Kirchenführer:innen tragen Begeisterung für Gotteshäuser weiter
30. Juni 2023
Die Nordkirche hat 30 neue Kirchenführer:innen: Die Ehrenamtlichen haben eine zweijährige Ausbildung absolviert und sind nun Botschafter:innen für ihre Kirchen. In ihren Heimatgemeinden übernehmen sie die Rolle der Gastgeber, die mit Begeisterung Kirchengeschichte lebendig werden lassen und Besuchern fachkundige Auskünfte zu Denkmälern und Kunstwerken geben.
„Unsere Kirchen sind in Stein gegossene Glaubenszeugnisse. Wie schön ist es, wenn man bei einer Kirchenführung die Begeisterung der Menschen für ihre Kirche spürt und Geschichten hört, die die Kirche noch einmal neu zu einem sprechen lassen“, sagte Bischof Tilman Jeremias bei der feierlichen Übergabe der Zertifikate an die Absolvent:innen im Ratzeburger Dom.
Offene Kirchen sind wichtig
Geleitet haben den Kirchenführer:innen-Kurs die mecklenburgische Kirchenpädagogin Dr. Maria Pulkenat und Pastor Dr. Matthias Wünsche aus Hamburg. Maria Pulkenat bietet seit vielen Jahren zahlreiche kirchenpädagogische Angebote im Kirchenkreis Mecklenburg an – vom Atelierbesuch bei einer zeigenössischen Künstlerin bis zur Erkundung herzöglicher Grabdenkmäler.
„Eine große Rolle spielen die offenen Kirchen“, erzählt sie, „Wir haben hier so viele Menschen, die Tag für Tag ihre Kirche als Gastgeber offenhalten und darüber fachkundig Auskunft geben wollen und aus diesem Grund die Ausbildung gemacht haben“. Ob kirchlich gebunden oder nicht habe für die Teilnahme keine Rolle gespielt.
Interesse an Kirchenkunst ist hoch
Matthias Wünsche hat als Pastor der von Touristen gut besuchten Kieler St. Nikolaikirche viele Angebote gemacht, um den Kirchenraum zu erkunden, „mit allen Sinnen“ etwa oder für Schulklassen. Kirchenführungen sind mehr als touristisches Sightseeing, erläutert er:
Die Menschen, die an unserer Fortbildung teilgenommen haben, lieben ihre Kirche und wollen zeigen, was für Schätze diese beherbergt. Sie können jetzt nicht nur die Geschichte der Kirche erzählen und Kunstgegenstände einordnen, sondern auch bei einem Taufstein etwa erläutern, was Taufe bedeutet oder was es mit dem christlichen Glauben zu tun hat, dass unsere Kirchen nach Osten ausgerichtet sind.
In 130 Unterrichtsstunden, an Wochenenden und Studientagen, bei Fachvorträgen, Workshops und Erkundungen haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schulen lassen. Zum Kurs gehörte Stilkunde genauso wie Stimmbildung, Vorträge zum Kirchenbau ebenso wie ein Besuch des Barther Bibelzentrums.
Teilnehmende aus allen drei Sprengeln
Gleich zehn Stadtführerinnen aus Hamburg und aus Schleswig-Holstein waren dabei. Eine von ihnen ist Dörte Jurascheck aus Flensburg. Über ihre Motivation dazu sagt sie: „Zu einer Stadtführung gehören die Kirchen dazu. Diese hatte ich bislang meist gemieden, weil ich mich nicht in Lage sah, ernsthaft und mit angemessenem Respekt über den Altar oder die Orgel etwas sagen zu können. Man kann sich das zwar anlesen, aber dann wäre es nur aufgesagt“, erläutert sie ihre Motivation, am Kurs teilzunehmen. Dies habe sich durch den Kurs entscheidend geändert:
Ich war immer etwas neidisch, wenn andere ein Bauwerk in Stilepochen einordnen konnten. Jetzt kann ich es auch. Das ist Romanik, das ist Gotik, das geht in jeder Kirche.
