Keine Einreiseerlaubnis für Kenianer: Deutsche Jungendliche reisten nach Afrika

„Love-Story“ mit Visa-Problemen

Jugendliche in Kenia - Emma Atieno und Beate Martensen spielen eine Szene aus der deutschen Botschaft nach.
Jugendliche in Kenia - Emma Atieno und Beate Martensen spielen eine Szene aus der deutschen Botschaft nach. © Evangelische Zeitung, Thorsten Pachnicke

20. Juli 2012 von Simone Viere

Elmshorn/Nairobi. Seit über zehn Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf und der lutherischen Kirche Kenias. Ein gemeinsames Musical-Projekt mit Jugendlichen aus Deutschland und Kenia in Elmshorn war von langer Hand geplant worden. Doch die deutsche Botschaft in Nairobi verbot die Ausreise. Begründung: Es sei keine Rückreiseabsicht erkennbar.

Von Melanie Stello

Selbst Bischof Gerhard Ulrich und Elmshorner Politiker schafften es nicht, die Behörden umzustimmen. So flog kurzerhand die 16-köpfige deutsche Gruppe nach Kenia, um das Musical dort mit den Partnern zu entwickeln.

„Wir hätten uns gefreut, wenn es andersherum geklappt hätte und wir die Kenianer nach Deutschland hätten einladen können", sagt Pastor und Organisator Thorsten Pachnicke. „Doch so passierte wenigstens noch etwas gemeinsam." Christiane Zimmermann, stellvertretende Pröpstin des Kirchenkreises, hat die Gruppe ausgesendet: „Das war ein Ding für die Eltern, manche Jugendliche sind erst 14 und fuhren nun nicht nach Sylt, sondern nach Kenia.“

Die Enttäuschung über die nicht erteilten Visa war vor Ort kaum mehr ein Thema. Hanna Hanka (24), seit Juni Praktikantin in der Elmshorner Ökumenischen Arbeitsstelle, war eine Art Mittelsfrau zwischen den Gruppen. Sie spricht Suaheli, arbeitete sechs Monate als Freiwillige in Kenias Hauptstadt Nairobi. Vor Ort hatte sie zu Beginn des Jahres die Vorbereitung der jungen Kenianer betreut. Diese seien über die verweigerte Ausreise „erstaunlicherweise nicht enttäuscht" gewesen. Hanke sei nur ein einziges Mal gefragt worden, was nun eigentlich das Problem gewesen sei. „Es war von Anfang an eine Riesenfreude da, dass das Projekt überhaupt stattfindet. Das Land war unwichtig geworden."

Die Visa-Schwierigkeiten ins Musical eingebaut

Sowohl die elf deutschen (14 bis 20 Jahre) als auch die elf kenianischen Jugendlichen (18 bis 24 Jahre) sind Ehrenamtliche in ihren jeweiligen Heimatgemeinden. Als sie Ende Juni im südkenianischen Voi zusammentrafen, hatten sie nur einen einzigen Tag Zeit, sich kennenzulernen. „Eine Herausforderung", sagt Pachnicke. In Deutschland hätten sie eine Woche Zeit gehabt, ihren Alltag zu teilen, zusammen zur Schule zu gehen. Das fiel nun weg. Doch das Miteinander der Jugendlichen sei vom ersten Moment an unkompliziert gewesen. „Wir kamen an und die waren sofort weg und haben gequatscht", sagt Hanna Hanke.

Ähnlich reibungslos verliefen auch Konzipierung und  Proben des Musicals. Nachdem das Thema entschieden war („Love-Story"), arbeiteten die jungen Leute in drei Gruppen an der Umsetzung: Die Drama Group war für das Schauspiel zuständig, die Music Group für Gesang und Instrumente, der Support für Bühnenaufbau und Kamera. „Ab dem zweiten Tag hieß es nicht mehr: Bist du aus Deutschland oder Kenia?, sondern: Bist du Drama Group oder Music Group?", sagt Pastor Pachnicke. Thema des Stücks waren letztlich sie selbst: eine interkulturelle Jugendgruppe, die sich in Kenia kennenlernt. Sogar die Vorgeschichte mit den Visa-Schwierigkeiten und der Planungsänderung wurde integriert. Die Liebesgeschichte allerdings dichteten die Jugendlichen hinzu: Ein deutsches Mädchen und ein kenianischer Junge verlieben sich ineinander, doch die Beziehung scheitert an den kulturellen Unterschieden. 

An drei Orten wurde das Musical aufgeführt, in Taveta sowie in zwei Gemeinden in Nairobi. Rund 50 Zuschauer sind jeweils gekommen Die Reaktionen auf das 75-Minuten-Stück fielen anders aus, als erwartet. „Die haben oft an Stellen gelacht, die für uns gar nicht witzig waren", so die Teilnehmer. Beispielsweise über eine Szene in der deutschen Botschaft, in der die 18-jährige Janne eine unwirsche Schalterbeamtin spielt, die lieber ihre Fingernägel anschaut, als den jungen Kenianern zu helfen.

Auch die deutsche Botschaft wurde von der Gruppe eingeladen, reagierte aber nicht auf das Schreiben. „Offizielle" Zuschauer gab es dennoch: den kenianischen Bischof Kahuthu, den Afrikareferenten des Zentrums für Mission und Ökumene, sowie Bischof Gerhard Ulrichs Referent Dirk Schulz. Ulrich, der die Gruppe im Vorfeld unterstützt hatte, besuchte zur selben Zeit wie die Elmshorner die lutherischen Partnerkirchen in Kenia und dem Kongo. Da er zur Aufführung nicht dabei sein konnte, traf er die Gruppe zum Mittagessen.

"Es sind Freundschaften entstanden, die wir weiterführen möchten"

Was in der Lovestory ihres Musicals scheitern muss: die interkulturellen Grenzen zu überwinden, funktionierte in der Realiät der jungen Leute erstaunlich gut. „Es sind Freundschaften entstanden, dir wir weiterführen möchten", sagt Laureen Pahl (18). Mit ihrer Freundin Emma, die in Kenia als Lehrerin arbeite, schreibe sie regelmäßig über Facebook. Nach der intensiven Zeit fiel allen der Abschied schwer. „Das Besondere war: Nicht „wir 16 Deutschen", sondern 'wir 29' waren eine Gruppe", freut sich Thorsten Pachnicke. Auf dem Flughafen wollten sie gar nicht auseinander gehen. „Wir fühlten uns sehr zerstückelt auf dem Rückflug", sagt Praktikantin Hanna Hanke. Nun gilt es, das Projekt abzuschließen, ein Film soll entstehen.„Wenn das noch mehr Funken schlägt, arbeiten wir danach weiter daran", verspricht Pachnicke. „Da ist was entstanden in den zwei Wochen, das war spürbar."

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