Weltflüchtlingstag am 20. Juni

Kirchenasyl im "Hoffnungsgrund": Ein Ort des Willkommens und der Solidarität

Das Projekt "Hoffnungsgrund" in Sandesneben im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg: Haus und Garten stehen als Begegnungs- und Schutzraum offen: Sei es für Kirchenasyl-Anfragen, bei der Wohnungs- und Ausbildungssuche. Im Internationalen Frauentreff gibt es Austausch zu beruflicher Weiterbildung, zu Partnerschafts- und Erziehungsfragen und es wird gemeinsam Gemüse angebaut.
Das Projekt "Hoffnungsgrund" in Sandesneben im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg: Haus und Garten stehen als Begegnungs- und Schutzraum offen: Sei es für Kirchenasyl-Anfragen, bei der Wohnungs- und Ausbildungssuche. Im Internationalen Frauentreff gibt es Austausch zu beruflicher Weiterbildung, zu Partnerschafts- und Erziehungsfragen und es wird gemeinsam Gemüse angebaut. © Dietlind Jochims

19. Juni 2024 von Claudia Ebeling

140 Quadratmeter und drei Etagen, umgeben von Wiesen und einem Garten: Das ist der "Hoffnungsgrund". Das große alte Pfarrhaus beherbergt seit 2015 Menschen im Kirchenasyl. "Hier können alle in Ruhe eine Perspektive für ihr aus den Fugen geratenes Leben entwickeln", sagt Herbergsvater Johannes Düring.

Rund 1600 Menschen wohnen in dem kleinen Ort Sandesneben zwischen Hamburg und Ratzeburg. Das Pfarrhaus steht neben der Kirche. Im Garten wachsen Blumen, Kräuter und Gemüse. Hühner scharren in einem großen Gehege.

Auf dem Gelände stehen eine Sandkiste und Spielgeräte, Wege und Winkel bieten Räume für Begegnung und Rückzug.

"Licht in einer dunklen Zeit"

Humi ist heute 34 Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Sie hat 2022 rund sieben Wochen im "Hoffnungsgrund" gewohnt. "Der Ort war ein Licht für mich in einer dunklen Zeit", berichtet sie rückblickend.

Humi Sadat sitzt neben einer weiteren Frau im Garten vom Hoffnungsgrund in Sandesneben, auf dem Tisch sind Pizza und Salat.
Im Hoffnungsgrund teilen alle Bewohnenden die gleichen Sorgen und Nöte. Die Gemeinschaft ist eng, noch heute haben viele Kontakt untereinander, wenn sie zeitgleich im Kirchenasyl waren.© Jonas Nahnsen

 "Wir wurden hier alle als Menschen aufgenommen"

"Mein Leben war ein Chaos geworden, hier habe ich Frieden gefunden", erinnert sich Humi. Unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht seien hier alle "einfach Menschen". Das Miteinander sei von Respekt und Mitgefühl geprägt.

Hintergrund Kirchenasyl (1/3)

Zurzeit werden im Bereich der Nordkirche 32 Kirchenasyle für 72 Personen (47 Erwachsene und 25 Kinder) gewährt (Stand März 2024). Hauptherkunftsländer sind Afghanistan, Syrien, Irak und Iran.

Ein Kirchenasyl wird vom Kirchengemeinderat nach Beratung und Prüfung beschlossen – die Entscheidung wird also direkt vor Ort gefällt. Mit dem Kirchenasyl soll Zeit für eine erneute Überprüfung des Asylantrags gewonnen werden, weil die berechtigte Annahme besteht, dass es sich um einen besonderen Härtefall handelt.

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Meist handelt es sich um so genannte „Dublinfälle“, bei dem ein Asylantrag bereits in einem anderen europäischen Land gestellt wurde, bei einer Rückkehr dorthin aber Repressalien oder Gewalt für die geflüchtete Person zu befürchten sind. Hier bedeutet der positive Ausgang eines Kirchenasyls, dass Deutschland für die Prüfung der Asylgründe zuständig wird.

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Der Staat toleriert das Kirchenasyl, bei dem Kirchengemeinden Geflüchteten Wohnraum bieten und sie versorgen, obwohl er grundsätzlich von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen und abschieben kann. Um gemeinsam zu guten humanitären Lösungen kommen zu können, wurde 2015 eine Verfahrensabsprache zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen getroffen.

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag: Er rückt das Schicksal von 120 Millionen Menschen in den Blick, die derzeit auf der Flucht sind.

Viele kommen sehr verängstigt und traumatisiert von oft monatelanger Flucht an. In Sandesneben seien sie zum ersten Mal wieder zur Ruhe gekommen, hätten Beratung und Unterstützung erhalten, die Kinder in einer Kita-Gruppe Gemeinschaft und Zuwendung erfahren.

