"Kirche im Dialog" - Ritualkultur im Wandel der Zeit
19. Mai 2020
Rituale spielen eine wichtige Rolle im Leben – sie sind uns vertraut und geben Struktur, viele Familien haben ihre Eigenen. Auch kirchliche Rituale gehören zum Alltag von Christinnen und Christen. Doch die rituelle Landschaft verändert sich gegenwärtig sehr stark, meint Pastorin Emilia Handke, Leiterin vom Werk "Kirche im Dialog" der Nordkirche. Viele Rituale würden heute nicht mehr verstanden.
"Rituale sind ein Ausdruck des Innehaltens. Wer bin ich, worauf vertraue ich, wo will ich hin? Sie sind ein Medium dafür, unser Leben besser zu verstehen“, findet die Pastorin aus Hamburg. Dazu gehört auch die Konfirmation, die einen wichtigen Schritt der Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsenen markiert.
"Die rituelle Landschaft differenziert sich – insbesondere bei Jugendlichen – immer mehr aus. Neben den religiösen Ritualen wie Konfirmation, Firmung oder Bar/Bat Mitzwa existiert eine wachsende Fülle für die wachsende Zahl derjenigen Jugendlichen, die keiner Religion angehören“, so Handke. Zu Segensfeiern der Kirche für konfessionslose Jugendliche, Jugendweihe oder Jugendfeier des Humanistischen Verbandes gesellten sich Rituale von Naturpädagogen oder freien Ritualbegleitern.
Zeichen der Zeit unter die Lupe nehmen
In Ost-und Westdeutschland nähmen 40 bis 50 Prozent der Jugendlichen an diesen Feiern aber gar nicht teil. "Das stimmt mich nachdenklich. Offenbar fühlen sich diese Jugendlichen mit den tradierten Ritualen unwohl“, so die Pastorin. Traditionen würden abschmelzen und sich umbilden. "Es lohnt sich, diese Zeichen der Zeit genauer unter die Lupe zu nehmen und nach ihrer Bedeutung für uns als Kirche zu fragen“, so Handke.
In ihrer Promotion hat sich Handke unter anderem intensiv mit Segensfeiern an christlichen Schulen in Ostdeutschland auseinandergesetzt. Eine Segensfeier ist eine schulinterne Feier im Klassenverband, an der konfessionslose Kinder im Konfirmandenalter teilnehmen können. Eine Taufe ist nicht erforderlich, was anders ist im Vergleich zur Konfirmation. "Die Jugendlichen dort wollen sich in der Regel nicht konfirmieren lassen, weil es in der Familie keine kirchliche Traditionslinie gibt", sagt die Theologin. Es existiere aber ein Wunsch nach Ritualen in der Gemeinschaft, in der man ohnehin verankert sei.
Tagung "Segen2go?"
Zur Frage, was die Veränderungen der Ritualkultur als Herausforderung für die kirchliche Praxis bedeuten, bietet sie im Januar 2021 mit Kolleginnen und Kollegen unter der Überschrift "Segen2go?“ eine interaktive Tagung in Berlin an. "Ich glaube, es macht auch Sinn zu gucken, was in der säkularen Ritualpraxis geschieht. Man kann sich davon inspirieren lassen und gucken, was Jugendliche heute anspricht", so Handke. Indem man das Andere kennenlerne, könne einem das Eigene deutlicher werden.
In der Tagung soll den Teilnehmern in unterschiedlichen Workshops ermöglicht werden, einen Einblick in unterschiedliche Rituale zu erhalten: Mit dabei sind Phönixzeit, Drachinzeit, Jugendweihe, Segensfeiern, Visionssuche als Teil der Konfirmandenarbeit, Nacht des Feuers als Teil der Firmvorbereitung, Sweet Sixteen, Bar/Bat Mitzwa und die muslimische Gestaltung des Übergangs ins Erwachsenenalter.