Historische Kirche in Nordfriesland

Die Kirche atmet wieder: Ein Besuch in der historischen Kirche in Drelsdorf

Die Drelsdorfer Kirche ist überwiegend aus Feldsteinen gebaut und ist etwa 800 Jahre alt. Mit den jüngsten Arbeiten wurde ein Belüftungssystem geschaffen, das hilft, ihre wertvollen Wandmalereien und andere Schätze zu bewahren.
Die Drelsdorfer Kirche ist überwiegend aus Feldsteinen gebaut und ist etwa 800 Jahre alt. Mit den jüngsten Arbeiten wurde ein Belüftungssystem geschaffen, das hilft, ihre wertvollen Wandmalereien und andere Schätze zu bewahren. © Nea Matzen

28. Juni 2024 von Nea Matzen

Mit Farbe, Kork und Lehm ist der Drelsdorfer Kirche neues Leben eingehaucht worden. Ein Team aus Restauratorinnen, Architekt und Kirchengemeinderat hat dafür gesorgt, dass die beeindruckenden Wandmalereien erhalten bleiben. Dafür muss das Raumklima stimmen. Gelüftet wird dafür wie von magischer Hand.

Mehr zur Geschichte und Gestaltung der Kirche Drelsdorf auf dieser Website

Wer tief durch Mund und Nase einatmet und das nächste Lied anstimmt, kann diesen Moment in der Drelsdorfer Kirche jetzt in tiefen Zügen genießen. Der für Kirchen so typische Modergeruch ist bis auf einen Hauch verflogen.

Hinweise für Ihren Besuch in Drelsdorf:

Wer die Kirche besichtigen möchte, kann sich an das Kirchenbüro wenden und erhält einen Schlüssel. Für Führungen muss im Voraus über das Kirchenbüro ein Termin vereinbart werden.

Und wer den Blick schweifen lässt, sieht: Die Wandmalereien mit den Bibelszenen, die Evangelisten in der Kuppel und die geschwungenen Ornamente haben wieder diesen gewissen Schimmer.

Pastorin Briesemsiter aus der Kirche in Drelsdorf vor Wandmalerei
Die Reinigung und Konservierung der Malereien sei so gut gelungen, dass auch sie Neues darauf entdecke, schwärmt Pastorin Maren Briesemeister.© Nea Matzen

Alte Kirche neu gedämmt und belüftet

Historische Kirchen klimafreundlich sanieren: Unser Klimaportal hat Tipps und Hintergrundwissen.

Beides hängt eng zusammen. Das Feuchte und Muffige schwindet, seitdem die Kirche neu gedämmt wurde und belüftet wird. Denn die kunstfertige Überarbeitung der farbenprächtigen Malereien im Kirchenschiff und Altarraum hätten nicht lange Bestand, wenn nicht zuerst das Raumklima mit Naturmaterialien und ausgefeilter Technik reguliert worden wäre.

„Nachhaltig ist eine Konservierung wirklich nur, wenn das Raumklima stabilisiert wird, sodass thermische und hygrische Dehnungsprozesse auf ein Minimum beschränkt werden“, sagt die Restauratorin Anna Klüm, die mit ihren Kolleginnen von der Lübecker Firma butt restaurierungen die Malereien konserviert hat.

Salz im Mauerwerk löste den Putz der Wände

Sechs Monate waren die Expertinnen – meistens mit zwei oder drei Restauratorinnen – mit Pinseln, Spritzen, Farbpaletten und Staubsaugern am Werk.

Der Tönninger Architekt Architekt Gerhard Hinrichs vor der Kirche Drelsdorf.
Begutachtet das Mauerwerk an der Südseite der Kirche: der Tönninger Architekt Architekt Gerhard Hinrichs.© Nea Matzen

Das Hauptproblem war: Im Mauerwerk steckte zu viel Salz, sodass sich der Putz von den Wänden löste, sich Risse bildeten und die Farbe abblätterte und sich weiße Stellen zeigte. Es war höchste Zeit einzugreifen, um das historische Bild und die farbenprächtige Ausstrahlung zu erhalten.

Warme Farben sorgen für heimelige Stimmung

Wer das Kirchenschiff betritt, taucht in eine warme Farbwelt von Ocker und Oxidrot ein: Motive aus dem Alten und Neuen Testament sind von Medaillons umrahmt, Verzierungen ranken wie Girlanden über den Kirchenbänken, um Fenster und an der Holzdecke.

