27. Januar: Gedenken und Handeln am Holocaust-Gedenktag
20. Januar 2025
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Heute ist dieser Tag einer, an dem wir bundesweit den Opfern von Faschismus und Gewaltherrschaft gedenken. Doch nicht nur die Erinnerung steht in diesem Jahr im Mittelpunkt: Mehr denn je müssen wir uns vor Augen halten, dass Demokratie, Toleranz und Frieden Dinge sind, für die wir jeden Tag aktiv einstehen müssen. Unser Veranstaltungsüberblick.
Die Grausamkeit, mit der die Nationalsozialisten Millionen von Menschen ermordeten, weil sie nicht in ihr Weltbild passten, ist unvorstellbar. Nur schwer lassen sich die Zeitzeugen-Berichte, Fotos und die Protokolle, die die Nazis selbst über ihre Taten anfertigten, aushalten.
Filme, Andachten und Ausstellungen in Kirchen
80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz: EKD-Spitze gedenkt der Millionen im Holocaust ermordeten Menschen: „Christlicher Glaube und Antisemitismus sind unvereinbar“
Um die Erinnerung an die Grausamkeiten während der Herrschaft der Nationalsozialisten wachzuhalten, organisieren viele Gemeinden und Einrichtungen in der Kirche Film-Abende, Andachten und Ausstellungen. So können sich die Menschen direkt vor Ort mit dem Thema beschäftigen. Unsere Bischöfinnen und unser Bischof sind darüberhinaus auch zu offiziellen Gedenkfeiern eingeladen.
Moderne Formate für junge Menschen
Theoretisch sind sie jede:m zugänglich. Praktisch braucht es jedoch verschiedene Formate, um Menschen nachhaltig zu erreichen. In Hamburg und anderen Städten im Norden arbeiten Historiker:innen und andere Wissenschaftler:innen daran, die Materialien so zu präsentieren, dass sie von unterschiedlichen Zielgruppen besser aufgenommen werden können. Schwerpunkt ist die Bildungsarbeit unter jungen Zielgruppen.
Graphic Novel
Eine neue Herangehensweise ist etwa das Graphic-Novel-Projekt „Das Unvorstellbare zeichnen“ („Picturing the Unimaginable“), das aktuell in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu sehen ist: Die Werke von zehn Comiczeichner:innen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden zeigen Geschichten aus drei ehemaligen Konzentrationslagern – dem KZ Neuengamme in Deutschland, der Kazerne Dossin in Belgien und dem Lager Westerbork in den Niederlanden.
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Startpunkt des Graphic-Novel-Projekts war ein 80 Jahre alter Comic, den der niederländische Historiker Kees Ribbens vom Amsterdamer „Institute for War, Holocaust and Genocide Studies“ neu entdeckt hat: Der Künstler August M. Fröhlich schilderte bereits 1944 in Form einer gezeichneten Geschichte in sechs Bildtafeln, was nach der Ankunft eines Deportationszuges in einem Vernichtungslager geschah. Der Comic „Nazi Death Parade“ wurde Anfang 1945 in den USA veröffentlicht – als die meisten Konzentrationslager noch in vollem Betrieb waren.
Verdichtet, aber sensibel erzählt
Aus der Beschäftigung mit diesem Format, einer kurzen Bilderzählung und Recherchen zu verschiedenen Biografien aus den Konzentrationslagern, haben die zehn Zeichner:innen eigene Comics entwickelt. In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden diese gemeinsam mit historischen Objekten und audiovisuellen Dokumenten gezeigt. Eine Partizipationsstation soll Besucherinnen und Besucher dazu motivieren, eigene Zeichnungen anzufertigen.
Auf diese Weise würden komplexe Inhalte auf sensible Weise verdichtet und eine zeitgemäße Form der Erinnerung an die Nazi-Verbrechen geschaffen, so Oliver von Wrochem, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte.
Online-Games
Eine weitere alternative Form der Bildungs- und Erinnerungsarbeit bietet das Hamburger Gedenkstätte Bullenhuser Damm an: Dort gibt es seit Kurzem ein Online-Spiel (Android und IOS) unter dem Titel "Erinnern. Die Kinder vom Bullenhuser Damm" für Schulklassen und Workshop-Teilnehmer:innen zu erleben.
Spurensuche interaktiv
NS-Vergangenheit als Game erlebbar? Das klingt erst einmal schräg, kann aber sehr hilfreich sein, ist sich Matej Samide (Projektmanager der Stiftung Digitale Spielekultur) sicher: "Wir müssen neue Zugänge erproben, die das Erinnern an die Vergangenheit unter sich stetig verändernden Bedingungen lebendig halten."
Bei dem Spiel nehmen die Teilnehmer:innen die Perspektive von Schülerinnen und Schülern der Bullenhuser Damm-Schule um 1979 ein. Gemeinsam würden sie Spuren entdecken, die in die NS-Vergangenheit führen. Damit entstehe ein Szenario, das zum Nachdenken über das Geschehene anrege.
Spiel setzt Gegenpol zu Hass und Hetze im Netz
Das Format eines Online-Spiels sei zeitgemäß und lasse keineswegs die gebotenene Ernsthaftigkeit vermissen, so Samide, der das Projekt "Let’s Remember! Erinnerungskultur mit Games vor Ort" geleitet hat. Die Gedenkstätte sehe es als innovative Ergänzung zu den bereits bestehenden Lernangeboten, heißt es von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte. Umfangreiche Tests in Schulklassen, mit Studierenden und Lehrkräften hätten bereits gezeigt, dass es funktioniere, sagte der Stiftungsvorstand.

