Kunstgeschichte

Ältestes Chorgestühl steht im mecklenburgischen Gägelow

Restauratorin Lea Morath und der Bauhistoriker und Dendrologe Tilo Schöfbek untersuchen ein frühmittelalterliches Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg (20.3.2024).
Restauratorin Lea Morath und der Bauhistoriker und Dendrologe Tilo Schöfbek untersuchen ein frühmittelalterliches Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg (20.3.2024).© Olaf Mahlzahn, epd-bild

03. April 2024

Eine wissenschaftliche Untersuchung des Holzes hat es zu Tage gefördert: In der Dorfkirche im mecklenburgischen Gägelow steht ein Kunstwerk, dessen Bedeutung bisher nicht bekannt war, aber weit über die Grenzen des Bundeslandes hinaus reicht.

Das Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) ist neuesten Untersuchungen zufolge das älteste bekannte, vollständige Kunstwerk dieser Art in Deutschland.

Sensationsfund aus dem Jahr 1247

Dendrochronologische Untersuchungen im Dezember vergangenen Jahres hätten ergeben, dass das Chorgestühl vermutlich im Jahr 1247 hergestellt worden sei, sagte Bauforscher Tilo Schöfbeck bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse im März in Gägelow. Neben spätromanischen Resten im Ratzeburger Dom gelten die Gestühle von Havelberg, Einbeck und Doberan aus den 1280/90er Jahren bisher als älteste Vertreter von Chorgestühlen.

Das Chorgestühl von Gägelow sei schon seit längerer Zeit aufgefallen, „wegen seiner Größe und seinem Standort in einer abgelegenen Landpfarre“, so Schöfbeck. Restauratorische Untersuchungen der Studentin Lea Morath im Rahmen ihrer Masterarbeit hätten im vergangenen Jahr Anhaltspunkte auf eine frühere, aufwendigere Gestaltung gegeben. So sei das heute in schlichten Holzfarben gehaltene Gestühl früher vermutlich bunt bemalt gewesen.

Frühmittelalterliches Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg.
Frühmittelalterliches Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg (Foto vom 20.03.2024). Das Chorgestühl ist Forschungsergebnissen zufolge das älteste bekannte vollständige Kunstwerk dieser Art in Deutschland. Untersuchungen im Dezember vergangenen Jahres haben ergeben, dass das Chorgestühl vermutlich im Jahr 1247 hergestellt worden sei.

 

© Olaf Mahlzahn, epd-bild

Daraufhin habe der Bauforscher die Datierung überprüfen wollen und dem Holz im Dezember 2023 kleine Mikrobohrkerne entnommen, um diese Proben dendrochronologisch untersuchen zu lassen. Damit könne sich das Alter der Bäume anhand der Jahresringe des verarbeiteten Holzes feststellen lassen. Schöfbeck: „Als Wissenschaftler produziert man ja nicht so gern Sensationen, aber das Ergebnis war eine echte Überraschung.“

Was ist ein Chorgestühl?

In frühchristlicher Zeit bis ins Mittelalter war das Chorgestühl zumeist die einzige Sitzgelegenheit in einer Kloster-, Stifts- oder Pfarrkirche. Während die Gläubigen dem Gottesdienst im Kirchenschiff stehend oder kniend beiwohnten, dienten den Ordensleuten und Priestern, die mehrmals täglich zum gemeinsamen Chorgebet zusammenkamen, Chorgestühle im vorderen Teil des Kirchenraumes zum Sitzen, Stehen und Knien während der Liturgie.

Meist ist das Chorgestühl in zwei Reihen jeweils an beiden Seitenwänden des Chorraumes angeordnet ist. Das war und ist durch den Psalmgesang bedingt. Jeweils ein Psalmvers wird von einer Seite des Chores gesungen oder gebetet, so dass die beiden Chorseiten im Wechsel beten. Dabei schauen sich die Beter gegenseitig an.

Das Gägelower Chorgestühl, dessen Entstehung bisher auf 1325 datiert wurde, sei „handwerklich hervorragend hergestellt worden“, so Schöfbeck. Die Handwerker hätten sich „in den konstruktiven Details als erfahrene Könner ihres Metiers erwiesen und dürften vorher in anderen Landschaften gearbeitet haben“. Das Formengut sei für die Zeit hochmodern.

Noch viele offene Fragen

Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg.
Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg.© epd-bild, Olaf Mahlzahn

Schöfbecks Vermutung zufolge ist das Chorgestühl damit älter als der Kirchenbau selbst, dessen Entstehungszeit historischen Quellen zufolge auf 1266 datiert werden kann. So stamme das Kunstwerk wahrscheinlich aus dem nahe gelegenen Kloster Dobbertin, sei aber eigentlich zu groß für die kleine Kirche. Schöfbeck: „Das Gägelower Chorgestühl wirft viele Fragen auf. Wir stehen noch ganz am Anfang, aber es bleibt spannend.“

Über den Sommer soll das Gestühl von Lea Morath restauriert und noch in diesem Jahr wieder aufgebaut werden.

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