Blick in Altarraum der Kirche in Drelsdorf
Auch das Gestühl wurde neu gestrichen. Die Gemeinde und die Restauratorinnen achteten darauf, dass der Farbton im Kirchenschiff aufgefrischt, aber nicht verändert wurde.© Nea Matzen

„Gemütlich und heimelig – wie die gute Stube Gottes“, beschreibt Pastorin Maren Briesemeister die Aura ihrer Kirche.

Alles war „zugekleistert“

Unter einer dicken Kalkschicht waren bis 1910 die biblischen Szenen und andere Malereien versteckt. Arbeiter entdeckten bei einer Renovierung die Originalmalereien aus dem 16. Jahrhundert und legten sie frei.

Der Gardinger Maler und Restaurator Wilhelm Jensen, der auch schon die Kanzel wiederhergestellt hatte, malte die Bilder aus der Renaissance zwischen 1915 und 1917 nach seinen künstlerischen Vorstellungen nach. Er war damals ein gefragter Spezialist für Kirchen weit über Nordfriesland hinaus.

Wandmalerei über Taufbecken in Kirche Drelsdorf
Szenen aus dem Alten Testament über dem Taufbecken: Sie zeigen Mose zerbricht die Gesetzestafeln (Mitte) und Mose errichtet die eherne Schlange (rechts). © Nea Matzen

Problem der Feuchtigkeit in alten Gemäuern

Kirchen haben klimatisch ihre Eigenheiten. Die Temperaturen schwanken stark, weil sie in der Regel nur beheizt werden, wenn Gottesdienste gefeiert werden.

Im Winter bringen die Menschen Feuchtigkeit durch nasse Mäntel und ihre Atemluft ins Haus. Die Feuchtigkeit kondensiert dann an der kalten Decke und schlägt sich an den Wänden nieder, wenn sie nicht ausweichen kann.

Als der Architekt Gerhard Hinrichs 2018 zum ersten Mal in den Dachstuhl kletterte, war ihm klar, warum es im Gebäude zu feucht war: Alles war „zugekleistert“.

Kirchengemeinderat Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs vor der Kirche in Drelsdorf
Das rund achthundert Jahre Mauerwerk der Feldsteinkirche wurde stellenweise neu verfugt. Kirchengemeinderat Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs arbeiteten ab 2018 eng zusammen.© Nea Matzen

Dämmung war Renovierungssünde aus den 70er Jahren

Die Dämmung über der Holzdecke bestand aus Mineralglaswolle, Bitumen, einer richtigen Teerschicht – Renovierungssünden aus der 1970er Jahren. „Runter mit dem ganzen Zeug“, lautete die Devise.

Denn das rund 800 Jahre alte Gebäude aus Feldsteinen „konnte nicht atmen“, erklärt Hinrichs, weil diese Materialien nicht „diffussionsoffen“ sind. Aus einem Turmfenster flog das alte Dämmmaterial auf den Kirchhof.

Ökologische Dämmung sorgt für ausgeglichenes Klima

Schon diese erste Maßnahme zeigte Wirkung. Doch ganz ohne Wärmedämmung geht es natürlich nicht.

Finanzierung für klimafreundliche Sanierung recherchieren im Förder.Weg.Weiser auf unserem Klimaportal

Damit die Gottesdienstbesucher:innen nicht frieren und auch die etwa 150 Jahre alte Orgel mit ihren sensiblen Pfeifen und Bälgen nicht zu Schaden kommt, griff der Architekt auf nachhaltiges und ökologisches Material zurück: Eine Schicht aus zehn Zentimetern Kork und vier Zentimetern Lehm auf der blauen Holzdecke sorgt nun für ein ausgeglichenes Klima.

Kork und Lehm statt Mörtel

Der Kork, erklärt Hinrichs, werde wie Popcorn gebacken. „Er plustert sich auf, wird wieder zusammengepresst und dadurch zu durchlässigem hochdämmendem Material“.

Die Lehmschicht nehme Feuchtigkeit auf und trockne wieder. So entsteht keine Barriere für den Luftaustausch. Auch die Kuppel im Altarraum ist jetzt mit dieser Methode gedämmt – statt der 14 Zentimeter Mörtel, die sie vorher abdichteten.

