Altholstein arbeitet mit Periodenboxen gegen ein Tabu
14. Oktober 2022
Die Periode ist Teil jedes Frauenlebens, doch öffentlich thematisiert wird sie selten. Der Kirchenkreis Altholstein möchte es menstruierenden Frauen leichter machen und ein Zeichen gegen die Tabuisierung setzen: Auf den Toiletten der Kirchengemeinden finden sich in Zukunft "Periodenboxen" mit Hygieneartikeln.
„Menstruationsprodukte sind teuer. Nimm dir aus der Box, was du jetzt brauchst.“ Diese Botschaft steht auf den weißen Boxen, gefüllt mit Hygieneartikeln für die Menstruation. Sie sind in etwas so groß wie eine hohe Brotdose und sollen in Zukunft unter anderem in den Toilettenräumen der 53 Kirchengemeinden des Kirchenkreises Altholstein zu finden sein.
Scham führt zu weniger Teilhabe
Initiiert wurden sie vom Fachbereich Frauen des Kirchenkreises. „Menschen, die menstruieren, sollen sich in kirchlichen Räumen willkommen fühlen“, erklärt Pastorin Natascha Hilterscheid die Aktion. Noch wichtiger als das Versorgen von Gästen mit Tampons sei jedoch die Sichtbarkeit. „Es ist unglaublich, wie hochgradig schambesetzt das Thema immer noch ist.“
Studien zeigen zum Beispiel, dass sogar in Deutschland Mädchen sich während ihrer Regel nicht trauen, Sport zu treiben oder auszugehen. Chantal Schierbecker,Fachbereich Frauen Altholstein
Ihre Kollegin aus dem Fachbereich Frauen Altholstein, Chantal Schierbecker, erläutert: „Frauen haben weltweit nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger gesellschaftliche Teilhabe. Studien zeigen zum Beispiel, dass sogar in Deutschland Mädchen sich während ihrer Regel nicht trauen, Sport zu treiben oder auszugehen.“ Tampons und Binden würden sich von Frauen in Gesellschaft heimlich zugesteckt. „Wir fragen aber offen nach Taschentüchern“, wundert sich Hilterscheid, „es geht doch in beiden Fällen um Körperflüssigkeiten.“
Gegen das Tampon-Tabu
Schierbecker und Hilterscheid haben gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Beirat des Fachbereichs Frauen die Periodenboxen beschriftet und mit Tampons gefüllt. Anschließend haben sie die Kirchengemeinden angeschrieben und angeboten, sie dort aufzustellen. In manchen Gemeindehäusern stehen bereits seit Jahren Hygieneartikel in den Damentoiletten zur Verfügung, andere haben sich darüber noch nie Gedanken gemacht.
Die Periode existiert. Und wir alle existieren wegen der Periode Aktivistin Franka Frei
Schierbecker bekräftigt: „Selbst wenn in Gremien und Gruppen nur über die Boxen diskutiert wird, ist schon viel erreicht.“ Schön wäre es, wenn in den Kirchengemeinden ein Pate oder eine Patin gefunden würde, die sich um das Nachfüllen der Periodenbox kümmern würde. Sowohl Boxen als auch Nachfüllmaterial können im Fachbereich Frauen bestellt werden, in Bioqualität und nachhaltig verpackt. Finanziert wird die Aktion aus dem Spendenetat.
Schottland ist Vorbild
Die Diskussion um den schamhaften und teils stigmatisierenden Umgang mit der weiblichen Monatsblutung erfährt zurzeit viel Aufmerksamkeit, vor allem in den Sozialen Medien, wo Aktivistinnen und Frauengruppen das „Tampon-Tabu“ brechen wollen. Sie kritisieren unter anderem, dass Verbraucherinnen auf Binden und Tampons in Deutschland nach wie vor 19 Prozent statt 7 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Als Reaktion auf kritische Stimmen wechselte zudem in diesem Jahr die Branche von blauer zu roter „Testflüssigkeit“ bei Bindenwerbung im TV.
In Schottland ist man einen Schritt weiter gegangen: Alle öffentlichen Stellen sind seit diesem August verpflichtet, Produkte für die Monatshygiene gratis abzugeben, an jede, die sie braucht. Die Altholsteinerinnen haben auf die Periodenboxen ein Zitat der Internet-Aktivistin Franka Frei geklebt: „Die Periode existiert. Und wir alle existieren wegen der Periode.“