Zwei Kinder stehen mit Lexa Düring vor einem Herd mit einem Topf, in dem Ringelblumensalbe eingekocht wird.
Lexa Harloff-Düring ist die "Herbergsmutter" und kocht mit Kindern aus dem Hoffnungsgrund Ringelblumensalbe ein: "In unserem Garten lernen die Kinder etwas über die Natur und auch nachhaltiges Verhalten.© Jonas Nahnsen

In einem Topf auf dem Herd der Küche im Hoffnungsgrund in Sandesneben kocht Ringelblumensalbe
Die Blätter von Ringelblumen haben die Kinder zuvor im Garten des Hoffnungsgrundes gesammelt und gezupft. © Jonas Nahnsen

45 Kirchenasyle im Hoffnungsgrund seit 2015

Nach Sanierungsarbeiten sind alle Räume in dem Haus seit diesem März wieder geöffnet: Neben Wohnräumen für drei Familien mit Bad und Küche, gibt es eine gemeinsame Küche, ein Frauenzimmer und einen Raum, in dem derzeit an zwei Tagen in der Woche eine Vorschulgruppe von einer Erzieherin geleitet wird.

Zur Zeit wohnen hier eine kurdische Familie aus dem Iran und ein Mann aus Afghanistan. Seit 2015 wurden und werden hier 45 Kirchenasyle gewährt, das heißt, über 45 Schicksale ist erneut entschieden worden.

Der Anker sind die "Herbergseltern"

Gemeinsam mit den Geflüchteten leben im Hoffnungsgrund Lexa Harloff-Düring und Johannes Düring. "Was sie dort leisten ist einfach unfassbar", erinnert sich Humi.

Die Herbergseltern im Hoffnungsgrund in Sandesneben: Lexa und Johannes Düring.
Lexa Harloff-Düring und Johannes Düring sind die Herbergseltern im Hoffnungsgrund. Sie leben hier seit neun Jahren.© Jonas Nahnsen

"Wir möchten, dass es den Menschen bei uns gut geht, das ist unser Herzenswunsch", beschreibt Johannes Düring seine Motivation. "Das ist doch auch gelebtes Gottvertrauen", ergänzt Lexa Harloff-Düring.

"Dieser Ort ist ein sagenhaft mutiges Projekt tätiger Nächstenliebe", erinnert sich Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, die den Hoffnungsgrund zum 10jährigen Jubiläum besucht hat.

Angesichts der so unterschiedlichen Herkünfte und Religionszugehörigkeiten der Geflüchteten war eindrücklich, wie hier tagtäglich Toleranz und Vielfalt gelebt werden – Konfliktbewältigung und Verständigungsarbeit inklusive. Ein echter Hoffnungsgrund eben. Bischöfin Kirsten Fehrs

Großes Netzwerk trägt den Hoffnungsgrund

Ein großes Netzwerk an Ehrenamtlichen trägt die Arbeit rund um den Hoffnungsgrund. Sie haben einen Verein gegründet und sammeln auch Spenden. So werden Deutschkurse, ein Cafe, Ausflüge oder Einladungen ermöglicht.

Flüchtlingsbeauftragte: Kirchenasyl ist unsere Kernaufgabe

"Es ist wichtig und gut, dass sich Kirchengemeinden in der Nordkirche immer wieder von der Not von Menschen berühren lassen", betont die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Pastorin Dietlind Jochims. "Aber es ist nicht nur eine humanitäre Aktion, die wir nebenbei machen. Sondern:

Es ist die Kernaufgabe der Kirche, Menschen in Not aktiv zu helfen. Darum geht es im Glauben. Darum geht es in unserem Zusammenleben.

Dietlind Jochims
Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche© Lena Modrow

"Deutschland kann so stolz sein auf diese Möglichkeit für ein Kirchenasyl", sagt Humi.

"Die Situation von Geflüchteten weltweit ist bedrohlich und bedroht", betonte die Bischöfin zum Weltflüchtlingstag. "Aber solch konkrete Projekte geben eben auch der Hoffnung Grund, dass Integration gelingen kann", sagte sie weiter. 

Ein enormer Reichtum für eine Gesellschaft liegt darin, wenn Integration Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe lebt und für interkulturelle und interreligiöse Begegnungen aufgeschlossen ist. Bischöfin Kirsten Fehrs

"Ich möchte etwas zurückgeben"

Die 34jährige Humi aus Afghanistan lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Norddeutschland. Sie hat sich für einen Master-Studium für nachhaltige Architektur an der Hafencity Universität in Hamburg beworben, um ihre bisherigen Studien zu vertiefen.

"Ich möchte mich für Menschenrechte und die Rechte und den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt einsetzen", erzählt sie. Bis dahin engagiert sie sich ehrenamtlich für geflüchtete Frauen: "Mir ist geholfen worden, nun möchte ich etwas zurückgeben."

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