Evangelisten in der Chorkuppel der Kirche in Drelsdorf
Vier große Figuren der Evangelisten prangen im Kreuzgewölbe des Chores über dem Altar. Ein neues Lichtsystem lässt sie strahlen. © Nea Matzen

Sensortechnik für den frischen Hauch

Die Kirche atmet also wieder durch die Decke – und noch ein anderer Lufthauch zieht über die Drelsdorfer, Bohmstedter und Almdorfer hinweg, wenn sie auf den frischgestrichenen Bänken in ihrer  Kirche sitzen.

Dahinter steckt eine ausgeklügelte Technologie. Mit feinen Sensoren misst ein Computer neben dem Altarraum rund um die Uhr die Feuchtigkeit innen und außen.

Durch Druck öffnet sich automatisch ein Fenster

Stimmt die Balance nicht, wird über einen Ventilator oberhalb der Orgel feuchte Luft durch ein Rohr nach draußen abgesaugt. Unterdruck entsteht und ein Fenster an der Nordwand öffnet sich automatisch, sodass trockene Außenluft nach innen strömen kann.

„Dann zieht die Luft hier komplett durchs Kirchenschiff“, beschreibt der Eiderstedter Architekt begeistert den Effekt der Erfindung, die Andreas Penzel ausgetüftelt habe, Inhaber der Firma PASStech in Thüringen.

Fenster Kirche Drelsdorf Nordwand Lüftung
Die Sensortechnologie funktioniert: Kirchengemeinderat Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs unter dem Fenster an der Nordwand, das sich automatisch für den regulierten Luftaustausch öffnet.© Nea Matzen

Großer Fehler ist es, tagsüber zu lüften

So muss kein Küster im Sommer mitten in der Nacht die Türen aufreißen, denn nur dann ist es sinnvoll zu lüften. Der größte Fehler ist es, in eine kühle Kirche tagsüber warme feuchte Luft zu lassen.

„Dann schwitzen die Fußböden und die Feuchtigkeit in der warmen Luft klatscht an die Wand“, sagt Hinrichs. Die Vorgaben der Restaurationsfirma Butt seien klar gewesen.

Kirchengemeinderat Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs im Chorraum der Kirche in Drelsdorf
Der Chorraum wurde mit einem neuen Beleuchtungssystem ausgestattet – auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeinde, erklären Kirchengemeinderat Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs. Das Altarbild stammt wie die Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert, es wurde bereits 1979 restauriert.© Nea Matzen

„Wichtig ist, dass keine Feuchtigkeit von außen ins Bauwerk hineinkommt und nicht unkontrolliert geheizt und gelüftet wird. Ein stabiles Raumklima sowie eine intakte Raumschale bilden die Grundlage für den Erhalt der Malereien und Ausstattung“, zählt Restauratorin Klüm die wichtigsten Faktoren auf.

Nicht einfach die Schotten aufreißen

Also nicht einfach im Sommer tagsüber „die Schotten“ aufreißen, bringt Klaus Blamüser es auf den Punkt. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Kirchengemeinderat ist der eigentliche Retter der Wandmalereien.

„Es ist so wichtig, diese besonderen und beeindruckenden Wandmalereien, die wir hier haben, für die Nachwelt zu erhalten“, erklärt er seine Beweggründe. „Bevor alles zerfällt und nicht mehr restaurierbar ist, musste man aktiv werden – und bleiben.“

Wandmalerei Das goldene Kalb (Mose zerbricht die Gesetzestafeln)
Wandmalerei in der Kirche in Drelsdorf: Das goldene Kalb (Mose zerbricht die Gesetzestafeln) © Nea Matzen

Schon 2010 erste Schäden entdeckt und seitdem nicht locker gelassen

Mehr als zehn Jahre hat der Drelsdorfer nicht lockergelassen und das Projekt zielstrebig verfolgt. Das Restauratorinnen-Team aus Lübeck untersuchte bereits 2010 die Schäden und sicherte einen Teil der der Wand- und Gewölbemalereien temporär mit dünnem Japanpapier.

Anträge, neue Vorschläge, enge Absprachen mit seinen Kolleg:innen im Rat, mit kirchlichen Institutionen und Stiftungen folgten – für das Projekt brauchte Blamüser einen langen Atem.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs in der Kirche Drelsdorf
Aktenordner voller Gutachten, Anträgen und Briefwechseln: Der Vorsitzende des Finanzausschusses Klaus Blamüser und Architekt Gerhard Hinrichs lassen in der Kirche die Projektarbeit Revue passieren. Die neue Klarheit der Wandmalereien zeigt, dass es sich gelohnt hat.© Nea Matzen

„Wir haben es ja letztendlich geschafft“, sagt er heute und lobt besonders die Spendenfreudigkeit der Gemeinde. Schon 2009 startete er die Aufrufe. Insgesamt hat das Projekt laut Blamüser und Hinrichs rund 200.000 Euro gekostet.

