"Traumbilder": Eine Entdeckungsreise mit Hempels
21. Mai 2024
„Traumbilder“ heißt eine Foto-Ausstellung in der Offenen Kirche St. Nikolai in Kiel. Gleichzeitig ist dies der Titel einer großen Kultur-Initiative des Straßenmagazins Hempels. Willkommen ist jeder zu Musik, Debatten und sozialen Stadtführung, die alle das Ziel haben, Armut zu enttabuisieren.
„Ich guck‘ mir alle Videos vom Goldrausch in Alaska an, und bin auch sonst voll der Football- und Amerika-Fan“, meint Jan. Kein Wunder, dass sich der 58-Jährige für die Foto-Ausstellung „Traumbilder“ als Goldgräber hat ablichten lassen.
Sie werden sichtbar in einer anderen Rolle
Diese zeigt fabelhafte Gestalten wie Graf Dracula, historische Persönlichkeiten wie Queen Elisabeth I. oder schillernde Stars wie Nina Hagen samt Stinkefinger. Allen verkleideten Protagonisten gemeinsam ist: Sie sind oder waren einmal Verkäufer des Straßenmagazins Hempels.
„Menschen, die auf der Straße leben, leiden oft darunter, dass sie nicht gesehen werden. Ich wollte sie sichtbar machen, und zwar anders als man sie kennt“, erklärt Fotograf Holger Förster. Dafür hat er zehn Männer und Frauen ins Scheinwerferlicht des Kieler Schauspielhauses gerückt.
Goldgräber statt Straßenverkäufer
Ihre Kostüme durften sie sich aus dessen großen Fundus aussuchen. „Es sollte etwas anderes sein als das normale Leben, das ich führe. Und Goldgräber ist für mich Abenteuer und die Hoffnung, finanziell unabhängig zu sein“, erzählt Jan. Anfangs fiel es ihm nicht leicht, vor der Kamera zu posieren. Doch relativ schnell legte sich die Aufregung. „Und die Fotos sind absolut klasse!“
Alle Bilder sind überlebensgroß vom 7. Juni an in der St. Nikolaikirche in Kiel am Alten Markt zu sehen. Versehen mit kurzen Statements und Vorstellungen der Menschen vor der Kamera.
Konzerte auf der Straße
Fast noch getoppt wird die Ausstellung vom kreativen Rahmenprogramm, das sich bis Ende Juli wie ein roter Faden durchzieht. Darunter ist das Format „Nikolai meets Straßenmusik“. Wo sonst in der Kirche am Mittwochnachmittag zur „Halben Stunde“ gediegen musiziert wird, tritt dann Henning mit seiner Gitarre auf oder Salah greift zu den Percussions.
„Das sind ganz normale Konzerte, nur die Musiker spielen sonst eben nicht im Konzertsaal, sondern auf der Straße“, stellt Maren Schmidt klar. Die Pastorin der Offenen Kirche St. Nikolai hat gemeinsam mit Hempels und weiteren Akteuren am Rahmenprogramm gestrickt.
Die Kirche St. Nikolai heißt alle willkommen
In ihrer Kirche treffen tagtäglich die unterschiedlichsten Leute aufeinander: Kreuzfahrttouristen, Angestellte in der Mittagspause, Obdachlose, die sich einen Gutschein für ein Mittagessen abholen.
„Mir ist wichtig, dass sich hier alle willkommen fühlen, ganz egal, woher man kommt oder was man macht. Du bist willkommen!“, betont Schmidt. Und das gelte erst recht für das große Festmahl, das am 7. Juli mitten auf dem Alten Markt gefeiert werden soll.
Gottesdienst und Festmahl
Nach dem 10 Uhr-Gottesdienst mit Bischöfin Nora Steen gibt es unter anderem Ciabatta, Curry, Spinatknödel und Dessert für bis zu 80 Leute.
Geht es beim Festmahl um die gute Gemeinschaft, kann es bei der Podiumsdiskussion zur Ausstellungseröffnung in der Offenen Kirche St. Nikolai durchaus kontrovers zugehen. Sie trägt den Titel „Keine Wohnung, keine Zukunft – Perspektiven der Sozialpolitik“.
Kampf gegen Armut
Ins Gespräch mit Grünen-Politiker Lasse Petersdotter und dem Kieler Stadtrat Gerwin Stöcken kommen dabei auch zwei ehemals wohnungslose Menschen. „Die beiden berichten von ihren Erfahrungen, davon, was sie bewegt. Und wir fragen auch, was sich verändern muss, damit Menschen, die Armut erfahren, eine Chance bekommen“, kündigt Cara Salto an.
Die Vertriebsleiterin des Straßenmagazins Hempels begleitet das Rahmenprogramm auch als Moderatorin, sei es bei der Lesung von Schriftsteller Feridun Zaimoglu aus seinen Romanen „Leyla“ und „Siebentürmeviertel“ oder bei der Einführung in den Kino-Film „Europa-Passage“ im Kino in der Pumpe. Die Dokumentation handelt von rumänischen Roma, die zum Betteln nach Hamburg gekarrt werden.
Eine besondere Stadtführung
„Zur Ausstellung gibt es extra noch soziale Stadtführungen, mit Menschen, über die sonst viel geredet wird, und zu Orten, die manche eher meiden“, zählt Salto einen weiteren Punkt des Rahmenprogramms zur Traumbilder-Ausstellung auf. Komplett liegt es in der Offenen Kirche St. Nikolai als Faltblatt aus und ist im Internet unter anderem auf den Seiten von Hempels und der Kirchengemeinde zu finden.