Menschen im Kirchenasyl gelten nicht mehr als "untergetaucht"
18. Januar 2021
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verzichtet in Zukunft auf eine Verlängerung der sogenannten Überstellungsfrist bei Menschen im Kirchenasyl. Die Entscheidung wird von der Nordkirche mit Erleichterung aufgenommen: Menschen im Kirchenasyl gelten damit nicht mehr als "untergetaucht".
Die Regelung betrifft Flüchtlinge im sogenannte Dublin-Verfahren, also Menschen, für deren Asylantragsprüfung eigentlich andere EU-Länder zuständig sind. Ist es aus verschiedenen Gründen nicht möglich, sie innerhalb von sechs Monaten in das jeweils zuständige Land zurückzuverweisen, muss über ihre Aufnahme in Deutschland entschieden werden.
Ende einer rechtswidrigen Praxis
Das Bundesamt für Migration hatte diese Frist im Jahr 2018 von sechs auf 18 Monate erhöht – in Fällen, wo der Asylbewerber als "flüchtig" beziehungsweise "untergetaucht" galt. Diese Praxis war wiederholt angezweifelt worden. Auch das Bundesverfassungsgericht merkte an, dass diese Regel auf Menschen im Kirchenasyl nicht angewendet werden kann, da ihr Aufenthaltsort meist bekannt ist.
"Die Anwendung der Verlängerungsregelung haben wir deshalb von Anfang an für rechtswidrig gehalten" sagte Pastorin Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche und Vorstandsvorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.
Mitte Januar hat das BAMF nun bestätigt, von dieser Verlängerungspraxis Abstand zu nehmen. "Wir nehmen diesen Schritt erleichtert zur Kenntnis. Er ist lange überfällig", so Jochims. "Wir hoffen nun, dass er insgesamt eine Rückkehr zu einer lösungsorientierten Verständigung über humanitäre Härtefälle einleitet."
Nordkirche bietet 49 Menschen Schutz
In der Nordkirche leben nach Angaben der Flüchtlingsbeauftragten derzeit 49 Menschen in 21 Kirchenasylen. "Die Zahl ist seit 2013 stark angestiegen und seit 2018 wieder stark gesunken", erklärt Jochims. Das liege zum einen an den seit 2018 durchgesetzten Verschärfungen und einer insgesamt gesunkenen Anzahl an Asylbewerbern. Zum anderen würden die Menschen seitdem zentralisiert untergebracht werden, wodurch weniger Kontakt und damit auch weniger Möglichkeiten für eine gute Rechtsberatung entstünden.
Die Entscheidung über ein Bleiberecht liegt letztlich immer beim Staat. Das Kirchenasyl verschafft Menschen, die durch Abschiebung wohlmöglich in Lebensgefahr geraten, jedoch Zeit in einem geschützten Raum. In dieser Zeit kann um eine erneute Würdigung aller Aspekte des jeweiligen Falls gebeten werden, erläutert Jochims. "Oft können während eines Kirchenasyls neue Argumente zusammengetragen werden, die dann eine veränderte Bewertung rechtfertigen."
Seit 2018 kaum inhaltliche Lösungen
Allerdings sei das BAMF seit 2018 bei den Flüchtlingen im Dublin-Verfahren "so gut wie nicht nie mehr zu einer Anerkennung von Härten bereit" gewesen, sagt die Flüchtlingsbeauftragte. Folglich könnten die Kirchenasyle selten inhaltlich gelöst werden. "Sie lösen sich dann aber irgendwann zeitlich: Wenn die so genannte Überstellungsfrist verstrichen und Deutschland für die inhaltliche Prüfung zuständig geworden ist, wird Menschen, die im Kirchenasyl waren, ganz überwiegend ein Schutz zugesprochen", erläutert die Flüchtlingsbeauftragte.
So begrüßt die ökumenische BAG Asyl in der Kirche zwar die Entscheidung des BAMF, in Zukunft auf eine Verlängerung der Überstellungsfristen zu verzichten. Sie fordert aber gleichzeitig auch eine Rücknahme bereits erfolgter Fristverlängerungen bei laufenden Kirchenasylen.
Für die Menschen im Kirchenasyl bestünde nun Hoffnung, dass ihre Fluchtgründe schneller inhaltlich geprüft werden könnten – und nicht mehr nur formal auf Zuständigkeiten.