"Das Muffige und Staubige ist verschwunden"

„Das Beste ist, man sieht es nicht“, spricht Pastorin Maren Briesemeister den Handwerker:innen, dem Architekten und den Restaurator:innen ein scheinbar zwiespältiges Kompliment aus.

Tatsächlich wurden die Konservierung und die Retuschen der Wandgemälde so sensibel und vorsichtig ausgeführt, dass das Kircheninnere seine vertraute warme Ausstrahlung nicht verloren hat.

„Das Muffige  und Staubige ist verschwunden, die Farbgebung der Malereien ist sehr gelungen, meisterhaft!“ Der Pastorin ist die Freude über den Glanz in ihrer Kirche anzusehen.

Blick in die Drelsdorfer Kirche von der Empore aus in den Innenraum
Reich verziert und farbenprächtig, aber nicht bunt: Berühmt ist die Drelsdorfer Kirche durch die Gedächtnistafel, das Epitaph der Pastorenfamilie Bonnix (links im Bild). Theodor Storm inspirierte das Bild des jungen Sohnes zu seiner Novelle „Aquis submersus“ aus dem Jahr 1877.© Nea Matzen

Mehr Spinnen als Staub

Tatsächlich mussten die Restauratorinnen aus Lübeck zunächst einmal die Wände gründlich reinigen. Neben dem Staub der letzten Jahrzehnte waren auch Spinnenweben das Problem.

„Auch wenn man die vielen Spinnen einmal weggebracht hatte, am nächsten Tag saßen sie wieder da“, erzählt Anna Klüm. Ihr insgesamt siebenköpfiges Team reinigte die Kirchenwände zunächst mit sehr weichen Pinseln, Staubsaugern und speziellen Reinigungsschwämmen.

Danach erfolgte die Konservierung und Restaurierung: „Hohlstellen im Putz haben wir durch Hinterspritzen mit speziellem Injektionsmörtel wieder ans Mauerwerk angebunden und Risse gesichert.“

Farben wurden vor Ort individuell angemischt

Was kaum noch Halt hatte, nahmen die Restauratorinnen vorsichtig ab, sicherten die Rückseiten sowie die entsprechenden Stellen an der Wand und brachten die Teilstücke der Malereien wieder an.

„Fehlstellen, die wir gekittet haben wurden anschließend retuschiert“, erklärt Klüm. „Jede Kollegin hatte ihre Farbpalette in der Hand, die Farben wurden vor Ort individuell angemischt.“

Die Spezialistinnen für Holzarbeiten im Team reinigten und konservierten die Kanzel, die Apostelfiguren und das Epitaph der Pastorenfamilie Bonnix.

Stein mit Inschrift Südseite der Kirche in Drelsdorf
Im alten Turmfundament wurde der Granitfindling mit Inschrift gefunden. Darauf steht: „Maia John Ani Dni 1486“. Daraus schließt man, dass der alte Turm 1486 gebaut wurde. Er brannte 1874 nach einem Blitzeinschlag ab. 1874 wird der neue Turm errichtet, das Jahr, das auf der Wetterfahne auf der Turmspitze verzeichnet ist.© Nea Matzen

Feines Werk der Restauratorinnen

Wer beim Kirchenbesuch die Augen schweifen lässt, erkennt das feine Werk der Restauratorinnen. Vielleicht ist auch ein Lufthauch zu spüren, wenn sich das Fenster an der Nordwand von alleine öffnet.

Wer tief einatmet, weitet entspannt die Nasenflügel und wahrscheinlich auch das Herz für diese wohltemperierte Kirche.

Pastorin Briesemeister Weihwasserbecken Kirche Drelsdorf
Das Weihwasserbecken aus Zeiten weit vor der Reformation, vermutlich aus der Bauzeit im 13. Jahrhundert. Die Drelsdorfer Pastorin Maren Briesemeister schickt ihre Konfirmand*innen spielerisch auf Entdeckungsreise rund um die Kirche, wenn die Konfizeit startet.© Nea Matzen

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