Persönliche Gespräche von Mensch zu Mensch
Noch während der Ausbildung ist sie dem Team der Kirchenhüterinnen von St. Nikolai in Flensburg beigetreten, Ehrenamtliche, die dafür sorgen, dass die Kirche jeden Tag geöffnet sein kann. Dörte Jurascheck sagt:
Wer in eine Kirche kommt, betritt eine andere Welt, der Lärm der Stadt ist gedämpft. Der Kirchenraum spricht durch seine Atmosphäre, seine Architektur und seine Kunstwerke mit den Menschen.
„Deshalb lasse ich die Besucher erstmal für sich, sie werden ruhiger und bewegen sich bedächtiger. Wenn Leute interessiert gucken, gehe ich auf sie zu und dann entwickeln sich tolle Gespräche, auch über den Glauben, oft sehr persönlich. Der Kirchenraum scheint es zu ermöglichen, sich als Mensch zu zeigen.“
Kreative Arbeit im Kirchraum
Zwei Stunden habe ihre erste Führung gedauert, erzählt Dörte Jurascheck lachend. So erfüllt sei sie von dem, was sie jetzt über ihre Kirche wisse. Als studierte Pädagogin und passionierte Theaterspielerin fällt es ihr leicht, kreative Elemente einzubauen: „Ich kann von Ausstellungsstücken Fotos machen und dann lasse ich auslosen, wozu ich etwas erzähle. Durch den Kurs habe ich einen Handwerkskoffer erworben, der es mir ermöglicht, mir jede Kirche zu erarbeiten, sei es eine Dorf- oder Stadtkirche.“
Durch eine andere Nikolaikirche rund 230 Kilometer weiter östlich führt ihre Wismarer Kurskollegin Martina Jonuscheit. Die Biologin ist vor wenigen Jahren zum Glauben gekommen. Sie bietet mehrmals wöchentlich Gewölbeführungen an und ist jedes Mal selbst beeindruckt von dem Erlebnis: „Man steigt 95 Stufen über eine Wendeltreppe nach oben. Wenn man im Gewölbe angekommen ist, sieht man durch das Fenster auf den Hafen, die Georgenkirche und über die Dächer von Wismar. Dann geht man über einen schmalen langen Holzsteg über dem Kirchenschiff und aus dem Inneren der Kirche dringt Licht hinauf.“
Es kommt auf die Erzählkunst an
Der Küster habe sie mit der Geschichte und den Highlights der Kirche bekannt gemacht. Im Kurs habe sie auch gelernt, lebendig zu erzählen: „Die größte Glocke von St. Nikolai wiegt fünfeinhalb Tonnen. Da oben hängen also umgerechnet vier Kleinwagen dran. In unsere Kirche würde bei einer Länge von 85 Metern und einer Breite von 58 Metern locker ein Jumbojet reinpassen.“
Von der Ausbildung zur Kirchenführerin habe sie auf vielen Ebenen profitiert: „Eine Logopädin hat uns gezeigt, wie wir unsere Stimme im Kirchenraum am besten einsetzen und wie man Leute mit der Stimme fesselt. Wir haben Rollenspiele gemacht und gelernt, mit unterschiedlichen Gästen umzugehen.“ Und sie ergänzt:
Die meisten Leute freuen sich und wollen ein schönes Erlebnis haben, die möchten staunen und etwas erleben.
Zugang zum geistlichen Raum schaffen
„Es kommt auch vor, dass Leute mehr wissen als ich, da ist es immer gut, das sofort zuzugeben. Man kann gar nicht alles über eine Kirche wissen. Dann gibt es die, die hinterher ganz bescheiden etwas sagen und man merkt, das ist ja ein Fachmann.“
Der wichtigste Kursinhalt für sie: „Ich habe gelernt, den Gästen den geistlichen Raum hinter der Architektur zugänglich zu machen. Viele Menschen sind neugierig auf geistige Inhalte und möchten dazu Erklärungen. Sie kommen oft mit einem großen Respekt in das Gotteshaus und möchten gar nicht laut reden.“