Studie: Menschen fliehen wegen der Klimakrise
19. Juni 2023
Jedes Jahr am 20. Juni findet der Weltflüchtlingstag statt. In diesem Jahr geht es um das Recht auf Schutz. Mindestens 89,3 Millionen Menschen auf der ganzen Welt waren Ende 2021 gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Weitere Informationen zum Weltflüchtlingstag beim UN-Flüchtlingsrat
Bereits heute müssen Millionen Menschen unfreiwillig ihre Heimat verlassen, aufgrund der Klimakrise und ihren Folgen. Durch die Zunahme von Wetterextremen wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Stürmen werden die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zerstört.
Notlagen und Konflikte werden verstärkt
Schleichende Umweltveränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels gefährden Küstenregionen und ganze Inselstaaten, Grundwasserspeicher versalzen und Böden erodieren. Zunehmende Dürren führen zu Ernteverlusten, die langsame Verschiebung von Klimazonen zu Wasserknappheit und Verlust von Weideflächen.
Zu diesen Veränderungen kommen oft Extremwetterereignisse hinzu. Die wiederum verstärken bereits bestehende Notlagen und Konflikte. Die Klimakrise rückt also als Fluchtursache zunehmend in den Blick von NGOs, politischen Verantwortlichen und Wissenschafter:innen.
Aktuelle Studie veröffentlicht
Aktuelle Studie analysiert auch Versäumnisse und Möglichkeiten zum Schutz von Klimaflüchtlingen. Hier gibt es die Studie zum Download.
Dr. Katherine Braun ist Referentin für Flucht und Menschenrechtsfragen der Nordkirche im Büro der Flüchtlingsbeauftragten. Sie hat für "Brot für die Welt" eine Studie zum Zusammenhang der Klimakrise und Migration verfasst.
Hier erläutert sie, wie Politik, Gesellschaft und Gesetze darauf reagieren müssen:
Liebe Frau Braun, was ist derzeit das Problem für Menschen, die aufgrund der Klimakrise zur Flucht gezwungen werden?
Dr. Katherine Braun: Klimabedingte Migrant:innen befinden sich in einer Schutzlücke, da sie keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sind. Der Klimawandel wird von der Konvention nicht als Fluchtgrund anerkannt.
Das Fehlen legaler Migrationswege zwingt Menschen, tödliche Fluchtwege zu nehmen. Oftmals sind sie Menschenrechtsverletzungen und Arbeitsausbeutung ausgesetzt.
Eine Entscheidung des UN-Menschenrechtsausschusses von Anfang 2020 könnte jedoch die Tür für Schutzansprüche in der Klimakrise öffnen.
Der UN-Ausschuss bestätigte: Die Klimakrise bedroht das Recht auf Leben gemäß UN-Zivilpakt. Diese Verfahren sind aber langwierig und kostspielig.
Welche Strategien sind auf nationaler und internationaler politischer Ebene nötig, um den Menschen zu helfen?
Es bedarf dringend zusätzlicher legaler Migrationswege. Weil Migration vor allem innerhalb der Regionen stattfindet, müssen diese auch in der Aufnahme und Versorgung unterstützt werden, aber auch der Globale Norden muss Menschen aufnehmen!
Nötig sind außerdem politikfeldübergreifende und kohärente Ansätze aus der Entwicklungszusammenarbeit, dem Katastrophenschutz, humanitärer Hilfe und Migrationspolitik. Derzeit haben wir es aber eher mit einem Flickenteppich zu tun. Die Instrumente sind weit entfernt von der Lebensrealität und den Bedürfnissen der Betroffenen und widersprechen sich auch in ihren Zielen.
Im Vorfeld des Treffens der EU-Innenminster:innen hatten die Diakonischen Werke und die Nordkirche einen Aufruf unter dem Titel "Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes" unterzeichnet.
Zum Beispiel wird der Schutz vor klimabedingter Vertreibung von Hilfsorganisationen zunehmend anerkannt. Die Migrations- und Asylpolitik insbesondere im Globalen Norden ist aber weit entfernt davon, die Menschenrechte und die Würde von diesen Menschen in den Vordergrund zu stellen.
Die geplante Reform der EU-Asylpolitik zeigt, dass wir uns immer weiter Menschenrechten und globaler Gerechtigkeit entfernen.
Was wissen Sie aus Ihrer Studie über die Bedürfnisse der betroffenen Menschen vor Ort?
Ob und wie Menschen von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, hängt davon ab, wo sie leben und welche Strategien zur Anpassung an den Klimawandel es dort gibt.
Neues Projekt in der Nordkirche: Deutsch-tansanische Klimapartnerschaften
Da die Länder des Globalen Nordens die Verursacher der Klimakrise sind, sind wir auch in der Verantwortung für entstandene Schäden und Verluste aufzukommen. Wir müssen finanzielle und technische Unterstützung leisten, damit die Menschen sich an den Klimawandel anpassen können.
Auch besonders benachteiligte Gruppen müssen besser geschützt werden. Nötig sind zudem funktionierende Gesundheits- und Sozialschutzsysteme.
Da wird viel auf UN-Ebene und zwischen Staaten verhandelt. Doch die Betroffenen müssen mehr an Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen beteiligt werden. Sie wissen am besten, was sie brauchen.
In ihrer Studie beschreiben Sie, dass auch Menschen, die ihre Heimat verlassen, etwas gegen die Folgen der Klimakrise tun. Warum?
Erstmal rettet die Flucht im Katastrophenfall Leben. Migration kann eine Strategie der Risikominderung und der Anpassung an den Klimawandel. Sie führt bereits jetzt zu einer größeren Vielfalt der Einkommensformen. So können etwa Rücküberweisungen von Migrant:innen in ihre Heimatorte dazu führen, dass sich dort die Haushalte besser anpassen und vor den Folgen der Klimakrise schützen können.
Die Rücküberweisungen beliefen sich laut Weltbank 2020 auf 702 Milliarden US-Dollar, und übersteigen damit die Entwicklungsgelder um ein Vielfaches. Voraussetzung ist aber, dass klimabedingte Mobilität geschützt und menschenrechtskonform stattfindet.