Reformationstag in der Nordkirche
01. November 2017
Es war der Höhepunkt des Jubiläumsjahres: Am vergangen Dienstag feierten wir 500 Jahre Reformation. Überall in der Nordkirche erinnerten sich Menschen in teils übervollen Gottesdiensten und Empfängen an das geschichtsträchtige Ereignis. In Hamburg, Schleswig und Rostock mit Grußworten der Regierungschefs.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat die offene Art der kirchlichen Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum 2017 gelobt. Dies sei ein wichtiges Zeichen für Freiheit und Toleranz, sagte Schwesig am Dienstag beim Reformationsempfang in der Rostocker St. Nikolaikirche.
Die Reformation habe die Tür aufgestoßen zur Freiheit und Würde jedes Einzelnen, betonte Landesbischof Gerhard Ulrich. Sie habe die Ungerechtigkeit und Spaltung der Gesellschaft enttarnt und den Erniedrigten eine vitale Stimme gegeben.
Kirchen betonen das Gemeinsame
Offenheit, Freiheit und Toleranz seien für ein friedliches Miteinander unverzichtbar, sagte die Regierungschefin vor mehreren hundert Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Sie sei froh, dass auch die Kirchen das Gemeinsame und nicht das Trennende betont haben. Gerade in Zeiten, in denen "viele Mauern bauen und Gräben ziehen", sei es wichtig, Brücken zu bauen.
Schwesig betonte den großen Beitrag der Kirchen zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Sie würden Partei für diejenigen ergreifen, die Unterstützung und Solidarität brauchten: "Ihr Wort hat Gewicht."
Luther sei kein Held gewesen, sagte der Landesbischof in seiner Predigt. "Er brach nicht nur mit Vergangenem. Er war auch eine Person mit Brüchen." Es zähle zu seinen Stärken, dass er die Qualen des Lebens existenziell ertragen habe. Er habe sie nicht verdrängt und sich keine Scheinlösungen eingeredet. Zugleich habe Luther die Musik als "Atem des Glaubens" gefördert.
Antworten zu Glauben und Leben selber finden
Ein wesentlicher Beitrag der Reformation zur gesellschaftlichen Veränderung sei gewesen, nicht auf vorgegebene Autoritäten zu vertrauen, betonte Ulrich. Der Mensch sollte die Antworten zu Glauben und Leben mit dem Blick in die Bibel selber finden.
Im Zentrum der Feierlichkeiten steht nach den Worten des Schweriner Bischofs Andreas von Maltzahn nicht die Geschichte, sondern die aktuelle Bedeutung der Reformation. Dabei gehe es um das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung sowie um die Selbstverantwortung von Menschen für Kirche, Schulen und Gemeinwesen. Nicht zuletzt gehe es um darum, "die Frage nach Gott wichtig sein zu lassen".
Festgottesdienst im Hamburger Michel
Die Reformation hat nach den Worten von Hamburgs ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Entwicklung der Hansestadt positiv beeinflusst. Sie sei eine beispiellose Bildungsoffensive gewesen, sagte Scholz am Dienstag beim Festgottesdienst im Michel.
Bischöfin Kirsten Fehrs betonte, die Reformation habe eine solche Kraft entwickelt, weil sie eine "Entdeckung des Ich" gewesen sei. "Ich bin so frei, selber zu denken." Die Gemeinschaft dürfe dabei aber nicht aus dem Blick geraten. Fehrs: "Es geht darum, das Ich stark zu machen für ein neues Wir."
Reformation bewegte viel in Hamburg
Scholz erinnerte daran, dass um das Jahr 1517 Hamburg nur vier Kirchen, aber mehrere hundert Brauereien gehabt habe. Bereits elf Jahre später sei Hamburg lutherisch geworden und habe 1529 eine neue Stadtverfassung bekommen, die den Bürgern mehr Mitsprache einräumte.
Luther sei aber auch fundamentalistisch und opportunistisch gewesen, gab der Bürgermeister zu bedenken. Es sei eine große Leistung des Protestantismus, die Widersprüchlichkeit von Reformator und Reformation zu akzeptieren. "Dass Religion und Aufklärung kein Widerspruch sein müssen, das ist im Lutherjahr ein wichtiges Signal."
Auch heute gibt Reformation Impulse zur Veränderung
Die Reformation könne auch heute noch Impulse zur Veränderung geben, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs in ihrer Predigt vor mehr als 2.500 Besuchern. Luther habe überkommene Strukturen infrage gestellt.
"Ein einzelner Mensch, der der Institution mit großer Distanz gegenüber steht - das ist ein ziemlich modernes Phänomen." So müssten Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Institutionen immer wieder um Akzeptanz werben.
"Menschen brauchen Institutionen, wenn nicht das Recht des Stärkeren herrschen soll", sagte Fehrs. Hier könne der Reformationstag künftig eine wichtige Rolle spielen.
Es gehe dabei nicht um konfessionelle Abgrenzung, sondern um eine Besinnung auf gemeinsame Wurzeln und notwendige Veränderungen. Der Glaube verändere nicht deshalb die Welt, weil die Kirche etwas fordere, sondern weil verantwortungsbewusste Christenmenschen in Beruf und Politik dafür einstehen.
Reformationsgottesdienst im Schleswiger Dom
Nach den Worten des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) hat Martin Luther eine Kirche wachgerüttelt, "die in weiten Teilen nicht mehr sehr christlich war". Die Kirche sei nur so gut oder schlecht, wie die Menschen, die sie prägen, sagte Günther am Dienstag im zentralen Reformationsgottesdienst im Schleswiger Dom.
Luthers mutiger Streit für die Wahrheit und Freiheit des Glaubens habe Orientierung für die Zukunft geschaffen, betonte der Schleswiger Bischof Gothart Magaard.
Gute Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken
Luther habe die Liebe Gottes in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens gerückt, sagte der bekennende Katholik Günther vor rund 900 Gästen. Sie sei auch das verbindende Element zwischen den beiden Kirchen. Er freue sich über die guten Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken im Norden. Dass er als katholischer Ministerpräsident bei einem evangelischen Festgottesdienst sprechen dürfe, "ist ein gutes Zeichen für die Ökumene."
Rechtsstaat und Gottes Gnade sind zu unterscheidende Dinge
Zu den spürbaren Auswirkungen der Reformation zähle die Stärkung der Bildung und das Eintreten für die Freiheit, sagte Bischof Magaard in seiner Predigt. Es sei die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen und etwas Neues zu wagen. Luther habe deutlich gemacht, dass der Rechtsstaat und Gottes Gnade zwei zu unterscheidende Dinge seien, die dennoch nicht beziehungslos sind.
Bischof Gothart Magaard erinnerte zudem an die Bedeutung Luthers für den Gesang, der in den Kirchen und in der Welt erklinge. Musik, so Magaard, sei ein "Geschenk des Himmels".
Zu den prominenten Gästen im Schleswiger Dom zählten der katholische Weihbischof Horst Eberlein, Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU), der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Bernhard Flor, und zahlreiche Geistliche aus der dänischen Kirche und der englischen Partnerdiözese Ely.