Vermisst im Wattenmeer seit 1362

Archäologen bestimmen Standort der versunkenen Kirche von Rungholt

Sedimentbohrkerne werden zur Erfassung von Siedlungsresten und der Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung an ausgewählten Stellen im Watt gewonnen.
Sedimentbohrkerne werden zur Erfassung von Siedlungsresten und der Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung an ausgewählten Stellen im Watt gewonnen.© Justus Lemm, Berlin

24. Mai 2023

Ein Wissenschaftler-Team der Universitäten Kiel und Mainz sowie des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein hat im Wattenmeer den genauen Standort der einstigen Kirche von Rungholt ermittelt. Eine seit mehr als 100 Jahren diskutierte Forschungsfrage sei damit endgültig geklärt worden.

Mit Hilfe geophysikalischer Methoden sei in der Umgebung der Hallig Südfall eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Siedlungshügel erfasst worden, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Fundament der Kirche lokalisiert

Eine dieser sogenannten Warften weise Strukturen auf, die "zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 Meter mal 15 Meter Größe zu deuten sind". Bohrungen und gezielte Ausgrabungen hätten die Vermutung inzwischen bestätigt.

Ein Messwagen in Leichtbauweise liefert großflächig magnetische Kartierungen von Kulturspuren, die unter der heutigen Wattoberfläche verborgenen sind.
Ein Messwagen in Leichtbauweise liefert großflächig magnetische Kartierungen von Kulturspuren, die unter der heutigen Wattoberfläche verborgenen sind.© Dirk Bienen-Scholt, Schleswig

Neue technische Methoden ermöglichten nun, auch die Sedimente unterhalb der einstigen Siedlungen zu betrachten, sagte Hanna Hadler vom Geographischen Institut der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Fußspuren" vergangener Zeiten im Wattenmeer

Die einstige Auflast der Warftenhügel habe gewissermaßen "Fußspuren" hinterlassen, die noch heute messbar seien. Im Bereich der einstigen Kirche kämen Fundamentreste hinzu.

Um den einstigen nordfriesischen Handelsplatz Rungholt ranken sich zahllose Legenden. Die Siedlung war 1362 bei einer katastrophalen Sturmflut im Meer versunken, die als "Große Manntränke" bekannt wurde und vermutlich Tausende Menschenleben forderte.

Ob Rungholt wirklich existierte oder lediglich ein Mythos war, blieb lange Zeit unklar. Erst im 20. Jahrhundert begann rund um Südfall die systematische Suche nach Spuren der einstigen Siedlung.

Ein spezieller Metallrahmen ermöglicht im Watt archäologische Grabungen von einem Quadratmeter Größe, die während einer Ebbe ausgegraben und dokumentiert werden können.
Ein spezieller Metallrahmen ermöglicht im Watt archäologische Grabungen von einem Quadratmeter Größe, die während einer Ebbe ausgegraben und dokumentiert werden können.© Ruth Blankenfeldt, Schleswig

Die bereits vor zehn Jahren begonnene systematische Erforschung des Wattenmeers um das einstige Rungholt soll nach Hadlers Angaben weiter fortgesetzt werden: "Unser Ziel ist es, dass wir soweit wie möglich einen Großteil der früheren Kulturlandschaft rekonstruieren."

Versunkene Kirchen im Wattenmeer

Rund 50 Kirchen gab es im Mittelalter auf Alt-Nordstrand, das damals unter anderem Eiderstedt, Pellworm und die sagenumwobene Stadt Rungholt umfasste.

Die meisten Kirchen gingen im 14. Jahrhundert bei den großen Sturmfluten unter. Nach der Sturmflut von 1634 blieben gerade noch drei von 22 Kirchen übrig: Neben der "Neuen Kirche" auf Pellworm von 1622  sind es die "Alte Kirche" auf Pellworm von 1095 und die Kirche von Odenbüll auf Nordstrand

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