Mit Kindern im Religionsunterricht die Fastenzeit gestalten
26. März 2025
In einer kleinen Grundschule in Schleswig-Holstein tragen derzeit fast alle – von den Schülerinnen und Schülern bis zu den Lehrkräften – einen selbst gestalteten Button. Darauf steht, worauf sie bewusst verzichten. Doch hinter dieser Aktion steckt mehr als nur ein Symbol: Im Religionsunterricht haben sich die Kinder intensiv mit dem Thema Fasten auseinandergesetzt.
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Bei der Aktion geht es nicht nur um Ramadan und die christliche Fastenzeit, sondern auch um die Frage, warum Verzicht manchmal sogar guttun kann. Der Religionsunterricht bietet eine Gelegenheit, mal "über den Tellerrand" zu schauen.
Kinder werden sprachfähiger
In der Schule wird Religion oft als das „kleine Fach der großen Fragen“ beschrieben und ist bei Schülerinnen und Schülern durchaus beliebt. Das liegt daran, dass die Auseinandersetzung mit spirituellen Überlieferungen großer Religionen als spannend und gleichzeitig „gechillt“ erlebt wird, meint Silke Schrank-Gremmelt. Die Lehrerin unterrichtet einmal pro Woche Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse in Religion.
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„Religion ist ein tolles Fach, weil es wirklich nur um die Kinder geht. Wir schauen interreligiös über den Tellerrand und hören auf das, was die Kinder angeht. Es geht nicht darum, was Du leistest, sondern was Du persönlich denkst – und dass Du es zum Ausdruck bringst. Sprachfähig zu werden ist ein ganz großes Thema, damit wir in einen guten Dialog kommen“, sagt die Studienleiterin.

„In Reli hat jeder Mensch die Chance, seine Perspektive aufs Leben weiterzuentwickeln, völlig unabhängig von eigener (Nicht)Religiosität. Einige nennen es Universum, einige nennen es das große Ganze. Manche nennen ein großes Du, Allah, viele nennen es Gott. Einfach mal schauen, ob für mich etwas stimmig sein könnte.“
Fasten als Thema im Religionsunterricht
„Gerade in diesem Jahr“, berichtet die Lehrerin, „bot es sich an, Fasten intensiv zu thematisieren, da Ramadan und die christliche Fastenzeit zusammenfallen. Im Augenblick habe ich nur eine muslimische Schülerin dabei, aber es waren auch schon bis zu fünf Kinder muslimischen Glaubens in meiner Klasse – selten auch einmal ein jüdisches Kind.“
Zu Beginn wandte sich Silke Schrank-Gremmelt an die Eltern und erläuterte in einer E-Mail, mit welchen Inhalten sich die Kinder beim Thema Fasten beschäftigen würden. Dabei erfuhr sie, dass in einigen Familien bereits feste Fastentraditionen existieren – etwa der Verzicht auf Fleisch oder Zucker oder das bewusste Erleben der Fastenzeit.
Warum Verzicht mehr als nur Verzicht ist
Der Frage, warum Verzicht etwas Gutes sein könnte, spürten die Kinder aller Klassenstufen im Gespräch mit der Lehrerin nach. Verzicht – das war zunächst für die meisten etwas, das ihnen gar nicht zusagte. Auf etwas zu verzichten, um anderen etwas Gutes zu tun, fiel ihnen hingegen leichter. So brachten viele Kinder Spiele oder Süßigkeiten mit, um sie für Päckchen in die Ukraine zu spenden, obwohl sie die Ostereier am liebsten gleich selbst gegessen hätten.
Im gemeinsamen Austausch überlegten sie, welche Dinge gut oder schlecht sind. Der Verzicht auf Hausaufgaben? Am Ende doch keine so gute Idee. Aber der Verzicht auf Schimpfwörter, die andere verletzen? Oder auf Spottnamen, die beleidigen und traurig machen? Der Verzicht auf lautes Verhalten, das andere erschreckt? „Ich möchte nicht mehr blöd angemacht werden, das finde ich richtig schlimm“, war für viele der Grundschulkinder ein wichtiges Anliegen.
Eine besondere Schatzsuche
„Vorab hatte ich mit den Kindern eine besondere Übung gemacht – eine Schatzsuche“, berichtet Silke Schrank-Gremmelt. „Wir sind durch die Schule bis auf den Dachboden gewandert. Dort oben, nur über eine steile Treppe erreichbar, steht eine Truhe. Jedes Kind durfte alleine hochgehen, die Truhe öffnen und den Schatz anschauen. Mit einem Lächeln im Gesicht kamen sie zurück – denn in der Truhe ist ein Spiegel. Aus dieser Erkenntnis – ich bin ein Schatz, ich bin wertvoll, ich bin wunderbar gemacht – haben wir das Thema weiterentwickelt. Was tut mir nicht gut? Was ist zu viel?“
Böse-Worte-Fasten und andere „Challenges“
Daher war eines der häufigsten Motive, das sich auf den Buttons wiederfand, das „Böse-Worte-Fasten“. Auch der Verzicht auf Streit spielte eine große Rolle – eine besondere Herausforderung, wenn man nicht unbedingt die Person ist, die den Streit beginnt. „Da haben die Kinder intensiv miteinander überlegt und Ideen entwickelt, wie es trotzdem möglich sein kann, Streit zu beenden oder ihm aus dem Weg zu gehen“, erzählt die Studienleiterin. „Das ist schon spannend, wenn die Kinder sich darauf einlassen und sich gegenseitig ein bisschen Lebenshilfe geben.“
Auch der Verzicht auf Medienkonsum oder das Kutschiert-Werden mit dem Auto wurde von den Schülerinnen und Schülern aufgegriffen. Dass es besser ist, rauszugehen, mit Freunden Fußball zu spielen, die Natur zu genießen und schonend mit den Ressourcen umzugehen, ist selbst den Kindern in der ersten Klasse bewusst. „Die Kinder kommen ja nicht ohne Vorwissen in den Unterricht. Umwelt- und Klimaschutz liegen ihnen am Herzen. Nicht nur ich selbst bin mir wichtig, sondern auch das, was um mich herum ist, vor allem die Familie.“
Verzicht ist keine leichte Aufgabe
Zur eigenen Reflexion schreiben die Kinder auf, wie es ihnen mit ihren Vorsätzen ergeht: jeden Tag ohne Medienkonsum oder Playstation, ohne Süßigkeiten, Cola oder Schimpfwörter. Zwei Wochen mehr draußen spielen statt drinnen zu sitzen. Oder auch bewusst auf Fleisch zu verzichten. Für einige ist das keine leichte Aufgabe.
Deshalb wird es am Ende der Fastenzeit nicht nur darum gehen, wie leicht oder schwer der Verzicht gefallen ist. Auch das gemeinsame Beenden der Fastenzeit soll gefeiert werden. „Wir wollen schon am 4. April ein kleines Fest veranstalten und unsere Erfolge feiern – egal, ob wir es nur für einen Nachmittag oder für die ganzen zwei Wochen durchgehalten haben. Einige sind richtig taff und wollen das bis zum Ende durchziehen.“
Lernen aus Erleben
Für Silke Schrank-Gremmelt ist der Religionsunterricht dann gelungen, wenn die Schülerinnen und Schüler aus eigenen Erfahrungen Selbstwirksamkeit lernen – wie beim selbstgewählten Verzicht. „Religionsunterricht muss erfahrungsorientiert sein, wenn das nicht der Fall ist, ist es nur totes Wissen. Dann kannst Du einpacken.“