8. Mai: Ende des Nazi-Terrors ist ein guter Grund zum Feiern
07. Mai 2024
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Heute ist der Tag ein Gedenktag für die Millionen Opfer der Nazi-Diktatur. Zugleich ist er ein Mahnmal für Demokratie und Menschenwürde. Warum wir ihn brauchen und wie er unseren Sinn für Gerechtigkeit schärfen kann, sagt Stephan Linck, Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der Evangelischen Akademie der Nordkirche.
Am 8. Mai vor 79 Jahren endete eine Terror-Herrschaft, die Millionen Menschen das Leben kostete. "Geschichte darf sich nicht wiederholen", lautete die Maxime einer Bewegung, die sich nach Kriegsende aktiv für das Erinnern und gegen jede Form von Rechtsradikalismus einsetzte und bis heute einsetzt.
Trotz dieses Engagements erleben wir seit Jahren in Teilen der Gesellschaft und politischen Parteien eine Verharmlosung der Geschichte. Historiker Stephan Linck (Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der Evangelischen Akademie der Nordkirche) sagt im Kurzinterview, welche Rolle die Erinnerungskultur bei der Demokratieförderung spielen kann – und wie sie auch für jüngere Generationen greifbar wird.
nordkirche.de: Am 8. Mai gedenken wir der Millionen Opfer, die der Nazi-Terror und Zweite Weltkrieg verursacht haben. Dennoch gelang einer Partei, die den Nazi-Terror verharmlost, in den vergangenen Jahren ein steiler Aufstieg. Erst als die Deportationspläne eines rechten Netzwerks bekannt wurden, gab es großen öffentlichen Protest. Haben wir in Deutschland in der vergangenen Dekade zu wenig oder zu wenig eindringlich an die Verbrechen der Nazi-Zeit erinnert?
Stephan Linck: Machen wir uns bewusst: Das Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus war in der DDR ein erstarrtes staatliches Ritual, in Westdeutschland wurde es noch in den 1980er Jahren vom Verfassungsschutz überwacht. Bis zu einem breiten demokratischen Konsens beim Gedenken an die NS-Verbrechen war es also ein langer Weg.
Er war maßgeblich verbunden mit der Initiative von Bundespräsident Herzog 1996 für einen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Dennoch werden bis heute die meisten Kränze an den Denkmälern zu Ehren der gefallenen deutschen Soldaten der Weltkriege niedergelegt und nicht für die Opfer des Nazi-Terrors.
Aber eine angemessene Erinnerungskultur ist kein Allheilmittel gegen Rechtsradikalismus. Wir brauchen eine Demokratie, die Menschen stärker mitgestalten lässt. Und wir brauchen eine Politik, die Gerechtigkeit ins Zentrum stellt, ob in der Klima- oder Sozialpolitik. Unser Steuersystem, das die Reichen begünstigt, ist hierbei nicht hilfreich.
Die zahlreichen Demonstrationen gegen die Deportationspläne der Rechtsradikalen lassen mich hoffen, dass sich Menschen aktiver einmischen, um sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Die Auseinandersetzung mit dem Nazi-Terror kann hier sicher den Blick schärfen.
Aus Ihrer Erfahrung: Wie gelingt Erinnerungskultur so, dass sie innerlich etwas bewegt, also unsere Haltung ändert? Oder anders gefragt: Wie muss sie gestaltet sein, damit sie nicht „abprallt“?
Es gilt, Geschichte konkret zu machen, hier helfen Zahlen selten. Einzelne Schicksale und Lebenswege kennenzulernen, ist gerade in der Arbeit mit Jugendlichen sinnvoll. Für junge Menschen erlebbar zu machen, was Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung bedeuten, schafft Mitgefühl.
Mehr zum Konfi-Projekt "Ein Grabstein für Anton Kolberg" lesen Sie hier im Newsletter "Gedenken bedenken" (Ausgabe 03/23) der Nordkirche ab Seite 31.
Ein gutes Beispiel ist eine Stockelsdorfer Konfi-Gruppe, die sich mit dem Schicksal eines polnischen Zwangsarbeiters beschäftigte, der kurz nach seinem 16. Geburtstag starb. In Erinnerung an ihn gestalteten sie einen neuen Grabstein und machten sein Schicksal bekannt. Ich denke, die Konfirmand:innen haben so mehr über Geschichte erfahren als Geschichtsbücher es vermitteln könnten.
In der Vergangenheit wurde immer mal wieder die offizielle Anerkennung des 8. Mai als Feiertag in Deutschland diskutiert. Wäre dies aus Ihrer Sicht sinnvoll? Oder plädieren Sie stattdessen für andere Maßnahmen, um das Bewusstsein für das geschehene Unrecht wachzuhalten?
Der 8. Mai ist ein guter Tag zum Feiern. Auch wenn in Ostdeutschland nach dem 8. Mai 1945 Diktaturerfahrungen folgten, ist mit ihm vorrangig das Kriegsende in Europa und das Ende des Nazi-Terrors verbunden. Daran mit einem Feiertag zu erinnern, ist richtig.