Kinder entdecken beim Orgelbau Freude an der Kirchenmusik
28. Mai 2021
Die Orgel gilt als Königin der Instrumente, ist jedoch vielen Grundschülern alles andere als geläufig. Um das zu ändern, besucht Dörthe Landmesser, Kirchenmusikleiterin der Innenstadtgemeinde Itzehoe, Schulklassen in Schleswig-Holstein. Im Gepäck hat sie einen Orgelbaukasten, den die Kinder selbst zusammenbauen und anschließend ausprobieren dürfen.
Als Dörthe Landmesser das Tuch von ihren Mitbringseln lüftet, ist die Stimmung der dritten Klasse der Grundschule Groß Kummerfeld aufgekratzt: Die Schülerinnen und Schüler haben sich im Kreis um die Überraschung versammelt und schauen auf etwas, das ein wenig so aussieht wie die Holzabteilung im Bastelladen: Klötze verschiedener Größen, dazwischen ein Rohr, zwei Kissen, Drahthaken und Brettchen.
"Es gibt 48 Pfeifen, 24 davon mit Deckel", erklärt die Kirchenmusikerin. Bei größeren Orgeln, wie sie in Kirchen stehen, sind es mehr als 3000 Pfeifen aus Metall, erklärt sie. Damit das Experiment in zwei Schulstunden zu bewerkstelligen ist, reichen aber auch wenige aus Holz. Spielen kann man auf der Mini-Orgel am Ende trotzdem, verspricht die Organistin.
Der Funke springt beim Bauen über
Zunächst aber müssen die Pfeifen der Größe nach sortiert werden. Das übernimmt eine Gruppe der Kinder. Eine andere kümmert sich um die 24 Tasten der Mini-Orgel. Und dann gibt es da noch eine Gruppe, die den Orgelschrank zusammensetzt und eine, die das Luftsystem aus einem Rohr und den Blasebalg-Kissen einbaut.
Stückchen für Stückchen entsteht so das "Instrument des Jahres 2021". Dazwischen erzählt Dörthe Landmesser etwas zu seiner Geschichte, Funktionsweise und Wartung. So passiere es gelegentlich, dass eine der Fledermäuse, die den Kirchturm in Itzehoe bewohnen, in eine Orgelpfeife falle und sie verstopfe. "Die Arme!" lautet die prompte Reaktion mehrerer Schülerinnen, gefolgt von dem trockenem Kommentar eines Jungen: "Die darf man aber nicht lange so lassen – sonst stinkt es." Zum Glück gibt es für solche Fälle Orgelbauer.
Und als solche machen sich die Kinder sogleich weiter ans Werk, einige ungestüm, die meisten jedoch ganz vorsichtig und behutsam. "Es ist nicht schlimm, wenn man etwas kaputt macht, solange man weiß, wie man es wieder repariert", ermutigt die Organistin sie, den richtigen Weg anhand der mitgebrachten Anleitung selbst zu finden.
Kombi aus Orgelbau und Kirchenbesuch
Mit dem Projekt, das vom Landesmusikrat in Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützt wird, möchte sie vor allem Hemmschwellen in Bezug auf Kirche und Kirchenmusik abbauen, erklärt Landmesser, die dafür zunächst Lehrer aus ihrem privaten Umfeld angesprochen hat. 16 Klassen hat sie in den vergangenen Wochen schon besucht.
Idealerweise erkunden die Klassen nach dem Orgelbau-Projekt eine Kirche in ihrer Nähe, um das Instrument in Aktion zu erleben. In Itzehoe hat das bislang gut geklappt, sagt Landmesser. "Die Schulen haben das auch als eine Art Ersatz für die ausgefallenen Klassenfahrten in der Pandemie angenommen."
Auch Lehrerin Christiane Ascheberg sieht in dem Projekt eine gute Ergänzung zum Musikunterricht, der in der Corona-Zeit stark eingeschränkt war. "Der Versuch, hier etwas ganz praktisch zu erkunden, ist toll. Und er hat natürlich gut reingepasst – gerade, weil wir lange Zeit keine Blasinstrumente benutzen und nicht singen durften."
Dörthe Landmesser möchte das Orgelprojekt am liebsten fest in den Zeitplan der Schulen integrieren: "Meine Idee ist, dass die Schulen die Orgel jährlich im Februar ausleihen. Da ist ein Loch zwischen den Festen Weihnachten und Ostern – das könnte gut passen." Reserviert werden können die Ausleih-Termine künftig über den Landesmusikrat, der Pädagogen auch Workshops zum Thema Orgelbau und Orgelspiel mit den entsprechenden Unterrichtsmaterialien gibt.
Selber ausprobieren? "Cool!"
Voraussetzung dafür ist, dass der Funke bei Kindern und Lehrern überspringt. In Groß Kummerfeld hat’s funktioniert: Die ersten Schülerinnen und Schüler entlocken der frisch zusammengebauten Mini-Orgel Töne – und ernten dafür spontanen Applaus.
Dann darf jedes der 20 Kinder mal Luft in das Instrument pumpen, mal auf die Tasten drücken – in Zweiterteams, bis alle an der Reihe waren. "Cool, dass wir selber ausprobieren dürfen, wie es geht!", sagt Drittklässlerin Carolin mit einem breiten Lächeln. Und ihre Mitschülerin Wencke ergänzt: "Das Bauen hat mir am meisten Spaß gemacht."
Und wie kommt der Klang an? "Also bei einer echten Orgel finde ich es schön", sagt Wencke. Für die Mini-Orgel braucht es etwas Fingespitzengefühl. Aber das hat Dörthe Landmesser: Zum Abschluss spielt sie den Schülerinnen und Schülern ein Stück von Johann Sebastian Bach vor – und es klingt trotz der nur 48 Holzpfeifen feierlich.