Pastor Jordan aus Eckernförde: Geburtsstationen dürfen nicht schließen
11. April 2023
In Schleswig-Holstein gibt es immer weniger Geburtsstationen. Schwangere Frauen müssen teils weite Strecken bis zur nächsten Klinik fahren. Der Eckernförder Pastor Michael Jordan sieht die Politik in der Verantwortung.
„Storchenparkplatz“ wird ein kleiner Bereich vor einem Baumarkt in Eckernförde genannt. Der Grund: Seit Ende 2021 die Geburtsstation der Imland-Klinik in Eckernförde geschlossen wurde, sind dort mehrfach Kinder zur Welt gekommen, sodass der Marktleiter extra einen Platz für die notgedrungenen Niederkünfte reservierte. Für die Mütter aus der Region bedeutet der Wegfall der Station eine Versorgungslücke - und ein Risiko.
Demonstrationen für Erhalt der Geburtsstation
Viele Bürger der kleinen Stadt an der Ostsee hatten sich für den Erhalt aller Stationen des in finanzielle Schräglage geratenen Krankenhauses eingesetzt, inklusive der Geburtsstation.
So auch Michael Jordan, Pastor der Kirchengemeinde St. Nicolai, selbst Vater von drei Kindern. „Ich war froh, dass alle drei in kleinen Kliniken auf die Welt gekommen sind, in denen es ein familiäres Umfeld gab. Und die auch in erreichbarer Nähe lagen“, so der Seelsorger.
Doch am Ende nützten weder Demo noch Bürgerentscheid der Eckernförder: Ein privater Betreiber übernahm den Standort. Die Geburtsstation wird nicht wieder eröffnet, die Versorgungslücke bleibt. Wenn die Wehen einsetzen, sind hochschwangere Frauen nun teils deutlich mehr als eine Stunde im Auto zum nächsten Kreißsaal unterwegs.
Pastor: Kein Platz in der Herberge
Jordan sieht darin ein Zeichen, dass das derzeitige System der Geburtenhilfe im Norden nicht funktioniert. „Wer möchte schon, dass Kinder in Rettungswagen geboren werden? Das ist eine absolute Notsituation.“
Aus theologischer Sicht zitiert der Pastor die Bibel. Als er von den Geburten auf dem Baumarkt-Parkplatz erfahren habe, kam ihm Weihnachten in den Sinn. „Sie hatten keinen Platz in der Herberge“, heißt es dort. „Heute gibt es hier in Eckernförde ebenfalls keinen Ort, keine Geburtsklinik mehr, in der Frauen entbinden können“, sagt Jordan.
Fahrzeit viel zu lang
Mehr Stellungnahmen der Fachgesellschaft für Hebammenwissenschaft
Laut Experten der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft sind 30 Minuten die maximal vertretbare Fahrtzeit, um eine Klinik zu erreichen. Für werdende Mütter aus der Region Schwansen sei das utopisch, so Jordan.
Verantwortlich für die flächendeckende Versorgung mit Geburtskliniken im Land sei die Politik. Auch die Kreise sieht der Pastor in der Pflicht. „Die Rahmenbedingungen treffen der Bund und das Land, deswegen müssen dort die richtigen Entscheidungen getroffen werden.“
In ganz Schleswig-Holstein immer weniger Geburtsstationen
Die Anzahl der Geburtsstationen in Schleswig-Holstein nimmt seit der Jahrtausendwende stetig ab. Gab es im Jahr 2000 noch 25 Kliniken, in denen Frauen ihr Kind zur Welt bringen konnten, sind es heute nur noch 17 - knapp ein Drittel weniger.
Zugleich hat sich die Zahl der Geburten in Schleswig-Holstein nur wenig verringert: Im Jahr 2000 kamen knapp 27.000 Kinder zur Welt, 2021 waren es 25.300 Jungen und Mädchen.
Föhr: Kaum noch "waschechte Insulaner"
Auf der Nordseeinsel Föhr ist die Schließung von Kreißsaal und Geburtsstation schon rund acht Jahre her. Seither sind Geburten auf der Insel selten geworden.
Die Frauen müssen zur Entbindung aufs Festland, reisen meist 14 Tage vor dem Stichtag in der Regel nach Heide, sagt die Insel-Pastorin Kirsten Hoffmann-Busch.
Nimmt man es genau, gibt es daher kaum mehr „waschechte Insulaner“ als Nachwuchs. In der Geburtsurkunde stehen oft Heide oder auch Flensburg. Natürlich wünschten sich die Föhrer, dass Kinder auf der Insel zur Welt kommen, sagt die Pastorin.
„Die Menschen sind ja über Generationen hier auf Föhr geboren. Früher kamen die Kinder zu Hause, dann im Krankenhaus zur Welt. Jetzt gibt es das hier nicht mehr.“ Damit hätten sich die Menschen aber arrangiert. Ihre Identität erhielten die Kinder, indem sie auf Föhr aufwachsen. Da sei der tatsächliche Geburtsort eher zweitrangig.