Pastoren beim Jobshadowing: Einmal in einen anderen Beruf schnuppern
22. März 2019
Was entdecken Pastorinnen und Pastoren, wenn sie mal einen Arbeitstag lang einem Entscheider aus der Wirtschaft über die Schulter schauen – und dann die Wirtschaftsexperten den Kirchenleuten? Beim Job Shadowing wird die Perspektive gewechselt, um einen Beruf aus einem scheinbar ganz anderen Bereich kennenzulernen. Der „Dialog Kirche und Wirtschaft Hamburg“ macht’s möglich.
Als Pastor Matthias Liberman bei dem Juristen Thomas Goltz im Jobcenter zu Besuch ist, hinterlassen zwei Dinge bei ihm besonders Eindruck. Erstens: „Die Leute kämpfen dort richtig für ihre ‚Kunden‘, dass sie die bestmögliche Hilfe bekommen.“ Das „böse Amt“, wie es laut Liberman häufig genannt wird, konnte der Pastor aus der Hamburger Kirchengemeinde Winterhude-Uhlenhorst nicht finden. Und zweitens: „Wenn bei Herrn Goltz im Jobcenter das Dach undicht ist, muss er sich nicht selbst darum kümmern – sein Aufgabenbereich ist spezifischer.“
Die Bandbreite des Pastorenberufs kennenlernen
Tatsächlich zeigen sich andersherum auch die Jobshadowing-Teilnehmer aus der Wirtschaft überrascht über die Bandbreite an Aufgaben, welche die Pastoren jeden Tag zu bewältigen haben. Sie werden zum Kita-Gottesdienst, zum Senioren-Singkreis und auf Kirchengemeinderatssitzungen mitgenommen.
„Superspannend war das“, sagt Jan Richter, Einkaufsdirektor bei Gebr. Heinemann. Dort kümmert er sich darum, dass Shops in der ganzen Welt mit Duty Free Produkten beliefert werden. Nun konnte er sich einmal die Arbeit in der Pauluskirchengemeinde in Hamburg-Heimfeld ansehen. Und erkennt Überschneidungen: „Wie kann man die Kunden in der Fläche erreichen, fragen wir uns“, so Richter. „In der Kirche stellt sich die gleiche Frage: Wie kann man vor allem junge Menschen begeistern?“ Aus ihm sprudeln gleich ein paar Ideen: Vielleicht ein Foodtruck-Festival in Heimfeld? Dazu ein eigener Instagram-Kanal?
Wie kann man junge Menschen in Verantwortung bringen?
Und dabei zählt auch, Jüngere miteinzubinden – das hat sich Pastor Alexander Baum aus der St. Johannis Kirchengemeinde Curslack beim Betreiber des sozialen Netzwerks Xing angesehen. „Wie kann man junge Menschen in Verantwortung bringen?“, fragt er und stellte sofort Unterschiede bei den Hierarchien fest. „Während ich bei der Kirche einer der Jüngeren bin, war ich bei XING so ziemlich der Älteste.“
Die Begeisterung fürs Jobshadowing war gleich vorhanden
Gegenseitige Impulse für die Arbeit, das versprechen sich die Initiatoren des Jobshadowings. In „Common Purpose“, einem Netzwerk aus Entscheidern in Hamburg, wurde die Idee für das berufliche „Über-die-Schulter-schauen“ entwickelt, erzählt Renate Fallbrüg. Sie betreut das Projekt im Rahmen der Initiative Dialog Kirche und Wirtschaft Hamburg beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Nordkirche - und hat nach der Ideenfindung gleich vier Kandidaten aus der Wirtschaft für das Projekt „verpflichtet“. „Die Pastoren dann dafür zu begeistern, war nicht schwer“, sagt sie. Diese kommen alle aus der „Werkstatt U 45“, einer Gruppe an Pastoren unter 45 Jahren, die sich damit beschäftigen, wie Kirche in Zukunft aussehen könnte.
Wie gehen Kirchen und Unternehmen mit aktuellen Umbrüchen um?
So wie eben Matthias Liberman, der schon viel darüber nachgedacht hat, wie die Kirche auch mit den aktuellen Umbrüchen in der Gesellschaft – die Digitalisierung, die demografische Entwicklung – umgehen soll. Deswegen wollte er auch beim Job Shadowing mitmachen: „Mich interessiert, wie andere Institutionen damit umgehen, was für Lösungen sie entwickeln.“
"Die Menschen müssen sich in der Kirche wohl fühlen"
Die Sache mit dem kaputten Dach zeigt für Liberman nämlich, dass es in Zukunft in den verschiedenen Kirchenbereichen eine viel größere Professionalisierung geben müsse. Denn schließlich werden sich die Pastoren bei dem in Zukunft drohenden Pastorenmangel noch stärker auf ihre „klassischen“ Aufgaben konzentrieren müssen. Und nicht nur das: „Konzeptionell muss sich dringend etwas ändern und neue Ideen eingebracht werden“, sagt der Pastor. „Es wird nicht so bleiben wie es ist und da sollte man aber trotzdem versuchen, möglichst viel selbst zu gestalten.“ Vielleicht Wellness in der Heilandskirche? Fakt ist für ihn: „Die Menschen müssen sich in der Kirche wohl fühlen.“