung ihres Leides und in Verantwortung für die Verfehlungen der Institution“.
Das ist eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe, welche nicht nur großes zeitliches Engagement benötigt, ebenso große Sensibilität, Geduld und Besonnenheit.
Du engagierst Dich, lieber Michael, an diesen genannten und weiteren Orten für unsere Kirche als Fachmann und als Mensch, der sich durch seinen Glauben gehalten und angenommen fühlt von Gott, und aus Dankbarkeit etwas davon anderen Menschen weitergeben möchte.
Als Bischof habe ich auch viele ehrenamtlich hoch engagierte Menschen in unserer Kirche kennengelernt. Sie sind ein großer Schatz und prägen das Gesicht unserer Kirche. Stellvertretend für sie erhältst heute Du und später auch Frau Eggert aus Rendsburg die Bugenhagenmedaille.
Wir danken Dir von Herzen für Dein so treues und engagiertes Wirken und wünschen Dir Gottes Geleit und Segen für alle weiteren Wege in Familie und Ehrenamt.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen