Kirchenasyl im "Hoffnungsgrund": Ein Ort des Willkommens und der Solidarität
19. Juni 2024
140 Quadratmeter und drei Etagen, umgeben von Wiesen und einem Garten: Das ist der "Hoffnungsgrund". Das große alte Pfarrhaus beherbergt seit 2015 Menschen im Kirchenasyl. "Hier können alle in Ruhe eine Perspektive für ihr aus den Fugen geratenes Leben entwickeln", sagt Herbergsvater Johannes Düring.
Einen Einblick in den Alltag im "Hoffnungsgrund" zeigt unser Kurzfilm hier auf dem YouTube-Kanal der Nordkirche
Rund 1600 Menschen wohnen in dem kleinen Ort Sandesneben zwischen Hamburg und Ratzeburg. Das Pfarrhaus steht neben der Kirche. Im Garten wachsen Blumen, Kräuter und Gemüse. Hühner scharren in einem großen Gehege.
Auf dem Gelände stehen eine Sandkiste und Spielgeräte, Wege und Winkel bieten Räume für Begegnung und Rückzug.
"Licht in einer dunklen Zeit"
Humi ist heute 34 Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Sie hat 2022 rund sieben Wochen im "Hoffnungsgrund" gewohnt. "Der Ort war ein Licht für mich in einer dunklen Zeit", berichtet sie rückblickend.
"Wir wurden hier alle als Menschen aufgenommen"
"Mein Leben war ein Chaos geworden, hier habe ich Frieden gefunden", erinnert sich Humi. Unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht seien hier alle "einfach Menschen". Das Miteinander sei von Respekt und Mitgefühl geprägt.
Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag: Er rückt das Schicksal von 120 Millionen Menschen in den Blick, die derzeit auf der Flucht sind.
Viele kommen sehr verängstigt und traumatisiert von oft monatelanger Flucht an. In Sandesneben seien sie zum ersten Mal wieder zur Ruhe gekommen, hätten Beratung und Unterstützung erhalten, die Kinder in einer Kita-Gruppe Gemeinschaft und Zuwendung erfahren.
45 Kirchenasyle im Hoffnungsgrund seit 2015
Nach Sanierungsarbeiten sind alle Räume in dem Haus seit diesem März wieder geöffnet: Neben Wohnräumen für drei Familien mit Bad und Küche, gibt es eine gemeinsame Küche, ein Frauenzimmer und einen Raum, in dem derzeit an zwei Tagen in der Woche eine Vorschulgruppe von einer Erzieherin geleitet wird.
Landessynode stärkt Kirchenasyl: Beschluss vom Februar 2024
Zur Zeit wohnen hier eine kurdische Familie aus dem Iran und ein Mann aus Afghanistan. Seit 2015 wurden und werden hier 45 Kirchenasyle gewährt, das heißt, über 45 Schicksale ist erneut entschieden worden.
Der Anker sind die "Herbergseltern"
Gemeinsam mit den Geflüchteten leben im Hoffnungsgrund Lexa Harloff-Düring und Johannes Düring. "Was sie dort leisten ist einfach unfassbar", erinnert sich Humi.
"Wir möchten, dass es den Menschen bei uns gut geht, das ist unser Herzenswunsch", beschreibt Johannes Düring seine Motivation. "Das ist doch auch gelebtes Gottvertrauen", ergänzt Lexa Harloff-Düring.
"Dieser Ort ist ein sagenhaft mutiges Projekt tätiger Nächstenliebe", erinnert sich Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, die den Hoffnungsgrund zum 10jährigen Jubiläum besucht hat.
Angesichts der so unterschiedlichen Herkünfte und Religionszugehörigkeiten der Geflüchteten war eindrücklich, wie hier tagtäglich Toleranz und Vielfalt gelebt werden – Konfliktbewältigung und Verständigungsarbeit inklusive. Ein echter Hoffnungsgrund eben. Bischöfin Kirsten Fehrs
Großes Netzwerk trägt den Hoffnungsgrund
Mehr erfahren über den Verein Hoffnungsgrund und das Netzwerk
Ein großes Netzwerk an Ehrenamtlichen trägt die Arbeit rund um den Hoffnungsgrund. Sie haben einen Verein gegründet und sammeln auch Spenden. So werden Deutschkurse, ein Cafe, Ausflüge oder Einladungen ermöglicht.
Flüchtlingsbeauftragte: Kirchenasyl ist unsere Kernaufgabe
Aus dem Archiv: Interview mit Dietlind Jochims zu 40 Jahren Kirchenasyl
"Es ist wichtig und gut, dass sich Kirchengemeinden in der Nordkirche immer wieder von der Not von Menschen berühren lassen", betont die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Pastorin Dietlind Jochims. "Aber es ist nicht nur eine humanitäre Aktion, die wir nebenbei machen. Sondern:
Es ist die Kernaufgabe der Kirche, Menschen in Not aktiv zu helfen. Darum geht es im Glauben. Darum geht es in unserem Zusammenleben.
"Deutschland kann so stolz sein auf diese Möglichkeit für ein Kirchenasyl", sagt Humi.
"Die Situation von Geflüchteten weltweit ist bedrohlich und bedroht", betonte die Bischöfin zum Weltflüchtlingstag. "Aber solch konkrete Projekte geben eben auch der Hoffnung Grund, dass Integration gelingen kann", sagte sie weiter.
Ein enormer Reichtum für eine Gesellschaft liegt darin, wenn Integration Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe lebt und für interkulturelle und interreligiöse Begegnungen aufgeschlossen ist. Bischöfin Kirsten Fehrs
"Ich möchte etwas zurückgeben"
Die 34jährige Humi aus Afghanistan lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Norddeutschland. Sie hat sich für einen Master-Studium für nachhaltige Architektur an der Hafencity Universität in Hamburg beworben, um ihre bisherigen Studien zu vertiefen.
"Ich möchte mich für Menschenrechte und die Rechte und den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt einsetzen", erzählt sie. Bis dahin engagiert sie sich ehrenamtlich für geflüchtete Frauen: "Mir ist geholfen worden, nun möchte ich etwas zurückgeben."