Viele Fragen im Spiel würden auch die aktuelle Diskussion um Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft widerspiegeln. In einer Zeit, in der die Gefahren durch die Relativierung des Nationalsozialismus auf digitalen Plattformen steigen, setze das Game-Format etwas dagegen, lobt auch Lena Altman, Chefin der Alfred-Landecker-Foundation. Für sie steht fest: „Der digitale Raum ist unverzichtbar für das Gedenken an den Holocaust.“
Andere Beispiele seien im neuen Themenportal "Games – Erinnerung – Kultur" zu finden. Dazu zählen etwa "Through the Darkest of Times", "Attentat 1942" oder "Spuren auf Papier".
Ausstellungen
Eher auf traditionelle Art und Weise, aber dennoch sehr eindringlich, erzählen verschiedene andere Hamburger Ausstellungen von der NS-Geschichte. So zeichnet das Altonaer Museum die Lebenswege von zwei jüdischen Altonaer Bürgern nach: Durch Papiere, Postkarten und Bilder werde deutlich, wer Leon Daniel Cohen und Käthe Starke-Goldschmidt waren, so das Museum.
Überbleibsel zweier Leben
Das Faszinierende sei, dass Cohen einen Schrein geschnitzt habe, in dem normalerweise Thorarollen in einer Synagoge aufbewahrt werden. Dieser war ihm so wichtig, dass er ihn mitnahm, als er von den Nazis nach Thersienstadt deportiert wurde. Er blieb auf wundersame Weise erhalten und wird nun ausgestellt.
Auch Käthe Starke-Goldschmidt habe es geschafft, viele Papiere, von Deportationsbescheiden bis hin zu persönlichen Briefen, zu sammeln und zu erhalten. Dazu kämen von den Insassen Theresienstadts gezeichnete Bilder, die sie zusammengetragen habe. Diese Exponate würden viele Wissenslücken beispielhaft füllen, so Vanessa Hirsch, Fachbereichsleiterin der Sammlung am Altonaer Museum.
Sätze, die unter die Haut gehen
Trotzdem bleiben die beiden gezeigten Lebenswege Beispiele. "Es soll sich vorgestellt werden, wie viele andere Menschen es in Altona gab, die ähnliches erlebt haben. Aber deren Geschichte wir eben nicht kennen", so Hirsch.
Erarbeitet wurde die Ausstellung, die noch bis Mai läuft, in Zusammenarbeit mit dem deutschen Freundeskreis Yad Vashem, der sich seit 1997 für die Erinnerung an den Holocaust einsetzt.
„Ich hoffe, dass diese Geschichten von Menschen aus Altona den Menschen aus Altona nahe gehen“, sagt Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem. Sie möchte, dass ein Bild, ein Brief oder auch nur ein Satz die Leute wirklich trifft. "Wir können nicht erwarten, dass Menschen einfach Geschichte lernen. Es ist schwer zu begreifen, wie groß diese Tragödie war. Es liegt an kleinen Sätzen und Details, das greifbar zu machen."
Ausgeplündert und schikaniert
Welches Leid von den Nazis Verfolgte schon vor der Deportation erleben musste, zeigt eine weitere Hamburger Ausstellung. Sie heißt "Ausgeraubt vor der Deportation" und ist im Hamburger Rathaus bis zum 20. Februar zu sehen.
Die Wanderausstellung der Stiftung Hamburger Gedenkstätten beleuchtet die Rolle der Hamburger Finanzverwaltung bei der Entrechtung, Ausbeutung und Deportation von Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti, Romnja und Roma: Noch bevor Züge der Deutschen Reichsbahn Menschen aus Hamburg in Ghettos und Vernichtungslager deportierten, habe der NS-Staat die Verfolgten schrittweise ausgeplündert.
Hamburger Finanz- und Zollbeamte hätten die Vorgaben des Staates „unerbittlich umgesetzt“, informierten Finanzbehörde, Bürgerschaft und Stiftung. In öffentlichen Versteigerungen sei das Hab und Gut der Betroffenen „verwertet“ worden, den Gewinn habe die Staatskasse eingestrichen. Auch Speditionen, Gerichtsvollzieher, Auktionshäuser, viele Unternehmen und Privatpersonen hätten „von diesem beispiellosen Raub“ profitiert.
Lesungen
Neben diesen Ausstellungen wird es an mehreren Orten Lesungen geben, die an das Unrecht erinnern. Eine davon findet im Hamburger Museum der Arbeit statt: Beim "Abend für Esther Bejarano" liest der Autor Benet Lehmann am 27. Januar um 19 Uhr aus seinem Buch "Esthers Spuren. Die Geschichte der Shoah-Überlebenden. Esther Bejarano und der Kampf gegen Rechtsextremismus".
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Zugang durch die Kunst
Im Anschluss gebe es ein Autoren-Gespräch, teilte das Museum mit. Für musikalische Begleitung sorge die Band Microphone Mafia mit Joram Bejarano, Sohn von Esther Bejarano, und Kutlu Yurtseven, die eine Mischung aus Rap und Gesang in deutscher, englischer, französischer und jiddischer Sprache präsentiert. Der Eintritt beträgt 8 Euro.
Stolperstein-Reinigung
Natürlich werden rund um den Gedenktag an vielen Orten auch wieder die Stolper- und Denksteine in Erinnerung an die von den Nazis Ermordeten gereinigt: In Rostock geschieht dies etwa am 26. Januar ab 14 Uhr. Eingeladen sind dazu alle Schüler:innen und Studierende, aber auch alle interessierten Rostockerinnen und Rostocker. Interessierte werden gebeten, Putzutensilien wie Topfschwamm, Gemüsebürste und Lappen mitzubringen.
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